Geschichten:Rallerqueller Familiengeschichten - Der Entschluss

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Gut Rallerspring, Junkertum Rallerquell, Baronie Uslenried - Ende Rahja 1045 BF:

Eine Stunde reitet Arike von Breitenbach jetzt auf dem Rallerqueller Pfad in Richtung Rahja. Der für ein Fuhrwerk gerade so befahrbare Weg folgt dem Lauf der Raller und führt durch das hügelige Rallerquellerland vorbei an Fischteichen, durch kleine Haine und an vereinzelten Feldern die die wenigen Bauerhöfe umgeben, entlang. Nur eine Bäuerin mit ihrem Knecht war ihr bisher begegnet. Vereinzelte Wolken ziehen über den blauen Himmel, das Gras und die Blumen tragen in der leichten Brise deren perainegesegneten Duft und einige anmutige und stolze Kraniche staksen durch die Rallerauen. Alrike hat aber für die Idylle gerade keinen Sinn. Sie denkt wieder nach, wie sie ihr Anliegen gegenüber der alten Thyria von Breitenbach am besten vorbringen könne. Viele Wochen überlegte die junge Ritterin und Gattin von Hilger schon, ob sie den Schritt wagen sollte. Die beinahe lüstern zu nennenden Blicke der drallen Ritterin aus dem Greifenfurter Land auf ihren Ehemann brachten dann vor einigen Tagen aber das Fass zum überlaufen.

‚Das muss aufhören – Hilger gehört mir alleine!‘

Ehrlicherweise scheint Hilger kein Interesse an der Greifenfurterin zu haben und auch sonst waren Alrike in den letzten Monden keine „Vorkommnisse“ mehr zu Ohren gekommen. Die Eifersucht nagte nichts desto trotz an ihr und verfolgte sie bis in ihre Träume. Wie stolz und glücklich sie gewesen war, als der charmante Schürzenjäger und Erbe Rallerquells mit ihr den Traviabund eingegangen war und sie kurz darauf von Tsa gesegnet wurde. Das landlose Dasein der Breitenbachs hatte endlich ein Ende. Sie wurde Junkerin von Rallerquell und eines ihrer Kinder würde den Titel und das Land einst erben. Aber ein Teil der Freude verflog, als sie zu häufig bemerkte, dass Hilger diverse Liebschaften gepflegt hatte und mit den Weibsbildern auch heute noch freundschaftlich verkehrt oder, und das quält Alrike ungemein, vielleicht nicht nur freundschaftlich. Der Pfad führte jetzt über einen Knüppeldamm, da der Wiesengrund hier beinahe sumpfig geworden ist. In diesen weiten Wiesen entspringt die Raller und hier soll eine alte Macht verborgen liegen. Links ihres Weges, einige hundert Schritt entfernt, auf einer von Bäumen und Gesträuch beinahe zugewachsenen Hügelkuppe ragen die Ruinen einer alten Burg auf. Da taucht auf einer Anhöhe, umgeben von alten großen Eschen, auch schon Gut Rallerspring auf. Man sieht aus der Entfernung bereits, dass das Gut bessere Tage erlebt hatte. Das Gebäude ist zweigeschossig, Efeu und Hopfen wächst die Fassade herauf und die Dachschindeln weisen Lücken auf. Aber man erkennt an den Butzenglasscheiben und mit dem Rallerqueller Wappen bemalten Fensterläden, dass es trotz allem ein Edlengut ist. Auf beiden Seiten des Hauptgebäudes gibt es einstöckige Anbauten für das Gesinde, die Werkstatt und den Stall. Im Näherkommen erkennt die Ritterin, dass der Garten teilweise zugewuchert ist und die wenigen Beete nicht mit schmucken Blumen, sondern mit allerlei Nutzpflanzen bepflanzt sind.

Auf einer Bank vor dem Haus sitzt eine verrunzelte steinalte Frau mit schlohweißen Haaren, die einen Holzbecher in ihrer Hand hält. Einige Vögel und ein Eichhörnchen hocken neben ihr auf der Lehne und dem Sitz der Bank. Sie sieht in Richtung des Pfades der die letzten Schritte zum Haus an Heckenrosen und Pfaffenhütchen vorbei führt. Aber der Blick der Alten fixiert Alrike nicht, sondern geht an ihr vorbei. Ein junger Mann mit Lederschürze und in Arbeitskleidung kommt aus einem der Nebengebäude und verneigt sich beim Anblick Alrikes. „Hohe Dame willkommen auf Gut Rallerspring.“ „Wer gibt uns die Ehre, Bernwald“, knarzt die Alte. „Alrike von Breitenstein, Wohlgeboren“, antwortet der junge Mann beflissen. „So, so. Dann auch von mir ein Willkommen und komm doch bitte näher mein Kind, damit ich dein Gesicht betrachten kann“. Alrike sitzt ab, übergibt ihr Pferd Bernwald, geht auf Thyria von Breitenbach-Rallerquell zu, kniet sich vor ihr nieder und nimmt ihre Hand. „Thyria wie geht es euch? Ich bin froh euch wohlauf vorzufinden.“ „Der Rücken schmerzt und die Augen werden immer schlechter, aber ich lass mir meine Tage nicht verderben und lausche dem Wald und den Tieren immer noch voll Neugier. Wie geht es meinem Sohn?“ „Konnar ist wohlauf und fiebert bereits den kommenden Turnieren entgegen. Allerdings hatte der Junker einiges zu tun, die Schäden, die der Mordbrenner Udilbert von Hardt mit seinem unrechtmäßigen Fehdezug verursacht hat, zu beheben. Deine Urenkelin Duridanya entwickelt sich prächtig, ist aber zu klein um den Weg nach Rallerspring aufzunehmen“. „So fern ist mir die Welt geworden, aber es ist gut zu hören, dass die Götter über euch wohlgesonnen zu wachen scheinen“.

Eine Magd reicht den beiden ungleichen Frauen einen Becher Wasser und stellt eine Schüssel mit getrockneten Beeren und geschälten Nüssen auf die Banklehne. Aus den Efeuranken erschallt lautes Vogelgezwitscher und das Eichhörnchen klettert den Stamm einer der Eschen nach oben. Alrike drückt die Hand von Thyria fester und gibt sich einen Ruck: „Ich bin auf eure Hilfe angewiesen, ich weiß nicht an wen ich mich sonst wenden könnte“, beginnt sie. „Ihr kennt euch doch mit dem Wald und den dort wachsenden Pflanzen aus und habt immer wieder wirksame Medizin nach Rallerquell geschickt? Ich habe auch gehört, dass ihr mit den Tieren sprechen könnt und die weisen Frauen des Waldes eure Schwestern nennt“. Eigentlich meint Alrike nicht Schwestern, sondern Hexen. Hexen sind der praiosgläubigen Frau allerdings zu tiefst unheimlich und sollten besser vertrieben oder gleich verbrannt werden. Thryia ist aber sicher keine dieser götterlästerlichen Zauberinnen, auch wenn immer wieder Gerüchte in diese Richtung auftauchen. „Wenn du es sagst“, erwidert die Alt-Junkerin unergründlich und blickt die junge Frau aus trüben Augen an. „Könnt ihr mir einen Trank verschaffen mit dem ich meinen Gatten an mich binden kann – einen Liebestrank, der ihn nur mich sehen und begehren lässt? Ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen, dass es neben mir noch andere geben könnte“, trägt die junge Adlige ihr Anliegen jetzt entschlossen vor.

Die Alte scheint nicht überrascht und Alrike fährt ein Schauer über den Rücken und die Haare ihrer Unterarme richten sich auf. Ihr ist, als würde etwas die Innenseite ihres Schädels streichelt und nach den Gedanken in ihrem Innersten greift. „Nun Kind, was du da begehrst ist nicht wenig. Wie groß mag dein Wunsch sein? Bist du bereit einen hohen Preis dafür zu bezahlen?“ „Ich gebe alles dafür, Wohlgeboren!“ „Nun dann stehst du zukünftig tief in der Schuld und diese wird beizeiten eingefordert werden. Du sollst bekommen was du so sehnlich wünschst, aber die Gegenleistung könnte hoch sein für dich. Beizeiten wird jemand nach Gut Rallerquell kommen und dir den Trank übergeben. Schneide dir bitte eine Strähne Deines Haares ab und reiche mir diese“.

Alrike schluckt, aber ihr Entschluss steht fest und sie macht keinen Rückzieher mehr. Thyria steckt die Haare in einen Beutel und wirft dann Nüsse und Beeren zu den Vögeln und auch das Eichhörnchen klettert den Stamm wieder hinab und nimmt zutraulich Leckerbissen aus der faltigen Hand der Alt-Junkerin. Nach zwei Plauderstunden macht sich Alrike auf den Rückweg nach Gut Rallerquell.