Geschichten:Schwarzer Weg – Dritte Station: Gut Grafenruh - Klang der Harmonie

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Gut Grafenruh, Sitz des Waldsteiner Grafenhof, 25. Hesinde 1038 BF:

Wenige Meilen außerhalb der Reichsstadt Hirschfurt lag das Gut Grafenruh, malerisch am Perlquell gebettet, der zu dieser Jahreszeit von einer in der Abendsonne glitzernden Eisschicht überzogen war. Das Gut war großzügig angelegt und noch nicht sehr alt, da es erst zu Kaiser Retos Zeiten errichtet worden war. Seit eben jener Zeit beherbergte Grafenruh auch den Waldsteiner Grafenhof, oder zumindest die kümmerlichen Reste davon. Denn ein Graf hatte in dem Gemäuer noch nie geruht, die elfische Gräfin Allechandriel bevorzugte wie auch ihre Vorgängerin im Amte das verwunschene Schloss Silz. Da die Gräfin keinen repräsentativen Hofstaat unterhielt, kam der waldsteiner Adel eben in Grafenruh zusammen.

Es war die Wiederkehr des ewig Gleichen: Darion von Düllerwüben ließ sich in einen der gepolsterten Sessel in der großen Halle fallen, während ihm ein Page den Kelch mit Wein auffüllte. Bei Hofe war sonst schon nichts los, aber sobald der Grimmige das Land fest in seiner eisigen Hand hatte, erstarb auch das gesellschaftliche Leben zusehends – von ein paar Jagdgesellschaften mal abgesehen. Es war ein Jammer, der Landvogt vom Lepperturm seufzte. Die Gräfin ließ sich hier nie blicken und auch die wenigen wirklich wichtigen Höflinge waren nur selten zugegen. Der Seneschall residierte im Grafenpalas in der Reichsstadt, genauso wie die Landrichterin, die Hauptfrau der Gräflichen Garde in Rallerwacht, der Wegevogt war für gewöhnlich irgendwo im Reichsforst und der Jagdmeister im heimischen Serrinmoor. Der Kämmerer, nun, bei dem war man allgemein hin froh das dieser für gewöhnlich mit Abwesenheit glänzte, war der Hohentann doch vollkommen inkompetent.

Darion ließ gelangweilt seinen Blick schweifen. Vor dem verwaisten Thron, auf dem noch nie ein gräflicher Allerwertester Platz genommen hatte, standen der stets mürrisch dreinschauende Hofkaplan Gutfried von Weißenstein und der gräfliche Herold Jaroldan von Derrelsbach. Verächtlich schauten beide auf den Hofmagier Horbertus Mistrian Gehrendieck – ein bekennender Elfenfreund – der in ein Gespräch mit dem geläuterten Falk von Hagenbronn vertieft war, der in den Farben eines Tsa-Akoluthen gekleidet war. Ja, das höfischen Leben am Grafenhof bestand aus Rivalitäten, Intrigen und Ringen um Einfluss. So gab es die Elfenfreunde, zu denen der Hofmagier oder aber der Wegevogt gehörten. Den Traditionalisten hingegen, unter Führung des Hofkaplans, war das elfische Wesen der Gräfin zuwider. Dann schwelte auch noch ein Konflikt zwischen Hoch- und Niederadel. Die hochadligen Familien besetzten fast alle wichtigen Hofämter – vor allem wohl um die gräfliche Administration zu lähmen, so dass diese Familien in ihren Baronien ohne Einmischung der gräflichen Instanz herrschen konnten. Doch der Niederadel gierte nach mehr Einfluss, auch deshalb, weil der Hochadel untereinander auch zerstritten war, wie etwa die immer wieder aufkommenden Konflikte zwischen den Zweifelfelsern und den Streitzigs zeigte. Der Kleinkrieg der Fraktionen kam Darion wie eine schlechte Komödie aus Gareth vor und allem ausbleibenden Beifall zum Trotz, wurde dieses Stück tagtäglich wieder aufs neue aufgeführt. Auf der anderen Seite waren die kleinen Sticheleien auch durchaus unterhaltsam.

So langsam, wie jeden Abend, füllte sich nun die große Halle. Als strömten die Ratten zurück ins warme Nest, drängelten sich die Hofschranzen und Hausritter um das wärmende Feuer. Der Rote Raupold, der Hofkünstler von dem niemand so recht wusste wer ihm diese Ehre hat zuteil werden lassen, trieb seine Späße mit dem ein oder anderen – auch dies war ein allabendliches Ritual. Wie einem unhörbaren Signal folgend, ebbte das Geflüster und Geläster der Höflinge auf einmal ab und selbst der Rote Raupold hielt inne. Auf einer kleine Bühne, auf der eine kunstvoll verzierte Harfe stand, nahm die Hofmusikerin Rohalia Olinai von Feenwasser Platz. Umgehend setzte Applaus ein. Die junge Dame begann zu spielen und die Melodien der Harfe erfüllten sogleich die ganze Halle und erfasste alle Anwesenden. Die verhärmten Gesichtszüge der Adligen löste sich und Glückseligkeit machte sich breit. Auch Darion erfasste diese melodische Welle der Harmonie, so dass ihm beinahe entging wie der gräfliche Hausritter Howarth von Fints an die erste Hofdame Mechtessa von Luring-Cronenfurt herantrat und mit ihr sogleich schnellen Schrittes die Halle verließ. Nach wenigen Momenten kamen sie zurück, begleitet von Radegund von Luring-Cronenfurt, Yendar Leodan von Zweifelfels, sowie drei auswärtigen Rittern. Darion erkannte das Wappen der Familie Schallenberg, die anderen Wappen kannte er nicht. Hartsteener? Hier am Hof? DAS war eine Überraschung. Den anderen Höflingen schien dies nicht weiter zu interessieren, einzig der gräfliche Schreiber Aribert von Windenstein-Windenbrück verließ umgehend die große Halle, was Darion verwunderte. Eine Dame von Stand, die er bei Hofe noch nicht gesehen hatte und sich unter die anderen Höflinge gemischt hatte, folgte dem Schreiber. Sollte er dem nachgehen? Schließlich hatte er hier am Hofe die Aufgabe Informationen für seinen Auftraggeber zu sammeln und besonders diesen windigen Schreiber und seinen Vater, den hiesigen Landvogt, im Auge zu behalten. Und wer war diese Frau? Doch der Klang der Harfe gewann nun wieder die Oberhand und der Darion ließ sind entspannt und weltvergessen in seinen Sessel zurückfallen.