Geschichten:Brennende Häuser - Mieterwechsel

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Reichsstadt Hartsteen, 17. Travia 1032 BF


„Brr, mein Kleiner!“

Quietschend hielt der kleine, abenteuerlich beladene Karren, der von einem ebenso klapprigen wie bedauernswerten Esel gezogen, an. Geppert mühte sich von dem Wagen runter, so langsam kam er einfach in das Alter, wo das Reisen seine Spuren hinterlies. Neugierig schlenderte er zu der Menschenmenge, die sich vor dem Stadttor drängte und offensichtlich Einlaß begehrte. Die Leute sahen so aus, als ob sie ihre tragbaren Habseligkeiten zusammengerafft hatten und ansonsten alles zu Hause stehen und liegen gelassen hatten. Was sehr ungewöhnlich war, jetzt zur Erntezeit.

„Verzeiht, Mütterchen“, sprach er eine ältere Frau an „warum sind denn all die Leute hier? Ist heute ein besonderer Tag?“

Die Alte sah den Krämer an, als ob er schleunigst in ein Noionitenkloster gehöre. „Ja, habts Ihr das denn nicht gehört? Die Almadaner kommen und brennen alles nieder! Sie haben Burg Bogenbrück erobert und alle Leute erschlagen! Und jeden den sie erwischen, den hängen sie auf!“

„Ja!“, mischte sich ein fetter Mann mittleren Alters ein, seiner staubigen, weißen Kleidung nach ein Müller. „Ich hab gehört, daß der Kaiser der Almadaner mit seinem Heer bereits vor Gareth steht, jetzt wo die Kaiserin doch in Albernia ist.“

„Ja, und alle die sich ihm in den Weg stellen schickt er direkt zum Herrn Boron, dem hat er seine Seele vermacht ... so sagt man“, meldete sich eine weitere Stimme zu Wort.

Geppert zog das unförmige Etwas, das wohl mal eine Mütze war, von seinem Kopf und kratzte sich dort. „Ihr guten Leute, seid Ihr Euch sich was Ihr da sagt? Ich komme aus Gareth, dort geht alles seinen gewohnten Gang. Die einzigen Almadaner, die ich gesehen habe, waren ein paar Landsknechte auf der Reichsstraße, nicht allzu weit von hier, denen hab ich noch meinen ganzen Wein verkauft. Ansonsten sieht man überall die Leute auf den Feldern, wie sie die Ernte einbringen.“

„Da müsst Ihr Euch täuschen, bestimmt. Also ... zumindest haben sie die Burg angegriffen, das weiß ich ganz sicher von meiner Base Edwina, die hat nämlich eine Nachbarin und die hat gehört ...“


Zollfeste Bogenbrück, Kaiserlich Bugenhog, Vier Tage vorher, vormittags


Jadwiga von Gneppeldotz lief ungeduldig im Hof der Feste wie ein eingesperrtes Raubtier auf und ab. Felian konnte die schlechte Laune seiner Herrin grade greifen. „Macht Euch nicht zu viele Sorgen, Euer Wohlgeboren, nur weil sie auf der Reichsstraße marschieren muß das heißen, daß sie gegen uns ziehen. Es gibt noch andere lohnende Ziele“, beeilte er sich sie zu beruhigen.

„Ach, halt’s Maul! Um Hartsteen anzugreifen sind sie zu schwach und die anderen Burgen liegen zu weit weg von ihrer Basis. Und dieser verdammte almadanische Hund hat sogar Orbetreu im Sturm genommen! Da wird er sich von uns nicht aufhalten lassen.“ Verärgert betrachte die Ritterin die Mauern der alten Zollfeste. Weder waren sie besonders hoch, noch besonders dick. Und bedurften dringend der Ausbesserung. Der Graben vor der Mauer war schon seit Ewigkeiten nicht mehr frei gemacht worden und lies sich stellenweise fast schon trockenen Fußes überqueren. Einzig der einzelne Turm bildete noch einen halbwegs passablen Rückzugsort.

Von eben diesen rief grade ein Ausguck die ersehne Nachricht: „Macht das Tor auf, er kommt zurück!“

„Na endlich!“, knurrte Jadwiga.

Ein Reiter preschte durch das geöffnete Tor und sprang vor der Burgherrin vom Pferd. Roß und Reiter war anzusehen, daß sie sich nicht geschont hatten. „Sie kommen!“, keuchte der Späher.

„Wie viele?“

„Bestimmt ein Dutzend Berittene und fast zwei Banner zu Fuß, dazu der Troß mit Wagen, wie es aussieht mit schweren Gerät. Sie haben die Reichsstraße blockiert und halten alles an, was von und nach Hartsteen reisen will. Aber nun ziehen sie weiter. Morgen werden sie hier ankommen.“

„Bei allen Fürsten der Hölle! Die halten wir nicht auf! Und so schnell wird keine Verstärkung hier sein. Falls überhaupt jemand kommen würde.“


Zollfeste Bogenbrück , am späten Nachmittag


Lutisana mußte schon wieder einem schwer beladenen Knecht ausweichen, der sie fast über den Haufen gerannt hätte. Der Burghof wimmelte von Leuten, die hastig die Wagen, die man auf die Schnelle heran geschafft hatte, so voll luden, wie es eben ging. Das kleine Mädchen mit der Puppe in der Hand war dabei ständig im Weg, aber niemand traute sich die junge Herrin dafür zu maßregeln. Nun begann sie zu weinen, nicht weil man ihr weh getan hätte sondern aus Trotz und Wut.

Ritterin Jadwiga von Gneppeldotz bemerkte die Tränen ihrer Enkelin und nahm sich trotz der Eile die Zeit. Sie hockte sich vor Lutisana und strich ihr liebevoll das Haar zur Seite. „Was ist denn, mein Schatz?“

„Ich – will – hierbleiben!“ Trotzig stampfte das Mädchen mit dem Fuß auf.

„Hör mal Liebling, ich habe Dir das doch schon erklärt: morgen kommen böse Menschen hier her, die wollen uns weh tun und alles abbrennen. Wir müssen wir fort, bevor sie da sind.“

„Aber nächste Woche kommen wir wieder zurück? Immerhin habe ich dann Tsa-Tag!“

Traurig sah Jadwiga ihre Enkelin an. „Ich fürchte, das wird noch eine Weile dauern, bis wir wieder hier hin zurück können.“


Zollfeste Bogenbrück, am nächsten Tag


Helmar kniff die Augen zusammen, um im strahlenden Licht der Herbstsonne besser sehen zu können. Der Dorfschulze hatte seinen alten Gambeson aus dem Schrank geholt, der schon unzählige Male geflickt worden war. An seiner Hüfte baumelte der rostige Säbel, ein altes Erbstück der Familie. Sein Kopf war mit einer Kappe aus Leder bedeckt. Die Herrin hatte ihm das Kommando über die Burg übertragen, nachdem sie am Abend zuvor mit Sack und Pack Hals über Kopf geflohen war und alles mitgenommen hatte, was sich auf die Schnelle zusammen raffen lies.

„Da, sie kommen!“, tönte es vom Turm.

Tatsächlich tauchten auf dem Weg aus dem Wald Reiter auf, ein gutes Dutzend. Bewundernd betrachtete Helmar ihre kräftigen Pferde. Das war ein ganz anderer Schlag als die müden Ackergäule, die man sonst hier sah. „Das muß man diesen Almadanern lassen, schöne Pferde haben sie.“

Aber auch die blanke Kürasse, die Helme, die schlanken Reitersäbel und die blinkenden Spitzen ihrer Lanzen waren von deutlich besserer Qualität, als alles, was Hemar und sein halbes Dutzend Bauern aufbieten konnte. Die Reiter begannen außerhalb der Bogenschußweite sich aufzuteilen und die Feste zu umrunden. Ihnen folgten die Marschkolonnen des Fußvolks, die nun ebenfalls den Wald verließen. Die Landsknechte boten ein farbenfrohes Bild mit ihren bunten Hosen, ihren aufgebauschten Ärmeln, durch deren Schlitze der andersfarbige Unterstoff zu sehen war und ihren Hüten, an den keck bunte Federn steckten. Sie trugen die Hakenspieße, für die die almandischen Mercenarios bekannt waren, lange Piken und einige auch mächtige Schwerter, die fast so lang wie ein Mann waren. Vielen trugen die leichten Plattenrüstungen der Fußkämpfer, einige auch Helme.

„Heilige Scheiße!“, entfuhr es Helmar. „Gegen die hätten wir keine Schnitte gehabt!“

Er kletterte von der Mauer runter und lies das Tor öffnen. Mit etwas zitternden Knien schritt er der Streitmacht entgegen, die sich vor der Burg langsam aufbaute. Ein Reiter kam ihm entgegen mit gesenkter Lanze, aber als Helmar die Hände offen zeigte hob er sie wieder.

„Seine Wohlgeboren Boraccio D'Altea, Junker von Arcena und Edler zu Hohenkamp fordert Euch, die Waffen zu strecken und die Burg zu übergeben.“

Helmar zuckte mit den Schultern und zeigte auf das offene Tor hinter sich. „Immer reinspaziert in die gute Stube, schätze mal die Frau Ritterin hat nicht dagegen, sonst wäre sie da geblieben. Meine Jungs und ich passen nur auf, daß hier keiner Unsinn anstellt.“

„Verstehe! Deine Leute sollen die Waffen abgeben und dann nach Hause gehen, Ihr habt bestimmt noch auf den Felder genug zu tun. Du selbst meldest Dich bei seiner Wohlgeboren, er wird noch ein paar Fragen haben“.

Helmar nickte stumm.

„Ach ja, und habt Ihr noch irgendwo Wein da drin?“

„Nee, aber noch ein paar Bierfässer.“

„Na besser als gar nichts.“