Geschichten:Der uralte Bund - Im Kerker

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Im Kerker der Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF

Die Seneschallin war zur Verwunderung aller nicht zur Tür gegangen, sondern hatte links neben dem Kamin eine Geheimtür geöffnet, die sich hinter der Vertäfelung aus Kastanienholz verbarg. Mit einer Öllampe bewaffnet, stieg die Eslamsgrunderin die schmale Steintreppe hinab und bedeutete den anderen, ihr zu folgen.
Es schien eine gefühlte Ewigkeit zu dauern, bis die Herrschaften den engen Treppengang hinunter gestiegen waren. Vermutlich mussten sie sich nun wieder unterhalb des Bergfriedes befinden. Unten angekommen, führte ein ebenso schmaler Gang zu einer eisernen Tür. Josline zückte einen ihrer gusseisernen Schlüssel, schloss sie auf und unvermittelt standen die Seneschallin und ihre Gäste in einem Wachraum. An einem Tisch saßen eine Handvoll Wachen und wirkten nicht wenig überrascht. Einer von ihnen deutete auf eine der mit Eisenbeschlägen verstärkten Tür.
“Da wären wir”, begann die Senschallin.

Fredegard nickte Josline kurz zu. “Ja, da wären wir”, wiederholte die Perricumerin mit tonloser Stimme. “Möchtest Du der, hm, ‘Unterhaltung’ beiwohnen oder Dich lieber zurückziehen, um anderweitigen Verpflichtungen nachzukommen? Immerhin könnte Deine längere Abwesenheit unter den Gästen sonst für Gerede, wenn nicht gar Unruhe sorgen.” Dann beugte sich die Fredegard leicht verschwörerisch zur Seneschallin hinüber und flüsterte ihr ins Ohr: “Und dann müsstest Du Dich auch nicht mit so etwas Unangenehmem wie einem mehr oder weniger scharfen Verhör befassen. Wichtig ist hier, denke ich, das Ziel und weniger der Weg dorthin, nicht wahr?”
“Ich lasse Dir uneingeschränkt freie Hand!” Mit diesen Worten schritt die Seneschallin zu einer der anderen Türen und blickte zu sich nochmals um. “Ihr findet mich in den Vogtstuben. Ich erwarte unmittelbar nach dieser … Angelegenheit … einen Bericht. Ich muss derweil die herrschaftliche Meute beruhigen.”

Salix verbeugte sich knapp, als die Seneschallin an ihm vorbeieilte. Im Grunde war er noch immer etwas überrumpelt von dem plötzlichen Ortswechsel. Umso überraschter war er, dass die Altbaronin von Vellberg höchstpersönlich das Verhör führen wollte und sogar bereit war selbst… Hand anzulegen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Die ältere Dame steckte voller Überraschungen aber spätestens seit den Unterhaltungen zwischen ihr und dem Magier war ihm bewusst, welch wacher und vor allem scharfer Geist der Hochgeboren innewohnte. Es kitzelte ihn, sie bei dem Verhör zu sehen.
“Euer Hochgeboren, dürfte ich Euch vielleicht in die Zelle begleiten? Vielleicht müsst Ihr… weniger scharf vorgehen als befürchtet?”.
Im Grunde war es dem blonden Perricumer egal, wie scharf das Verhör werden würde, er erachtete es jedoch als dienlicher, wenn die Menschen um ihn herum dachten, dass sie es mit einem sanftmütigen Mann zu tun hatten.

Die Perricumerin nickte Josline kurz zu und antwortete knapp: “Selbstverständlich”.
Dann wandte sie sich Salix zu. “Wollen wir, mein Lieber?”, sprach sie mit einem fast schon warmherzigen Lächeln, bevor die Reichsedle, ohne eine Antwort abzuwarten, die nächststehende Wache anrief:
“Du hast die Worte Deiner Herrin gehört! Führe uns zur Zelle des Kochs und gib´ mir den Schlüssel dazu. Wir werden Dich dann rufen, wenn wir fertig sind.
“Aber, edle Dame, wäre es nicht klüger-”
“-wenn Du jetzt den Mund hieltest und tätest, was man Dir sagt? Klug erkannt!” Fredegards Stimme hatte nun ganz und gar nichts Warmherziges mehr an sich, sondern wirkte nun kalt wie Eis.
“W-, wie Ihr wünscht”, stammelte der merklich eingeschüchterte Wärter und tat, wie ihm geheißen, bevor er sich nach einem unmissverständlichen Blick aus den kalten Augen der Perricumerin zu seinen Kameraden zurückzog.

“Verzeiht, aber ich kann begriffsstutziges Personal einfach nicht leiden.”, sprach sie zu ihrem Begleiter, diesen dabei nun freundlich anlächelnd. “Und keine Sorge, werter Herr Salix, unnötige, sagen wir ‘Schärfe’ bei Verhören ist mir ein Graus, wenngleich ich mir als Kind bei meinem seligen Onkel Nareb das eine oder andere abschauen konnte, was uns hier noch zugutekommen mag.” Für einen kurzen Moment umspielte ein Schmunzeln das Antlitz der ehemaligen Baronin: Das war nun schon der zweite unfähige Koch innerhalb weniger Wochen, mit dem sie sich zu befassen hatte. Mal schauen, wie leicht oder schwer sie diesen hier zubereiten konnte!
Salix nickte, scheinbar zufrieden mit der Aussage Fredegards, seiner Begleitung zu, schwieg überdies jedoch.

Ein kurzer Blick durch das Guckloch der Zellentür offenbarte, dass der Gefangene sich im hinteren Teil seiner aktuellen Unterkunft aufhielt und dadurch keinen Überraschungsangriff auf die beiden Adligen zu starten imstande war. Ohne den Mann aus den Augen zu lassen, öffnete Fredegard die Türe, betrat, gefolgt von Salix und Yolande, die Zelle und schloss hinter sich wieder ab.
Einen kurzen Moment lang musterte sie den Gefangenen, um ihn besser einschätzen zu können.

An den hinteren Zellenwand angekettet, saß ein für einen Koch sehr adrett gekleideter Hügelzwerg mit lichtem Haarkranz und fein gestutztem Bärtchen.
“Travia zum Gruße! Ich habe gehört, dass Euch bei der Zubereitung der Suppe ein kleines, hm, Missgeschick unterlaufen ist. Habt doch bitte die Güte, einer passionierten Köchin mehr darüber zu erzählen, ja?”
Auch wenn sie die Anrede in einem beinahe heiter zu nennenden Plauderton vorgetragen hatte, verhieß das beinahe wölfische Lächeln, mit dem die gebürtige Al´Anfanerin ihr Gegenüber bedachte, diesem nichts Gutes.
„Bei den Zwölf, auch einen Gruß. Mir ist bestimmt kein Missgeschick unterlaufen. Vielleicht hätte ich die fruchtige Note der Äpfel noch mehr herauskitzeln können. Entscheidend war jedoch eher die Sämigkeit, die ich mit einer zu sauren Note durcheinandergebracht und damit meine Kontrastsymphonie gefährdet hätte. Ich verlange nach dem Proiosgeweihten Silvano von Hagenau-Ehrenfeldt, um ein vollumfängliches Geständnis abzulegen und die Situation aufzuklären. Schließlich steht Gerechtigkeit und ein angemessenes Verhör und Verfahren jedem Stand offen und da ich nach der Lex Zwergica von meinem Grafen gerichtet werde, sollten wir das Protokoll doch auch vernünftig abarbeiten. Ach, und diese Grimasse steht euch nicht, Kindchen. Vielleicht stellt ihr euch lieber erst einmal vor, bevor wir uns über das Kochen austauschen. Oder hat man euch das in der Kerkerknechtschule nicht beigebracht?"

Salix zog eine Augenbraue hoch und schmunzelte kurz, während er sich an die Wand lehnte und vor der Brust die Arme verschränkte. Na, das kann ja heiter werden, dachte er sich im Stillen und blickte zur Reichsedlen, auf deren Reaktion er gespannt war.
Die Adlige stutzte ob der Rede des Zwerges kurz, hatte sich aber rasch wieder im Griff. Immerhin, dieser Kerl hatte Schneid, das musste sie ihm lassen.
Lächelnd und im besten Plaudertone setzte sie schließlich zu einer Antwort an.
“Nun, da ich die genannte Schule leider nicht besucht habe - schade eigentlich, wo finde ich die? - müsst ihr meine ungehobelten Manieren verzeihen. Aber der Reihe nach. Ihr wollt wissen, wer ich bin? Nun, ich bin diejenige, die Euch verhört. Mit welcher Legitimation? Mit der der Seneschallin der Pfalz, wie meine beiden Begleiter sicher gerne bestätigen werden. ‘Lex Zwergia’? Irrelevant. Denn ich bin nicht hier, um über Euch zu richten, sondern um Euch zu befragen. Und Letzteres ist nicht Teil besagten Regelwerkes, hinter dem Ihr irrigerweise meint, Euch verstecken zu können. Ihr wollt gestehen? Wir sind ganz Ohr und werden alles getreulich niederschreiben. Es soll ja schließlich alles seine praiosgefällige Ordnung haben. Und da wir gerade beim Thema sind. Euer ‘Verlangen’ - ‘Bitte’ wäre übrigens der weit angemessenere Begriff - nach einem Geweihten des Götterfürsten ist abgelehnt. Euch wird versuchter Giftmord vorgeworfen, mithin also ein weltliches Verbrechen, das demzufolge auch von weltlichen Stellen zu untersuchen ist. Aber immerhin seid Ihr bereit, zu gestehen, was uns allen einiges an Zeit und Euch an ‘Unannehmlichkeiten’ ersparen könnte.”

Dann machte Fredegard eine kurze Pause, ging zur Zellentür und verlangte mit energischer Stimme nach Schreibzeug und Hocker, welche ihr eine Wache kurz darauf brachte. Nachdem die Perricumerin mit einem leicht skeptisch wirkenden Blick auf der etwas wackeligen Sitzgelegenheit Platz genommen hatte, ergriff sie wieder das Wort.
“So, nachdem wir die Präliminarien nun geklärt haben dürften, sollten wir uns nicht länger mit Nebensächlichkeiten aufhalten und in medias res gehen. Und je früher wir das Alles hier zu einem mehr oder weniger angenehmen Ende bringen können, umso eher können wir uns über die Feinheiten der Kochkunst austauschen, worauf ich mich schon sehr freue. Fangen wir mit nun etwas Einfachem an, gewissermaßen als Aperitif für das folgende, hm, ‘Menü’:
Euer Name und Eure Profession, wenn´s beliebt.”

"Vielleicht hättet ihr die Kerkerknechtschule doch besser besuchen sollen. Dann wären euch Recht und Gesetz doch bestimmt besser bekannt und ihr würdet nicht so schnell die Fassung verlieren, Gnädigste. Die Senneschallin hat einen recht guten Leumund und ist als jemand bekannt, der Travias Gastrecht ebenso ehrt, wie Praios Recht und Gesetz. Sonst hätte man ihre Pfalz bestimmt nicht in so angespannten Zeiten für so ein wichtiges Ereignis ausgewählt. Umso mehr wundert es mich, dass ihr einem Geständnis vor dem Hofkaplan ausweichen wollt, damit wir in der Sache weiterkommen. Denn ein Geständnis vor euch wäre ja wertlos, da ihr euch weder im Recht noch im Verhör auszukennen scheint. In diesen schwierigen politischen Zeiten sollte man erstens das Gastrecht hochhalten, das ich zu Recht in Anspruch nehmen kann, solange ich eine Kaiserliche Pfalz betrete. Und ich kann nur anempfehlen, auf den Herrn Hofkaplan, der, wie ich hörte, einen guten Leumund hat, zu warten und seine Rechtsexpertise heranzunehmen, bevor wir über die Lex Zwergica disputieren und Zeit vertrödeln. Graf Ingramm ist seit einem Vorfall mit einer gewissen Baronin von Erlenstamm vor ein paar Jahren sehr ungehalten, wenn seine Rechte und die seiner Vasallen übergangen werden. Und da will ich nicht für sein Unwillen sorgen. Und ihr sicher auch nicht. Dazu ist der Schlund gerade zu reizbar. Und ihr habt scheinbar andere Probleme. Solltet ihr euch besser in der Küche zurechtfinden als in einem Kerker, so sollte euch aber vielleicht die Frage auf gehen, warum jemand, der eine derart aufwändige Kreation komponiert, seinen guten Leumund als Koch bei einem solchen Ereignis mit so einem dilettantischen Giftanschlag, der es nicht einmal aus der Küche schafft, versauen sollte. Dabei sei mir die Frage gestattet, wie es der Herrin der Küche geht. Ihr geht es bestimmt schon wieder besser, nach diesem angeblichen Giftanschlag, wie ich vermute? Es waren ja, den Göttern sei Dank, gleich Wächter in der Küche zugegen, die einschreiten konnten. Ist das in der Küche eigentlich sonst auch üblich, dass Wächter zugegen sind? Oder galt diese Aufwartung nur mir?"

Kurz war Fredegard versucht, sich auf eine Diskussion mit dem Koch einzulassen, entschied sich aber dagegen, da dies wenig zielführend, dafür aber umso zeitraubender und enervierender wäre.
“Ich hatte nach Eurem Namen und Eurer Profession gefragt, nicht nach einem inhaltsleeren Sermon. Und zu verlangen habt Ihr hier erstmal gar nichts. Also nochmal: Name und Profession!”, fragte die Adlige nun deutlich schärfer. “Und seid versichert: wenn ich Euer angekündigtes Geständnis niedergeschrieben habe, werdet Ihr selbstverständlich Gelegenheit erhalten, es vor einem Geweihten des Praios zu bestätigen.” Mit einem sardonischen Lächeln fügte sie hinzu: “Es soll ja schließlich, wie bereits erwähnt, alles seine praiosgefällige Ordnung haben. Ach, und wie unsere weitere Unterhaltung verläuft, hängt ganz von Eurer Kooperation ab.”
Der Zwerg schmunzelte die Dame gelassen an. „Kindchen, Ihr führt hier kein Verhör und nehmt auch kein Geständnis von mir entgegen. Da könnt ihr Grimassen schneiden, wie ihr wollt. Ihr seht eher so aus, als wolltet ihr lieber oben im Tanzsaal mit den anderen Gästen über das Wetter plaudern dürfen. Könnt euch aber nicht mal vernünftig vorstellen oder legitimieren. Dazu stellt ihr recht dumme Fragen, die ihr wissen müsst, wenn ihr von der Pfalzgräfin geschickt seid. Diese wird ja wohl wissen, dass Albrax Pfannenhauser, das bin ich, mit dem Zubereiten der Suppe beauftragt wurde. Und ich bin Hufschmied. Und mein Leumund wird ja wohl für sich sprechen, wenn man mir bei solch einem wichtigen Ereignis diese heikle Aufgabe überlässt. Und nun stelle ich euch lieber die Fragen, die uns weiterführen. Was wollt ihr für Beweise haben, dass ich meine eigene Suppenkreation vergiftet haben soll, um meinen Ruf zu schädigen? Und während wir auf den Pfaffen warten, der meine Aussage aufnehmen wird, könnt ihr euch eure unsinnige Anschuldigung ja durch den Kopf gehen lassen und nach dem Befinden der Köchin fragen. Ich schätze, die Zeit werden wir euch geben müssen, während ich darüber nachdenke, für was man so eine Inszenierung in der Küche aufführen sollte.“

Der Perricumer blickte überrascht auf und mehr zur Reichsedlen als zum Zwerg gewandt tat er seine Verwunderung kund. “Ein Hufschmied? Verzeiht die Frage, aber weshalb lässt man denn einen Hufschmied die Suppe für so eine Festlichkeit zubereiten?” Fast schon verlegen schob er ein “Nichts für ungut, Meister Zwerg”, nach.

Yolande schwirrte inzwischen der Kopf. Was war hier eigentlich los? Und worum ging eigentlich gerade?

Der Zwerg blickte den langen Lulatsch mit offenem Mund an, schlug dann die Hände vor die Stirn und schüttelte den Kopf. "Na das kann ja heiter werden."
Fredegard schüttelte unwirsch den Kopf. Überheblichkeit gepaart mit Dummheit war nur selten eine gute Kombination, wie sich jetzt wieder herausstellte. Höchste Zeit, zum Kern des Ganzen vorzustoßen und diese Posse endlich zu beenden!
“Das ist in der Tat eine sehr gute Frage, Herr Salix!”, sprach sie mit Blick auf den Adligen.
Abrupt erhob sich die Reichsedle, nahm ihren Hocker, platzierte diesen direkt vor den Zwergen und setzte sich wieder. Dann schaute sie diesen tief in die Augen und sprach mit versöhnlicher, ja beinahe mitfühlender Stimme: “Im Namen des Herrn der Götter, an dem Euch anscheinend soviel liegt, solltet Ihr nun Euer Gewissen erleichtern. Zuzugeben, eigentlich ein Hufschmied und kein Koch zu sein, war doch schon mal ein guter Anfang. Und denkt doch an Eure Sippe: Soll sie wirklich von Eurer Tat erfahren und Euch darob verstoßen? Soll Euer Name von ihr und allen, denen ihr bisher etwas bedeutet habt, nur noch mit Abscheu ausgesprochen oder gar schamvoll verschwiegen werden? Wenn ihr jetzt frank und frei Eure ganze Geschichte erzählt, so verspreche ich, dass ich mich bei der Seneschallin in dieser Hinsicht für Euch verwenden werde. Also: Was hat Euch auf die Pfalz geführt, was genau in die Burgküche verschlagen, was habt ihr zum fraglichen Zeitpunkt mit welcher Absicht dort getan und warum ist Euch so sehr daran gelegen, ausgerechnet mit dem Hofkaplan sprechen zu wollen?”

Das Gesicht des Zwerges wurde ganz ausdruckslos, bevor er irre anfing zu grinsen. “Natürlich bin ich ein Koch. Ein guter sogar. Die Seneschallin ist ja keine Idiotin und würde keinen Hufschmied die Vorsuppe kochen lassen.” (irres Kichern) “Ich bin seit Jahren der Leibkoch der Familie Amselhag und gelangte mit ihnen auf die Pfalz. Mir wurde aufgetragen, dass ich der Küchenmeisterin Elene Erlenfall meine Aufwartung mache und mich als bewanderter Helfer für die Zubereitung der Jagdbeute des heutigen Tages anpreisen soll. Mit dieser Geste des Schlundes wollte man mich ganz dicht an die Küchenmeisterin heranbringen, die scheinbar gut informiert war und bestimmt jede helfende Hand gebrauchen konnte. So sollte ich in der Küche vermutete Agenten aufspüren und Schaden von der Hochzeit abwenden. Ich habe heute eine geniale Suppenkreation vorbereitet, die meiner Familienehre gerecht geworden wäre und habe der Küchenherrin dabei auf den Zahn gefühlt, um mehr über ihre Ansichten zu der Hochzeit herauszufinden und mir einen Überblick verschafft. Der Hofkaplan wurde mir als rechtstreuer Braniborier beschrieben, dem man bedingt vertrauen kann. Es hat euch scheinbar unter Druck gesetzt, dass ein Geweihter ein Geständnis von mir entgegennehmen soll. Ihr scheint hier nicht her zu gehören und die offensichtliche Absurdität der Anschuldigung scheint euch ebenfalls nicht zu verwundern. Da diese Vergiftung eine geplante Inszenierung mit bereitgestellten Wachen war, muss ich davon ausgehen, dass auch ihr Drei involviert seid. Kann ich Euch bei euren Plänen behilflich sein, Herrin?“

Aufmerksam hatte Fredegard den Ausführungen Albrax´ gelauscht und sie getreulich niedergeschrieben. “Na, warum denn nicht gleich so kooperativ? Es ist doch schließlich nur zu Eurem Besten! Zwei Anliegen meinerseits noch und dann sind wir hier auch schon fertig, sofern meine Begleiter” - Fredegard blickte kurz zu nämlichen herüber - “nicht auch das Wort an Euch zu richten gedenken.
Erstens: Wessen ‘Agenten’ habt Ihr in der Küche vermutet und hattet ihr bereits bestimmte Personen als solche in Verdacht? Zweitens: Wer soll warum die Vergiftung inszeniert und Euch in die Schuhe haben schieben wollen?” Mit diesen beiden Fragenkomplexen bzw. deren Beantwortung wollte es die Reichsedle auch bewenden lassen, um die Gnade ihres Herrn hier nicht überzustrapazieren.
„Namenlose Paktierer, Agenten Korchtuxüngirs, aber auch Bekenner, fremde Mächte, Familienfeinde, Familienmitglieder oder Neider sollte man einkalkulieren. Der Erlenfall fehlt immerhin ein Finger! Verzeiht meine Herrin, aber bei der Beantwortung der zweiten Frage benötige ich eurer Hilfe. Wenn man die Inszenierung und den Aufwand dieser Dilettantennummer betrachtet, kommt für mich fast nur eine Ablenkung in Betracht, um etwas anderes zu tun oder von etwas abzulenken oder jemanden abzulenken. Aber wer wurde von was abgelenkt? Ich bin hier und nicht mehr in der Küche und ihr seid hier. Hattet ihr gerade etwas Wichtiges vor? Helft mir hier raus, Herrin! Ich kann euch mit meinem Einblick in der Küche sicher helfen! Ganz gewiss kann ich euch helfen und jeden Wunsch erfüllen!“

Salix blinzelte verwirrt ob der plötzlichen Kooperationsbereitschaft des Zwergs. Gleichzeitig war er überrascht, über das, was der Befragte ihnen hier auftischte. Die Familie Amselhag schickte gewissermaßen einen “Agenten” in die Küche der Pfalz, um dort Informationen über andere Agenten zu sammeln, die die Hochzeit schädigen wollten? Woher nahm die Familie ihre Vermutung? Andererseits erklärte dies das Aufkreuzen des geschwätzigen Magiers. Der hatte offensichtlich mehr gewusst als er bereit war zuzugeben. Salix stockte und schmunzelte vor sich her. Vielleicht hatte der Magier es ja gesagt und es ging im Schwall unter?
Dann schüttelte er kurz seinen Kopf und fasste sich wieder. “Ich hätte nur eine einzige weitere Frage: Wusste der Magier Anaxagoras von Euch und eurem Auftrag?”

Nachdem der Zwerg die Fragen der älteren Dame beantwortet hatte, schaute er den Hardenstatt ob seiner Frage nur kurz verträumt an, ignorierte ihn aber völlig und fixierte schnell wieder die bezaubernde Dame auf dem Schemel. Dabei fing er an, ganz fürchterlich schief vor sich her zu pfeifen, als wolle er die Zeit in der Zelle nutzen, um es endlich zu lernen und eine grauselig klingende Melodie nachzuahmen, die er irgendwo aufgeschnappt hatte. Er würde noch sehr viel Zeit zum Üben benötigen.

Anfänglich ein wenig irritiert über die eigentümliche Reaktion des Zwerges auf die an ihn gerichteten Fragen, hatte sich Fredegard rasch wieder im Griff und beendete äußerlich ungerührt die Dokumentation des Verhörs. Dann erhob sie sich und kehrte mit dem Schemel zu ihren beiden Begleitern zurück.
“Hm, ich fürchte, mehr ist aus dem Angroscho ohne, sagen wir, gewisse ‘Hilfsmittel’ wohl nicht mehr herauszubekommen, zumindest nichts Sinnvolles. Doch das soll Frau Josline entscheiden. Aber das, was er uns berichtete, war doch recht erhellend, nicht wahr? Ich denke, nun ist es an der Seneschallin über das weitere Vorgehen zu befinden, wenn wir ihr gleich berichten. Ach, ehe ich es vergesse: Wäret ihr”, sie blickte Salix und Yolande kurz an, “noch so gut, euch das Protokoll durchzulesen und danach gegenzuzeichnen, so euch keine Diskrepanzen auffallen? Denn wie ich dem Angroscho vorhin versprach: Es soll schließlich alles seine praiosgefällige Ordnung haben.” Beim letzten Satz umspielte ein beinahe süffisant zu nennendes Lächeln das Antlitz der Perricumerin.

"Ja, schnell, sprecht bei der Seneschallin für mich vor, Herrin und holt mich schnell hier raus. Ich kann euch sicher noch weiter erhellen und behilflich sein, meine Herrin. Lasst mich euch begleiten. Mit meiner Hilfe werdet ihr die Agenten schon enttarnen. So wie es mir der junge Herr aufgetragen hatte. War doch recht schlau von ihm!“
Der Zwerg schüttelte sich plötzlich. “Brrrr, ist es in diesem Loch plötzlich kalt geworden. Was ist nun? Wollen wir bei der Enttarnung der verdammten Agenten nun zusammenarbeiten oder wollt ihr lieber eure Papiere sortieren? Die Leute, die hinter der Vergiftung meiner Suppe stecken, werden nicht so viel Geduld haben wie ihr! Husch, husch! Ich warte hier, bis ihr euch besprochen habt und gehe nicht weg." Dabei machte er mit seinen zehn Fingerchen eine scheuchende Bewegung.

Als die Gruppe sich anschickte, die Zelle zu verlassen, legte er den Kopf gegen die Wand hinter ihm und fing an die recht bekannte Melodie „Für Elene“ zu pfeifen. Ob seine Künste in der Küche so brillant waren, wie er meinte, müsste man erst noch ergründen. Aber der Zwerg traf jeden Ton so exakt und klar, dass man ihm zugestehen musste, ein meisterhafter Pfeifer zu sein.
Salix nahm wortlos die Dokumente entgegen, überflog sie kurz und unterschrieb, bevor er sie weiterreichte. Die Raukenfelserin tat es ihm gleich.

Die Reichsedle konnte sich eines zufriedenen Lächelns nicht enthalten, als sie das Protokoll zurückerhielt. Das wäre also geschafft! Gleichwohl war sie ein wenig überrascht ob des ungewöhnlichen Betragens des Angroscho, der offenbar ernsthaft damit rechnete, freigelassen zu werden und die drei Adligen bei ihren Untersuchungen unterstützen zu dürfen. Andererseits könnte seine Hilfe durchaus von Nutzen sein, ging es Fredegard durch den Kopf. Aber letztlich war es nicht an ihr, darüber zu befinden.
“Gut, dann sollten wir nun Frau Josline aufsuchen und ihr Bericht erstatten, sofern es keine Einwände gibt.”, sprach die Perricumerin zu ihren beiden Begleitern. Die Adlige hatte bereits die Zellentür geöffnet, als sie sich noch einmal Albrax´ zuwandte. “Und seid versichert, dass ich ihrer Hochgeboren Eure beiden Anliegen vortragen werde.” Dann verließ Fredegard ohne weitere Umschweife die Zelle.

Salix nickte dem Angroscho mit einem kurzen Lächeln zu, “die Zwölfe mit Euch, Meister Zwerg!”, und folgte der Altbaronin aus der Zelle hinaus. Denkwürdig, war wohl ein gutes Wort für das, was er hier in dieser Zelle miterlebt hatte. Nicht nur wie der Zwerg dann doch geredet hatte, sondern auch was er gesagt hatte.


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