Geschichten:Brennende Häuser - Im Namen der gebenden Herrin

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Stadt Bugenhog, Grafschaft Hartsteen, Anfang Travia 1032 BF


Der Anschlag an der Mauer der Magistrate und öffentlichen Plätze in ganz Hartsteen lautete wie folgt:


Im Namen der allspendenden Herrin PERaine und ihrer elf Geschwister,


fordern wir, die Kirche der Herrin allen Lebens, diejenigen, welche miteinander in Fehde liegend nicht scheuen die Ernte der Felder zu verbrennen und die tüchtigen Landmänner und Landfrauen von ihrer fruchtbaren Scholle zu vertreiben, die Waffen schweigen zu lassen, bis dass die Ernte eingefahren sei.


Wer dem ausdrücklichen Wunsche der göttlichen Spenderin entgegen handelt, dem drohen wir mit dem kirchlichen Bann!


Es zeichnen für die Geweihten des nördlichen Garetiens im Namen PERaines

Der Hüter der Saat Rukus von Hartsteen

Der Meister der Ernte Perainian von Schwingenfels


Was zuvor geschehen war:


„Wir bitten Euch, Euer Hochwürden, schreitet ein und erhebt für uns die Stimme!“

Die Gruppe Bauern, welche seit wenigen Tagen in der Stadt weilte, ließ nicht locker. In den letzten Tagen waren sie aus Feidewald, Hutt und Bugenhog gekommen und hatten lauthals um Hilfe gebeten. Man konnte in Anbetracht der Menge, die sich vor dem Tempel der gebenden Göttin versammelten und welche von Tag zu Tag mehr Zulauf erhielt, fast von einer Demonstration außerordentlichen Ausmaßes sprechen. Noch wirkten die Männer und Frauen friedlich, aber in ihrer steigenden Erregung und den neu hinzustoßenden Geschichten, die ihre Wut jeden Tag noch ein wenig mehr steigerten, drohte die Lage außer Kontrolle zu geraten.

Rukus von Hartsteen, der nun seit fast fünf Jahren den für die Region bedeutenden Bugenhoger Peraine-Tempel führte, hatte dem erbosten Pfalzgrafen persönlich zugesichert, dass er die ruhestörenden Vorgänge aus der Welt schaffen würde. Auch der Stadtmeisterin Gunilda von Nesselregen hatte er dieses versprochen, als sie begleitet von einem Dutzend bewaffneter Soldaten auf dem Platz vor dem Tempel aufgetaucht war.

Dem hochgewachsenen, hageren Geweihten schien die Situation fast körperlich zu belasten. Mit tiefen Augenringen hatte er vor den bäuerlichen Massen gestanden und sie zur Mäßigung angerufen. Sie sollten auf ihrer Herrscher vertrauen und nicht durch Aufstand und Protest den Zorn des Adels hervorrufen, welcher seit Jahren gebrodelt hatte und nun wie böse Galle aufbrach. Es sei wie die Krise in einer Krankheit, wenn auf die Tage der Mattheit und Unbestimmtheit eine Verschlechterung der Gesundheit auf eine baldige Heilung hindeutete. Ihnen aber, den Landmännern und Landfrauen, die der Körper des Reiches waren, sollten die Pein erdulden und nicht durch Unbedachtheit unnötiges Leid erzeugen.

„Sonst, meine geliebten Brüder und Schwestern auf dem Felde, drohen sich die Geschicke von Mühlingen zu wiederholen!“ Unter Murren waren die Landleute auseinander gegangen, die Stimmung aber blieb angespannt.

Zur gleichen Zeit war neben anderen Geweihten auch der Meister der Ernte Perainian von Schwingenfels nach Bugenhog gekommen, um sich ein Bild von der Notlage der Landleute zu machen. Perainian, welcher vor wenigen Jahren im nördlichen Hartsteen von einer Räuberbande gefangen worden und gegen ein stattliches Lösegeld befreit worden war, zeichnete ein finsteres Bild von den Absichten des Adels. Auf Feidewald sei man außer sich und würde nun keinen Stein mehr auf dem anderen stehen lassen wollen. Und seitdem der andere Prätendent der Krone verschwunden war und die Familie Hartsteen ihre Hartherzigkeit in vollen Zügen offenbarte, zudem die Kaiserin fern im Krieg in Albernia weile, ständen auch dort die Zeichen auf Sturm. Die Folge sei drohender Hunger im Winter und dadurch eine steigende Gefahr von Unruhen in der Landbevölkerung. Man müsse etwas unternehmen, damit wenigstens diese Gefahr aus der Welt geschafft würde.

Alle anwesenden Geweihten nickten zustimmend und noch in der gleichen Nacht verfassten sie einen Aufruf, der am Tage darauf in allen Städten und Märkten der Grafschaft an die Mauern der Magistrate und öffentlichen Plätze geschlagen wurden.


Was wenige Tage später folgte:


Alrik von Hartsteen und Geismar von Quintian-Quandt standen etwa einen Schritt auseinander, aber der Graben zwischen ihnen maß mit Sicherheit deutlich mehr. Wie gemaßregelte Pagen, die einen Kelch Wein vergossen hatten, hatte die Kirche sie hierher nach Bugenhog beordert und vom Pfleger des Landes, der 1029 BF vom Diener des Lebens Leatmon Phraisop d.J. berufen worden war, persönlich zur Rede gestellt. Der mittelgroße Mann hatte seinen weiten Weg aus dem Wildermärkischen Wutzenwald bis hierher zurückgelegt und, einmal in Fahrt gekommen, beklagte sich eingehend über die Verwerfungen am südlichen Rande des einstigen blühenden Darpatien.

Mit finsterer Miene hörten sich die beiden Fehdeparteien die Worte des hohen Peraine-Geweihten an und gaben sich schließlich, zum Zeichen der Waffenruhe, auf dem Vorplatz des Tempels die Hände. Rukus von Hartsteen, der sich im Hintergrund aufgehalten hatte, atmete tief durch und schaute erleichtert zu Perainian von Schwingenfels neben sich.

„So sei hiermit bei unserer Ehre erklärt“, schwor der Baron auf Hutt vor den versammelten Bauern, die mit Scheu und gebeugtem Haupt vor ihren Herren standen, „dass bis zum Ende der Einfuhr der Ernte keinem Bauersmanne und keiner Bauernsfrau durch die Fehde der Familien Hartsteen und Quintian-Quandt ein Unbill geschehen wird.“

Der Feidewalder, dessen schwarzer Knebelbart wie ein dunkler Schatten in seinem fahlen Gesicht prangte, fügte hinzu: „Auch soll jedem Mann und jeder Frau des würdigen Bauernstande der Schaden, welcher ihm persönlich und ohne Not zugefügt wurde, in Münzen und bar beglichen werden.“

Ein Raunen ging durch die Menge. Die Zuhörer tauschten hoffnungsvolle Blicke. Ein Schimmer am dunklen Firmament schien über ihnen aufzugehen.