Geschichten:Große Kaliber - Fachkräftemangel

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Südlager, Kaiserlich Neue Rabenbrücke, 14. Praios 1045 BF

Bärfried von Hardenstatt saß vor seiner Hütte an einem kleinen Tisch, auf dem eine Platte mit kaltem Braten, Weintrauben, Käse und frischem Brot sowie ein Krug Bier stand. Genau wie im Nordlager hatte man das Kommandantenzelt, welches zwischenzeitlich durch eine einfache Holzhütte ersetzt worden war, auf einem Hügel errichtet und so konnte er, während er sein Frühstück einnahm, dem Treiben im kaiserlichen Lager zuschauen.

Er war sichtlich zufrieden mit den Dingen, die er und die Kaiserlichen hier erreicht hatten. Die Brücke über die Natter stand und war kein Vergleich mit den seltsamen Konstrukten, welche vor ihr die beiden Flussufern verbunden hatten. Die Brücke über die Desme sorgte dafür, dass man keinen langen Umweg über Ennetbrück gehen musste und selbst die Reichsstraße war fertig gestellt.

Das alles hatten sie im vergangene Jahr geschafft, obgleich es nicht immer leicht war. Irgendwelche Bauern, denen es nicht gepasst hatte, dass die Kaiserlichen für Veränderung sorgten, hatten die Bauarbeiten immer wieder gestört. Das „Katz und Maus“-Spiel war kräftezehrend gewesen und hatte viel von Bärfried und den seinen abverlangt. Auf manches war er nicht stolz, doch hatte er erkannt, dass man für das Wohl des Reiches über seinen Schatten springen musste.

Ein junger Gardist kam gerade den Weg hochgespurtet, als der Reichsvogt einen ordentlichen Schluck Bier zu sich nahm. Etwas außer Atem kam der junge Mann zwei Schritte vor Bärfried zum Stehen, nahm Haltung an und salutierte, „Euer Wohlgeboren! Soeben ist ein Schreiben aus dem kaiserlichen Heeresstab eingetroffen!“, der Gardist reichte dem, etwas überrascht wirkenden, Reichsvogt das Schreiben.

Dieser blickte auf das kaiserliche Siegel und machte große Augen. Was die Heeresleitung wohl von ihm wollte? Mit einer knappen Handbewegung entließ er seinen Gegenüber. Mit einem gekonnten Griff brach Bärfried sodann das Siegel, las sich das Schreiben durch und fing an zu schmunzeln. Als er fertig war legte er den Brief auf den Tisch und rieb sich die Schläfe.

Unwillkürlich musste er an das Gespräch vor gut einem Götterlauf denken. Damals hatte er sich mit seinem Hauptmann darüber unterhalten, ob das Heer wohl schweres Gerät mit nach Garetien bringen würde. Bärfried vertrat die Auffassung, dass sie als Bombarden doch nicht auf ihre Hornissen und Rotzen verzichten dürften. Doch seine Worte stießen damals auf taube Ohren, "zu unbeweglich", "für Verteidigungen nicht nötig", "es sende das falsche Bild, wenn man mit Belagerungsgerät in das Königreich einmarschieren würde".

Darum hatten sich damals auch nur Armbrust- und Langbogenschützen aus dem Bombardenregiment dem Heerzug angeschlossen (weswegen Bärfried auch versetzt wurde, nach seinem übereifrigen Schreiben). Doch jetzt wollte man eben jenes schwere Gerät, was Bärfried sowieso von Anfang an hatte mitnehmen wollen. Ein weiterer kräftiger Schluck aus dem Bierkrug wusch sein Schmunzeln hinfort und setzte an dessen Stelle ein nachdenkliches Stirnrunzeln. Die Baumeister hier an der Brücke konnten sicherlich auch Belagerungswaffen konstruieren. Doch woher nahm Bärfried die Geschützmannschaften?

Er ließ seinen Blick schweifen, über die Männer und Frauen, den Holzbauten (ein Luxus, den sich die Lagermannschaft gegönnt hatte, als die Bauarbeiten an den Brücken und Straßen fertig waren) und der Palisade mit Wehrgang. Es traf ihn wie ein Blitz als ihm bewusst wurde, dass er bis jetzt verhältnismäßig leichtes Spiel hatte, weil niemand so genau darauf geachtet hatte was er eigentlich tat. Nun allerdings würde der kaiserliche Stab ganz besonders genau auf seine Handlungen schauen. Das war eine Möglichkeit sich zu profilieren und gleichzeitig stand er mit einem Bein in seinem beruflichen Grab. Wenn er die Forderungen des Trossmeisters nicht umsetzen könnte, wäre es das sicherlich gewesen. Er schluckte die aufkommende Unruhe herunter und zwang sich zu klaren Gedanken.

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Der einäugige Reichsvogt blickte auf die Schreiben, die er vor sich ausgebreitet hatte. Er hatte den ganzen Tag darüber nachgedacht, wie er die Befehle von Gebhardt von Hallerstein umsetzen könnte. Sogar Alya hatte er ins Vertrauen gezogen, um Rat gebeten und nach dem sie einige Spitzen gesetzt hatte, war sie tatsächlich hilfreich gewesen. Die Baumeisterin und ihn verband ein seltsam gewobenes Band aus gesellschaftlicher Abneigung, beruflicher Zusammenarbeit und letztlich Gewöhnung an den anderen.

So hatte sie ihn recht schnell darauf aufmerksam gemacht, dass die meisten Baumeister hier an der Brücke sich nicht mit Kriegsgerät auskannten. Gerade einmal zwei hatten sich als tauglich herausgestellt, ein Ehepaar aus Gareth, dass seit der Errichtung der neuen Rabenbrücke hier unter Alya dienten.

Er würde lediglich diese Zwei direkt nach Grambusch schicken können. Dafür konnte er einen guten Teil der hier anwesenden Handwerker ihnen mitgeben. Zumindest das war Bärfried möglich, doch er wusste, dass er mehr kundige Baumeister brauchte, und so würde er das Baumeisterpaar und die Handwerker bis nach Hartsteen begleiten und dann nach Gareth reiten, um dort nach geeignetem Personal zu suchen.

Gleichzeitig schickte er einen Boten direkt nach Gareth. Alya hatte ihn darauf aufmerksam gemacht, dass die dortigen Garether Maulwürfe, eine Söldnereinheit aus Sappeure, ihm vielleicht helfen konnten. Bärfried war sich zwar nicht ganz sicher, ob sich diese mit Feldgeschützen auskannten, doch er wollte sein Glück versuchen. Wenngleich es ihm eigentlich zuwider war Söldner anzustellen.

Wenn jedoch alles funktionierte, würde er am zweiten Rondra in Grambusch mit genügend Handwerkern und Baumeister aufkreuzen. Für die Geschützmannschaften musste er sich noch etwas überlegen. Es war kein leichtes Unterfangen und viel hing vom Zufall oder wahlweise von Phexens Gunst ab. Weshalb er sehr froh darüber war, dass derzeit die 5. Schwadron, unter dem Kommando von Rittmeister Timshal von Zackenberg, im Lager weilte. Den Reiterinnen und Reitern Timshals traute Bärfried zu, geschwind und ohne Umschweifen zu ihrem Ziel zu gelangen.