Geschichten:Das dritte Kind – Der Preis der Wahrheit

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Burg Scharfenstein, Firun 1045 BF

Drego von Altjachtern blickte in die Augen seiner Gegenüber. Leudane von Leuenberg hielt seinem Blick stand. Noch zumindest.

„Hochgeboren, ich bitte Euch“, versuchte Lindegard Tempeltreu zu ihm durchzudringen, „Haltet inne. Denkt nach. Das ist doch... doch Wahnsinn! Das könnt Ihr doch nicht wirklich wol...“

„Schweigt“, knurrte der Baron einem verwundeten Tier gleich, „Hört endlich auf mir zu sagen, was ich denken soll, was ich tun soll und vor allem was ich fühlen soll. Ständig glaubt einer von Euch, dass er oder sie mich belehren müsse als wäre ich... wäre ich ein dummes Kind.“

„Verzeiht“, sanftmütig redete sie weiter auf ihn ein, „Das habe ich nicht gewollt. Ich wollte Euch nur helfen, niemals Euch jedoch bevormunden oder gar kränken. Ich bitte Euch, nehmt Euer Schwert von ihr, Ihr Leben gehört doch ohnehin Euch.“

„Ja, ein unnützes Leben, dass nur kostet, anstatt etwas einzubringen.“

„Dass ihrer Familie ihr Leben nichts wert ist, davon konntet Ihr und die Euren nicht ausgehen“, gab die Geweihte zu bedenken, „Für gewöhnlich fließt Lösegeld, das haben wir ja gesehen. Doch, Hochgeboren...“ Zaghaft legt sie ihre Hand auf seine Schulter. „... kann die Hohe Dame nichts für die Weigerung ihrer Familie. Sie hat so oft an sie geschrieben und um ihre Befreiung gefleht, doch es kam nie etwas zurück. Was hätte sie noch tun sollen?“

Zuerst wusste Baron Drego darauf nichts zu sagen. Noch immer starrte er in die Augen seiner Gegenüber. Die Spitze seines Schwertes lag an ihrer Kehle. „Haltet Euch zukünftig aus Dingen raus, die Euch nichts angehen“, knurrte er und ließ von ihr ab. Leudane fasst sich instinktiv an ihren Hals. Ein Blutstropfen rann an ihren Fingern hinunter.

„Ich werde... nein, ich muss diesen Bastard zur Rechenschaft ziehen. Das gebietet meine Ehre“, verkündete er.

„Und was ist mit der Ehre Eurer Gattin?“, wollte die Ritterin wissen.

„Ihre Ehre gebietet es auch.“

„Aber Hochgeboren, wie stellt Ihr euch das vor? Ihr kennt seinen Namen doch gar nicht. Ihr wisst nichts über ihn. Ihr glaubt, dass er etwas mit den Erlenfallern zu tun hat, aber genaues wisst Ihr auch nicht.“

„Es muss einer von ihnen gewesen sein“, schloss er störrisch, „Nur ihnen traue ich so etwas Abscheuliches zu. Selbst die Waldsteiner haben mehr Ehre im Leib als einer von ihnen.“

„Als Eure Gattin auf Rallingstein saß, da waren Emmeran und Edelbrecht von Erlenfall bereits tot und Euer neuer Junker, Eslam von Erlenfall, hat es zum damaligen Zeitpunkt noch nicht einmal selbst nach Rallingstein geschafft. Lediglich Wildmunde von Edfelden saß zu dieser Zeit auf der Burg. Möglicherweise unterstützt von Khorena von Weißenstein und meiner Glaubensschwester Perainidane.“

Er stutzte und schien einen Augenblick angestrengt nachzudenken: „Nur weil es keiner von den genannten gewesen sein kann, heißt das nicht, dass es nicht doch so war. Vielleicht war es ja ein... ein... Knecht.“ Das letzte Wort spie er regelrecht hervor.

„Der noch nicht mal satisfaktionsfähig ist“, murmelte die Ritterin.

„Außerdem... außerdem waren das noch nicht alle Erlenfaller. In Schwarztannen sitzen zwei weitere. Beide kommen in Frage...“

„Beides sind Geweihte!“, erwiderte sie ihm scharf, „Kein Geweihter würde...“

Nun lachte der Baron: „Seid Ihr Euch da sicher? Selbst wenn man nur den harmlosen Gerüchten glaubt, die man sich über den Prätor erzählt, dann sind ihm derische Interessen durchaus nicht fremd und manchmal scheinen sie sogar über denen seines Herren zu stehen.“

„Aber... aber...“, stammelte die Geweihte fassungslos, „... aber das heißt doch nicht, dass er über Eure Gattin herfällt?“

„Seine Familie verabscheut mich“, stellte er klar, „Sie glauben, dass ihnen und ihnen allein die Baronswürde zustünde. Und wie könnten die Erlenfaller mich besser treffen als über meine Gattin?“

„Selbst wenn, ja wenn es so gewesen sein SOLLTE“, das letzte Wort betonte die Kaisermärkerin sehr deutlich, „Das Wort eines Geweihten stünde gegen das einer Adeligen.“

„Die Wahrheit ist und bleibt die Wahrheit“, erwiderte Drego da nur, „Und die Geweihten des Herrn Praios werden sie ganz gewiss ans Licht bringen.“

„Und was werden sie dabei noch so zutage fördern?“, wollte die Ritterin von ihm wissen, „Wollt Ihr wirklich, dass das Ansehen und die Ehre Eurer Gattin und damit auch Eurer Ansehen und Eure Ehre in den Schmutz gezogen wird?“

Verwirrt blickte er sie an: „Was... was wollt Ihr damit sagen?“

„Hochgeboren, ich kann gut verstehen warum sie schweigt“, hob sie an zu erklären, „Ganz gleich was passiert ist, wäre ich an ihrer Stelle würde ich auch schweigen. Wie stünde sie denn da, wenn sich Eure Annahme als wahr erwiese? Und habt ihr auch nur ein einziges Mal an das Kind gedacht? Wollt Ihr wirklich, dass alle wissen wie es zustande kam?“ Verdutzt schaute er sie an. „Die Leute werden sich das Maul über Euch, Eure Gattin und das Kind zugleich zerreißen. Der Preis für die Wahrheit ist hoch. Ist sie Euch das wirklich wert?“ Noch immer sagte er nichts. „Ein Bastard kommt in den besten Familie vor, Hochgeboren. Es mag unangenehm sein und gewiss nicht das, was Ihr Euch vorgestellt habt, aber es ist gewiss kein Weltuntergang.“ Und abschließend fügte sie hinzu: „Ihr könntet natürlich auch den Mantel Borons über diese ganze Angelegenheit breiten und das Kind als Eures annehmen ganz so als wäre es Eures. So bliebe nichts an Euch oder Eurer Gattin hängen...“