Geschichten:Verschollen in Al'Anfa - Ohne Plan

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Burg Erlenstamm, 21. Efferd 1045

„Hui, das ist ja wirklich mal ne große Burg“, bemerkte Thorkar und pfiff durch die Zähne.

Die drei Gefährten hatten Irnfrede nach Hause gebracht, und waren ihrem Angebot in den Gästezimmern der Burg zu nächtigen gerne nachgekommen, auch wenn diese bislang nur recht spärlich ausgestattet waren. Sie staunten nicht schlecht, als die Edle sie am nächsten Tag nach dem gemeinsamen Frühstück herumführte, und ihnen die Burg mitsamt der neuen Einrichtung zeigte. Zwar waren ihre Ritter aufs Höchste alarmiert und hatten ihr dringend davon abgeraten, eine Gruppe Fremder so mir nichts dir nichts durch die Burg zu führen, doch als Irnfrede berichtet hatte, dass diese drei sie gestern nacht aus einer sehr prekären Situation gerettet hatten, hatte Ritterin Lachwige dem Vorhaben etwas widerwillig zugestimmt. Allerdings standen die drei Fremden unter ständiger Beobachtung durch Ritter Ernhelm und auch die Wachen ließen sie keinen Herzschlag aus den Augen.

Irnfrede ließ sich davon nicht beirren und zeigte ihren neuen Freunden das Burgpalais und den Bergfried, später noch das Torhaus, die Wachtürme und auch die drei neuen Hornissen, die zur Burgverteidigung angeschafft worden waren. Während Simariel und auch Luna recht wenig beeindruckt zu sein schienen, kam der Krieger Thorkar aus dem Staunen kaum noch raus. Er rechnete sich aus, dass man eine große Belagerungsarmee und auch viel Zeit – also eher Monde als Wochen - brauchen würde, um diese Festung einzunehmen, vorausgesetzt es wären ausreichend Verteidiger auf den Mauern. Aber daran schien es der Kleinen… der Edlen… Irnfrede wohl noch zu mangeln.

„Sag, glaubst Du denn, dass du hier bald angegriffen wirst?“ fragte er Irnfrede. Obwohl sie sich als Hochadelige zu erkennen gegeben hatte, blieb der Thorwaler beim vertraulichen Du, so wie es eben Thorwaler Art war. Da hatte sie auch gleich den anderen beiden das Du angeboten, so wäre es viel einfacher.

Irnfrede entgegnete: „Also ich wüsste nicht, wer mich hier angreifen könnte. Allerdings hat es ja noch vor Kurzem einige Auseinandersetzungen zwischen den Schlundern und den Hartseenern im Norden gegeben. Und auch Haffax Armee ist noch vor ein paar Jahren hier durchgezogen. Von daher ist Vorsicht besser als Nachsicht. Der Wunsch die Burg gut zu befestigen, kommt allerdings vor allem von meinem Vater. Er ist sehr um meine Sicherheit besorgt.“

„Und dann machst du solche Dummheiten wie gestern Abend?“ fragte Luna sie ein wenig provokant.

Irnfrede blickte sie an. „Ich hatte meine Gründe! Aber lasst uns später darüber reden. Ihr habt noch gar nicht mein Musikzimmer gesehen. Wollt ihr?“

Jetzt wurde vor allem Simariel hellhörig. „Musikzimmer? Das würde ich gerne sehen.“

„Dann kommt, es liegt oben im zweiten Stock.“ Irnfrede ging schnellen Schrittes voraus, die anderen folgten ihr.

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Sie hatten einige Zeit im Musikzimmer verbracht. Während sie auf ihrem neuen Clavichord spielte, hatte der Elf sie auf seiner Beinflöte, sein ‚Iama‘, wie er es nannte, begleitet. Auch Luna fand Gefallen an einer kleinen Trommel und stimmte behutsam mit ein. Schon nach kurzer Zeit hatten sie zu dritt eine wundervolle Weise zustande gebracht, die die Burg mit ihrer Melodie verzauberte. Anschließend hatte Irnfrede die drei noch in ihre private Schreibstube gebeten, da sie noch etwas mit ihnen unter acht Augen besprechen wollte. Nachdem sie alle dort Platz genommen hatten – vier Wachen hatten sich auf Ernhelms Geheiß sicherheitshalber draußen vor der Türe positioniert, um im Notfall rasch eingreifen zu können – begann sie zu berichten.

„Also es ist so: es gibt da jemanden, der mir sehr viel bedeutet. Und ich meine wirklich viel. Er ist leider seit über einem halben Jahr spurlos verschwunden. Und ich will ihn unbedingt finden, egal wo er ist. Dazu brauche ich aber ein paar Leute, die mich auf der Suche begleiten würden.“ Luna wurde neugierig: „Und wer genau ist dieser jemand?“

„Er ist ein Ritter meines Vaters. Er heißt Geromel. Er… er war zu meinem Schutz eingeteilt. Aber im letzten Firun hat er mich verlassen und ist einfach von dannen geritten“

„Warum hat er dich verlassen?“ wollte Luna wissen.

Irnfrede errötete etwas und senkte den Blick. Dann antwortete sie leise: „Weil… wir uns lieben, und er nicht riskieren wollte, dass unsere Liebe zum Problem für mich wird.“

Jetzt fragte Thorkar nach: „Warum hätte das denn ein Problem werden können?“

Irnfrede sah ihn traurig an: „Das wird jemand wie du wahrscheinlich kaum verstehen. Mein Vater würde einer Verbindung von mir mit einem einfachen Ritter niemals zustimmen. Ich bin nun mal aus hohem Hause, und werde wohl auch demnächst einen Mann heiraten, der ebenso aus einem hohem Hause ist.“

Thorkar verstand es wirklich nicht: „Du meinst, du sollst einen Mann heiraten, den du nicht liebst?“

„Den ich nicht einmal kenne!“ ergänzte Irnfrede. Aber so ist das nun einmal in der Adelswelt. Liebe spielt bei der Wahl des Ehepartners keine Rolle.“

„Und warum bist du nicht einfach mit deinem Geliebten fortgegangen?“ wollte diesmal Simariel wissen.

„Das war unmöglich. Mein Vater hätte mein Weglaufen niemals akzeptiert. Es hätten dutzende oder hunderte Häscher nach mir gesucht. Wir wären nur noch auf der Flucht gewesen, und irgendwann hätten wir ihnen nicht mehr entkommen können.“

Simariel folgerte: „Dein Liebster ist ja anscheinend freiwillig gegangen. Wenn er bis jetzt nicht zurückgekommen ist, dann will er wohl kaum freiwillig wieder zurückkommen. Eine Suche wäre also von vornherein erfolglos.“

Irnfrede seufzte tief und senkte den Blick. „Jetzt sprichst du meine schlimmsten Befürchtungen aus. Ja, es ist keineswegs sicher, dass er wieder mit mir zurückkommen würde. Aber ich will es zumindest versuchen, ihn dazu zu bewegen. Denn seit damals ist einiges geschehen, und ich kann einfach nicht mehr ohne ihn sein. Wenn ich ihn wenigstens noch einmal sehen könnte…“ Sie wischte sich eine kleine Träne mit einem Taschentuch weg.

„Ich sehe da noch ein ganz anderes Problem“, bemerkte Luna. „Wenn er freiwillig gegangen ist, dann wird er sicher darauf bedacht gewesen sein, möglichst unauffällig sehr weit weg zu kommen. Und da das schon länger als ein halbes Jahr her ist, ist seine Spur längst kalt. Oder hast du irgendeinen Anhaltspunkt, wo er hingegangen sein könnte?“

Irnfrede überlegte: „Vor etwa einem halben Jahr war ein Kopfgeldjäger hier, den mein Vater auf Geromel angesetzt hatte. Er fragte mich, wann ich ihn zuletzt gesehen hatte, danach ist er wieder weitergezogen, ich glaube in Richtung Wandleth. Ich weiß aber leider nicht, ob er irgendetwas über seinen Aufenthaltsort herausfinden konnte.“

„Na, das ist doch immerhin schon mal ein Ansatz. Ich nehme an, dass der später dann wieder nach Hirschfurten zurück gegangen ist?“ fragte Luna.

Irnfrede zuckte mit den Schultern. „Ich hab keine Ahnung. Wahrscheinlich schon. Aber Ich kenne den kaum, und weiß auch nicht, ob er noch da ist. Und selbst wenn, glaube ich auch nicht, dass der mir irgendwas sagen würde, weil der ja für meinen Vater ermittelt. Und gerade der sollte am allerwenigsten wissen, dass ich selber auch nach Geromel suche. Er würde es sofort unterbinden.“

Luna lehnte sich zurück und grinste verschmitzt. „Hm, klingt nach einer kleinen Herausforderung.“ Sie blickte die anderen beiden kurz an, dann wieder Irnfrede. „Also, das Beschaffen von Informationen über deinen Liebsten lass mal meine Sorge sein. Wenn der Kopfgeldjäger etwas herausgefunden hat, dann kriege ich das auch raus.“

Irnfrede machte große Augen. „Aber wie?“

Luna schüttelte den Kopf. „Das solltest du besser nicht wissen, glaub mir. Aber es scheint mir auf jeden Fall sicherer zu sein, wenn wir da nachhaken, als wenn du es tust.“

Das sah Irnfrede ein. Sie nickte.

„Würdet ihr es denn versuchen?“ fragte sie die Gruppe.

Luna sah die beiden anderen an. „Also ich bin dabei. Wie sieht es bei Euch aus?“

Thorkar antwortete: „Bevor die Kleine hier wieder solche Dummheiten macht wie gestern, sollten wir uns besser drum kümmern, denke ich. Ich komme auch mit.“

Simariel nickte nur.

Irnfrede fiel ein Stein vom Herzen. „Oh, danke. Vielen lieben Dank. Ich kann Euch gar nicht sagen, wie glücklich ihr mich damit macht.“

„Dank uns nicht zu früh, Kleine! Noch stehen wir ganz am Anfang!“