Geschichten:Der uralte Bund - Im Dunkel

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In den Katakomben der Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF

Ein Hausritter führte den Perricumer Adligen Salix von Hardenstatt und die Hofmarschallin Perainka Adersin von Dunkelsfarn in die Katakomben unterhalb des Bergfriedes der Pfalz. Die Gänge waren nur leidlich beleuchtet und tauchten die Szenerie in ein schummriges Licht. Salix konnte im Fackelschein deutlich den Ekel der Hofmarschallin gegen die modrige Feuchtigkeit erkennen, hielt die Greifenfurterin doch die meiste Zeit ein Stofftüchlein vor ihre Nase. Nachdem der Hausritter eine Tür geöffnet hatte, die in einen langen Gang führte, an dessen Ende sich mutmaßlich die Wachstube sowie die Kerker befanden, hielt die Hofmarschallin kurz.

„Ich denke, den restlichen Weg schaffen der Herr von Hardenstatt und ich alleine. Wartet auf der anderen Seite der Tür auf uns.“ Und mit Blick zu Salix fügte sie hinzu. „Wollen wir? An diesem übelriechenden Ort möchte ich nicht länger verweilen als nötig.“
Der Angesprochene nickte mit einem Lächeln und blickte zum Hausritter. “Habt Dank, Hoher Herr von Sandelbruch”. Dann wandte er sich zur Marktvögtin und mit einer Handbewegung deutete er den Gang entlang. “Dann lasst uns zur Tat schreiten, bitte nach Euch”.
So schritten die beiden ungleichen Adligen los, deren Schritte widerhallten. Die an den Wänden angebrachten Fackeln zauberten tanzende Schatten in den Gewölbegang, der wie der Schlund einer gefräßigen Bestie wirkte. Den Blick weiter nach vorn, zerschnitt die gelegte Stimme der Hofmarschallin die stehende Luft.

„Die Insignien für den Bund haben eine immense Bedeutung für die Zukunft – nicht nur, was die beiden Brautleute betrifft, sondern für uns alle. Geraten sie in die falschen Hände, kann großer Schaden angerichtet werden. Die Pfalz ist kein sicherer Ort, die Dunkelheit kriecht hier durch alle Ritzen.“ Mit einem Mal wandte sich die Greifenfurterin zu Salix um. „Ich weiß, die Fuchsfibeln sind in sicheren Händen. Niemand darf erfahren, wo sie sich befinden. Die Dunkelheit ist zu nah und sie ist zu mächtig.“
Der Angesprochene blieb abrupt stehen, vornehmlich, um seine Gesprächspartnerin nicht über den Haufen zu rennen, tatsächlich aber hatte ihn das Gesagte kalt erwischt! Hatte er die Frau falsch eingeschätzt? Wusste sie, dass er – zumindest – eine Fuchsfibel verwahrte? Und wenn ja, bedeutete dies, dass sie zumindest nicht zu den Feinden der Phex-Kirche zählte? Daraus ein weitreichendes Vertrauen oder zumindest so etwas in der Art abzuleiten wäre jedoch töricht.
Mit einem zuversichtlichen Lächeln nickte Salix. „Das freut mich zu hören. Also dass Ihr wisst, dass die Fibeln sicher sind,“ stellte er fest. Die Greifenfurterin quittierte Salix Worte mit einem vielsagenden Lächeln. „Und dass die Pfalz ein gefährlicher Ort ist, entspricht wohl der Wahrheit, wenn man bedenkt, wie viele Menschen und Zwerge bis jetzt schon ihr Leben lassen mussten. Aber wo Dunkelheit ist, da ist auch Licht und ich bin zuversichtlich, dass dieses Licht die Dunkelheit vertreiben werden wird“.
Fast schon beschwörend schob er nach: „Immerhin arbeiten fähige Köpfe daran, diese Umtriebe aufzudecken und zu beenden, meint Ihr nicht?“.

„Seht Euch vor, junger Edelmann, Licht ist nicht gleich Licht und Dunkelheit ist nicht gleich Dunkelheit“, sprach die Ritterin aus hohem greifenfurter Hause verschwörerisch. „Feinde des Bundes gibt es viele und nicht alle zeigen ihre hässliche Fratze sofort.“ Die Hofmarschallin ging nun wieder einen Schritt weiter. „Fähige Köpfe? Womöglich, ja, aber vertraut Ihr wirklich jedem?“
Salix legte seinen Kopf leicht schief und blickte der Frau nach. Neugierig fragte er: „Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“. Er folgte ihr etwas, ehe er mit einem entschuldigenden Lächeln anhob: „Verzeiht hohe Dame, ich hätte vielmehr sagen sollen, dass einige fähige Köpfe in diese Sache verstrickt sind“.
Der Perricumer schürzte die Lippen. „Wie Ihr schon sagtet, eine Dunkelheit breitet sich aus und niemand kann sicher sein, welche Gestalt diese annimmt. Blind jemanden zu vertrauen wäre demnach - höchst töricht, nicht wahr?“.

„Vertrauen ist ein hohes Gut, schier unbezahlbar dieser Tage.“ Da war er wieder, dieser Blick, der durch Salix hindurchzudringen schien. „Vertraut niemandem, denn so manche Bürde lässt sich nicht teilen, es gilt, sie zu ertragen oder zu vergehen.“ Die Schwester des Barons von Dunkelsfarn blickte nun wieder nach vorne, in den in schummriges Licht getauchten Gang. „Fähige Köpfe und ein jeder Kopf strebt in eine andere Richtung und kennt nur seine Wahrheit. Zu viele Wahrheiten verschleiern den Blick auf das Wesentliche.“
Ihr Gesprächspartner nickte nur knapp. Ihm war bewusst, dass hierbei jeder sein eigenes Spiel trieb und eigene Motive hatte. Das erinnerte ihn in Teilen an seine Zeit am markgräflichen Hof zu Perricum, wenngleich dort kein Kampf gegen Namenlose Umtriebe ausgefochten werden musste. Je länger die beiden hier unten, in den Eingeweiden der Pfalz, sprachen, desto mehr beschlich den Perricumer das Gefühl, dass er sich nicht mehr allzu viel Zeit mit seinem Auftrag, lassen durfte. Das gefiel ihm ganz und gar nicht, ständig in Eile und Menschen, die in Eile waren, neigten dazu, Fehler zu machen.
Er fuhr sich über das Kinn. „Ihr scheint ein Quell voller Weisheiten zu sein, Hohe Dame. Dann wollen wir uns - auf das Wesentliche konzentrieren.“

„Blickt hinter die Schatten und stellt Euch die Frage, was das Offensichtliche zu verbergen trachtet.“ Die Adersin nieste etwas umständlich und verzog ihren Mundwinkel. Diese feucht-kühle Umgebung war wohl nicht ihr Fall. „Doch lasst Euch nicht zu Trägheit verleiten. Handelt, bevor andere handeln. Das Spielfeld ist gesetzt, doch wer wird als erstes zuschlagen?“
Salix nickte verstehend. Forderte diese Frau ihn gerade dazu auf, das zu tun, was er dachte, wozu sie ihn aufforderte?
„Ich verstehe, was Ihr damit sagen wollt. Seid Euch versichert, ich habe nicht vor, mich der Trägheit hinzugeben oder - mich ablenken zu lassen.“, bestätigte er mit einem vielsagenden Lächeln.
„Mein Auftrag hier ist, denke ich, klar. Manchmal sind die Unscheinbaren diejenigen die am meisten vollbringen.“ Mit einem zuversichtlichen Lächeln war es dieses Mal er, der die Adersin fest in den Blick nahm.
„Es bedarf mitunter keiner Krieger, um siegreich zu sein“, antwortete die Adersin, die den Blick des Perricumers erwiderte und ohne zu blinzeln standhielt, „Die wahren Helden kämpfen im Verborgenen, unerkannt, ungesehen.“

Vor einer eisenbeschlagenen Tür hielt die Greifenfurterin kurz inne. „Gänge wie dieser scheinen, geradeheraus, ein offenkundiges Ziel zu haben, doch lohnt sich mitunter der Blick nach links und rechts.“
Salix verschränkte seine Arme hinter dem Rücken, „Helden ist ein so pathetisches Wort, findet Ihr nicht?“ Der Perricumer blickte zur eisenbeschlagenen Tür.
„Wollt Ihr andeuten, dass es vielleicht ein ganz anderes Ziel gibt als das, was wir alle uns vorstellen?“ Er hob eine Augenbraue und schaute die Schwester des dunkelsfarner Barons kritisch an.
„Nun“, begann die Greifenfurterin, „das liegt wohl im Auge des Betrachters, nicht wahr? Für die einen ein Held, für die anderen ein Verräter oder noch viel Schlimmeres. Diese Kategorien sind nur Oberflächlichkeiten; was zählt, ist die eigene Selbstauffassung.“ Ihre rechte Augenbraue zuckte kurz nach oben. „Welches Ziel stellt Ihr Euch denn vor, Herr von Hardenstatt?“
Salix wiegte seinen Kopf leicht nach links, dann nach rechts, was war das nur mit den Frauen auf der Pfalz? Alle, die er hier kennenlernte, schienen tiefere Brunnen zu sein als der auf Burg Trollwacht. „Ist das nicht offenkundig? Mein ganzes Streben gilt der Aufklärung dieser grauenhaften Morde und der Überführung des Mörders oder derjenigen Gruppe, die für diese Morde verantwortlich zeichnet.“ Er lächelte milde.
„Immerhin ist dies doch genau das, was ein jeder aufrichtige Zwölfgöttergläubige tun würde. Und wenn ich schon nicht selbst aufklären kann, so hoffe ich, doch zumindest meinen Teil dazu beizutragen“, schloss der blonde Mann. Er legte eine kurze Pause ein, hob dann jedoch noch mal an. „Was die Sichtweise des Betrachters angelangt, so gebe ich Euch recht, wenngleich ich fürchte, in philosophische Gefilde zu gelangen - ein Feld, das mir doch fern liegt, wird doch gewiss ein jeder von sich selbst behaupten, der Held zu sein. Niemand würde sich je eingestehen, den Part des “Bösen“ übernommen zu haben“.

„Euer Streben mag die Aufklärung der grauenhaften Morde sein, doch ist das bei allen, die sich so heroisch anschicken dies zu tun, auch wirklich der Fall?“ Da war er wieder, dieser durchbohrende Blick der Adersin, der dann wieder verflog, so schnell wier gekommen war. „Gut und Böse, diese Konzepte kennt das Selbst nicht, das sind nur immer Betrachtungen von außen.“ Bevor die Greifenfurterin mit ihrer in Samt gehüllten Faust an die Holztür klopfte, wendete sie nochmals ihren Kopf zu Salix. „Dieses uralte Gemäuer kennt viele Wege. Folgt nicht den hellen, denen alle folgen, folgt den dunklen, denn diese führen zum Ziel.“
Der Adlige nickte langsam, er würde die dunklen Gänge gehen, ja gehen müssen. Dessen war er sich bewusst und dazu war er auch bereit. Ob jede der involvierten Personen an der Aufdeckung der Morde arbeitete? Daran hatte er schon länger Zweifel, nicht erst seit seinem Gespräch mit den Vögtinnen. Spätestens, als ihm klar wurde, wieviele Persönlichkeiten ihre Nasen in diesen Angelegenheiten hatten, wusste er, dass es auch Nasen gab, deren Eigentümer ein Interesse daran hatten, dass die Morde und der damit einhergehende Angriff auf die Winterhochzeit nicht aufgeklärt würden.
Kurz musterte er nochmal die Hofmarschallin, dann richtete er ebenfalls seinen Blick auf die Holztür.
Nachdem die Hofmarschallin dreimal gegen die Holztür geklopft hatte, öffnete sich der Sichtschlitz für einen Moment und kurz danach öffnete sich die Tür knarrend. Die Greifenfurter Ritterin schritt vor, während Salix ihr nachfolgte.

„Hofmarschallin, was führt Euch so tief in die Eingeweide der Pfalz?“, fragte der diensthabende Wachoffizier mit abfälligem Unterton.
„Ich gedenke die Leiche des Zwerges zu inspizieren“, keifte die Hofmarschallin mit etwas zu schriller Stimme zurück. „Wurde der Leichnam bewegt?“
„Wir haben ihn halt abgenommen und auf den Boden gelegt“, antwortete der Wachmann und deutete auf eine halboffen stehende Zelle.
„Wie wurde er gefunden?“ Schnellen Schrittes war die Adersin in die Zelle gerauscht.
„Er hing mit seinem Gürtel um den Hals am Gitterstab des Gucklochs.“
Da lag der Angroschim also, den Gürtel noch um den Hals.

Der Adlige aus den Trollzacken schob sich etwas an den Beiden vorbei und schaute auf den Angroscho herab. Von seinem übergroßen Mundwerk war nichts mehr übrig, der beißende Hohn war für immer verstummt.
Neugierig schaute er zur Tür und dem Guckloch, gab es dort vielleicht Spuren? Salix glaubte nicht an eine Selbsttötung. Weshalb sollte der vorlaute Zwerg so etwas NACH der Befragung tun? Wenn, dann hätte er sich zuvor umbringen sollen oder es einfach bleiben lassen. So würde es Salix jedenfalls handhaben.
„War nach der Befragung noch jemand hier unten?“, fragte er, an den Wachoffizier gerichtet.
„Nein“, antwortete der Wächter knapp und wandte sich ab zum Tisch, um zu seinen Mitwachen zu gehen. Offenkundig hatte er wenig Lust auf eine Befragung von zwei Ortsfremden.

Salix blickte dem Mann hinterher und nickte nur langsam, dann wandte er sich wieder der Tür und dem Zwerg zu. Die Befragung war noch nicht vorbei, sie war lediglich verschoben.
An der Tür waren frische Kratzspuren und Kerben zu erkennen, die davon zeugten, wie der schwere Körper des Angroscho die metallene Gürtelschnalle in das Holz eindrückte. Der Gürtel schlängelte sich immer noch um den Hals des Toten. Die Kleidung sah so aus, wie Salix sie während der Befragung in Erinnerung hatte. Offensichtliche Wunden oder Kampfspuren konnte er nicht erkennen.
Interessiert wandte er sich von der Tür und dem Zwerg ab und schaute in die Zelle hinein. Vielleicht gab es hier Hinweise, die er bislang übersehen hatte? „Ob der Angroscho nicht mit der Schande leben wollte, enttarnt worden zu sein?“, fragte er seine Begleiterin.

„Nun,“, begann die Hofmarschallin, die sich ebenfalls mit Neugier aber auch Abscheu in der Zelle umsah und den Toten begutachtete. Wobei nicht wirklich klar wurde, ob ihre Abscheu von der auf dem Boden liegenden Leiche oder aber den ganzen Schmutz in der Zelle herrührte. „ich kenne mich wahrlich nicht mit den Gepflogenheiten der Zwerge aus.“ Die Greifenfurterin nieste etwas umständlich. „Es kommen doch eigentlich nur zwei Möglichkeiten in Betracht: Zum einen, der Zwerg hat sich umgebracht, um seinen Auftraggeber zu schützen, oder aber er wurde umgebracht. Bei letzterem bliebe die Frage nach dem warum und von wem.“
Ihr Gesprächspartner nickte zustimmend, während er sich umschaute. „Müsste bedeuten, dass die Amseln nicht seine einzigen Auftraggeber gewesen waren… Oder eben, dass sein Selbstmord nicht ganz so viel Selbst und dafür umso mehr Mord war“, schloss Salix, während er neben dem Kopf des Angroscho in die Hocke ging.
„Von wem? Jemand, der ein Interesse daran hat, dass der Zwerg nicht weiter aussagen kann oder besser gesagt, dass er nicht mehr befragt werden kann“.
Er ließ seinen Blick schweifen, obgleich er nicht genau wusste, was er eigentlich suchte.
Interessiert streckte er seine Hand aus und nahm ein kleines Ding an sich. Im tanzenden Licht der Fackeln erkannte er, dass der Gegenstand, den er aufgehoben hatte, ein Knopf war. Er stutzte, ein kurzer Blick vergewisserte ihn, dass dies kein Knopf war, den der Zwerg verloren hatte. Er fuhr sich über sein Kinn und schien nachzudenken.

„Nicht seine einzigen Auftraggeber?“ Die Hofmarschallin zuckte fragend mir ihrer rechten Augenbraue. „Ich traue den Amseln keinen Flügel breit. Wer weiß, wo drin die noch stecken.“ Die Greifenfurterin wandte sich zum Gehen.
„Ist wahrscheinlich besser so“, murmelte er fast mehr zu sich als zur Adersin. Dieser Knopf sah genau wie die Knöpfe aus, die an der Kleidung der Küchenherrin hingen, als er sie in der Vogtstube getroffen hatte. War diese Frau wahrlich so dreist und hatte den Zwerg eigenhändig ausgeschaltet? Salix presste seine Lippen aufeinander. Soviel Dreistigkeit in einer einzelnen Person.
Er richtete sich auf und ging zur Marktvögtin. „Fragen wir noch einmal den Offizier. Ich glaube, dem Herrn ist nicht ganz bewusst, in wessen Auftrag wir handeln…“
„Nach Euch, Herr von Hardenstatt!“

Und so schritt er voran, zurück zum kleinen Raum, in dem der Wachoffizier auf einem Hocker saß und etwas gelangweilt Löcher in die Luft starrte. Als die beiden Adligen vor ihm zum Stehen kamen, blickte er auf und fragte mürrisch: „Haben die hohe Dame und der hohe Herr gefunden, was sie hier unten suchten?“.
Salix nickte freundlich und zufrieden. „Gefunden, was wir suchten, haben wir. Nur ist eine kleine Frage doch noch offengeblieben“. Er verschränkte seine Hände hinter dem Rücken und lehnte sich etwas nach vorne. „Ich befürchte, wir hatten uns zuvor missverstanden. Wir sind hier im Auftrag der Seneschallin; in ihrem Namen versuchen wir nämlich, diese delikate Situation zu lösen. Und wir sind hierfür natürlich auch auf die Hilfe des hochkompetenten Wachpersonals der Pfalz angewiesen“. Der Meister der zackenberger Schreibstube blickte kurz wie zur Bestätigung zur Hofmarschallin, dann wieder zum Offizier. „Darum frage ich Euch nochmal, nun hattet Ihr schließlich genug Zeit zum Überlegen: Hat jemand zwischen unserem jetzigen Besuch und der Vernehmung des Zwergs ebenjenen aufgesucht? Oder habt Ihr sonst etwas Seltsames bemerkt?“ Die Stimme des Perricumers war fast säuselnd geworden und frei jeglicher Häme; es war ihm offenkundig eine Herzensangelegenheit, diesen Fall aufzuklären.
„Selbst wenn Ihr die Kaiserin höchstpersönlich wärt, kann ich Euch nicht mehr sagen. Hier war niemand“, bellte der Wächter. Dabei fiel auf, dass einer der anderen Wächter den Blickkontakt zu beiden Gästen zu meiden versuchte.
„Herr von Hardenstatt“, begann die Hofmarschallin mit phlegmatischer Stimme, „hier werden wir nichts mehr erreichen“, und wendete sich an den Wachoffizier. „Die Kaiserin dürfte ruhiger schlafen, denn Ihr wacht über Ihren Kerker.“ Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort. „Ihr werdet doch sicher gestatten, dass einer Eurer Männer uns durch die dunklen Gänge begleitet?“ Der Wachoffizier brummte gleichgültig. „Wunderbar, würdet Ihr so freundlich sein?“ Die Hofmarschallin blickte in Richtung des einen, unsicher wirkenden Wachmanns. Etwas überrascht sprang der junge Mann auf und salutierte. „Jawohl, Hofmarschallin!“
Schnellen Schrittes rauschte die Greifenfurterin mit den beiden Männern aus dem Wachraum. Als sich die schwere Holztür hinter ihnen schloss, blickte sie Salix auffordernd an.

Der hatte sich mit einem freundlichen Lächeln und Nicken vom Rest der Wachmannschaft verabschiedet und war seiner Gefährtin gefolgt.
Dann wandte er sich dem sie begleitenden Wachmann zu und mit abermals freundlicher und vertrauensvoller Stimme fragte er: „Sagt, werter Wächter, wie ist euer Name?“
„Bormir, mein Herr.“
Salix nickte zufrieden, „Bormir also. Ihr scheint mir ein pflichtbewusster und aufrechter Mann zu sein, Bormir. Es ist beruhigend, Leute wie dich in der Wache zu wissen“. Der junge Adlige legte seine linke Hand neben die Schulter Bormirs und blickte ihn aufmunternd an. „Bormir, mir scheint, dass dich etwas belastet?“
„Hm, ich weiß nicht, ob ich, ob ich das sagen soll“, druckste der junge Wachmann herum. „Vielleicht tut es auch gar nichts zur Sache, aber - also, gestern am späten Abend, da sind wir, die Elmut, der Wenzel und ich, nach dem wir ein paar Schluck getrunken haben … irgendwie eingeschlafen. Ich bin mir sicher, die anderen beiden auch, denn ich war der Erste, der wieder aufgewacht ist.“
Der Adlige hob interessiert eine Augenbraue und blickte kurz zur Hofmarschallin. „Einfach so? Von jetzt auf gleich? Was genau habt ihr denn getrunken, weißt du das noch?“, wollte er weiter wissen.
„Na Wasser und ein wenig stark verdünnten Wein.“ Der Wächter zuckte mit den Achseln. „Dann wurde ich auf einmal ganz müde.“
Salix nickte verstehend und kratzte sich am Kinn. „Eine letzte Frage: Hatte euch jemand das Trinken gebracht oder habt ihr euch das selbst geholt?“
„Na, das wurde uns von einer Magd aus der Küche gebracht - wie immer.“
Der Perricumer nickte zufrieden und legte seine Hand abermals neben die Schulter des Wachmanns. Ein warmes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. „Ich danke dir, Bormir. Das, was du uns gesagt hast, war von äußerster Wichtigkeit und es ist beruhigend, einen so pflichtbewussten Mann hier unten zu wissen. Unser Dank sei dir gewiss“. Er schaute kurz zu seiner Begleiterin, dann wieder zum Wachmann. „Ich denke, den restlichen Weg schaffen wir allein“. Kurz wandte er sich zum Gehen um, blieb dann aber stehen und schaute nochmal zurück. „Bevor du gehst - kannst du dich an den Namen der Magd erinnern?“
„Das war die Birte.“
Salix lächelte und nickte dem Mann zufrieden zu. „Hab Dank, Bormir, du warst uns eine große Hilfe!“
Dann wandte er sich seiner Begleiterin zu und schaute sie fragend an. „Was denkt Ihr? Es scheint einigen Leuten hier nicht sonderlich schwerzufallen, zügig einzuschlafen!“