Geschichten:Das dritte Kind – Ohne Schuld

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Burg Scharfenstein, Firun 1045 BF

„Ihr habt mich angelogen!“, fuhr Baron Drego zornig seine Hofkaplanin an.

„Ich verstehe, dass Ihr so denkt, Hochgeboren“, erwiderte sie ruhig und versuchte so ihren Gegenüber zu beruhigen, „Aber...“

„Nichts aber“, fiel er ihr wütend ins Wort und wurde nur noch wütender, „Ihr hättet mir sagen müssen, dass... dass...“

In diesem Moment trat Leudane von Leuenberg ein.

„Was macht Ihr hier?“, herrschte er sie an, „Ich habe Euch nicht rufen lassen. Verschwindet gefälligst wieder.“

Die Ritterin schaute sichtlich irritiert drein.

„Ich habe sie hergebeten“, stellte die Geweihte klar, „Und ich möchte euch bitten zu bleiben. Hochgeboren ist vollkommen außer sich.“

„Das sehe ich“, merkte sie trocken an und blickte zum Baron hinüber, „Was ist denn geschehen?“

„Ich habe gesagt, Ihr sollt verschwinden. Auf der Stelle. Ihr habt mir Gefolgschaft geschworen...“

„... und Euch geschworen Euch mit meinem Leben zu schützen“, stimmte sie ihm nickend zu, „Was für mich auch einschließt Euch vor Euch selbst zu schützen.“

„Ihr werde jetzt auf der Stelle gehen oder... oder... oder ich lasse Euch bis zum Eintreffen der Lösegeldsumme wieder einsperren!“

Leudane schluckte. Sie blickte zu der Hofkaplanin hinüber, die sie regelrecht flehend anblickte. „Ich möchte nicht wieder eingesperrt werden, Hochgeboren“, gestand sie mit leicht zitternder Stimme, „aber ich kann jetzt auch nicht einfach so gehen...“

Mit vor Zorn funkelnden Augen starrte er die Kaisermärkerin an: „Das werdet Ihr bereuen, Leuenberg, das schwöre ich Euch! Und Ihr...“ Nun wandte er sich der Geweihten zu. „... Ihr auch.“

Lindegard schluckte und erwiderte: „Ich weiß, dass die Verzweiflung aus Euch spricht, Hochgeboren. Ich weiß, dass das nicht Ihr selbst seid, sondern Euer Schmerz der gerade in Euch wütet und… und ich verstehe Euch.“

Da lachte er: „Ihr habt doch keine Ahnung! Ihr habt absolut keine Ahnung. Alles... alles habe ich für sie getan. Alles.“ Er holte Atem. „Ihr hättet es mir sagen müssen. Ihr hättet...“

„Ich wurde zu Stillschweigen verpflichtet. Ich konnte Euch nichts...“, versuchte die Geweihte klar zu stellen.

Ailsa ist MEINE Frau“, fiel er ihr da ins Wort, „Und ich habe das Recht...“

„Da irrt Ihr“, musste sie ihn korrigieren.

Er lachte: „Es geht hier um MEINE Frau. MEINE.“

„Eure Frau gehört doch aber NICHT Euch. Sie ist NICHT Euer Besitz. Ihr könnt NICHT über sie verfügen wie euch beliebt. Ihr könnte also auch NICHT darüber entscheiden, was Ihr über sie zu erfahren habt, zumal sie ausdrücklich mein Stillschweigen gefordert hat.“

Wieder lachte er. Dieses Mal schüttelte er ungläubig seinen Kopf.

„Glaubt mir, ich hätte Euch gerne informiert.“

„Ach?“, spottete er.

„Ja“, bestätigte sie, „Ja, das hätte ich, aber ein Versprechen ist ein Versprechen.“ Etwas hilflos zuckte sie mit den Schultern. „Und wäre der Zustand Eurer Gattin nicht so schlecht und höchst besorgniserregend gewesen, dann hätte ich Euch auch niemals zugemutet sie hier zu haben. Doch meine Herrin erwartet von mir, dass ich das Leben schütze – jedes Leben. Ganz gleich wie es zustande kam.“

„Diese Kind ist aber nicht meines. Wie kann Orknäschen mir das nur antun?“, Tränen glitzerten in seinen Augen und in seiner Stimme lang pure Verzweiflung, „Wie kann sie nur?“

Leudane beobachtet, sagte aber nichts.

„Wir wissen nicht, wie es zu dieser Schwangerschaft kam, Hochgeboren. Eure Gattin schweigt sich aus, sie will nicht reden. Vielleicht kann sie es auch nicht.“

„Sie hätte es doch nicht behalten müssen“, nun wirkte er ruhiger und auch gefasster.

„Ja, sie hätte es nicht behalten müssen“, stimmte Lindegard ihm da zu.

„Und Ihr hättet ihr geholfen?“

Nun atmete sie schwer: „Ich hätte sie an jemanden verwiesen, der das könnte. Ich selbst sehe mich dazu nicht im Stande.“

„Warum hat sie es nicht getan?“

„Die Entscheidung gegen ein Kind ist eine äußerst schwere“, hob die Geweihte an, „Es ist eine Entscheidung, die wohl überlegt werden muss, eine die endgültig ist.“ Sie hielt einen Moment inne, dachte nach. „Ihr habt die Alka in einem Duell auf’s Dritte Blut vor der Herrin Rondra besiegt und damit getötet und obwohl es ihr freier Wille war mit Euch dieses Duell auszufechten und sie durchaus in der Lage gewesen wäre Euch zu besiegen, so sucht Ihr tot Euch doch auch noch heute in Euren Träumen heim. Ein Kind kann weder einwilligen, noch sich wehren, noch trägt es irgendeine Schuld.“