Geschichten:Verschollen in Al'Anfa - Die Mada-Sonate

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14. Efferd 1045 BF

Wieder erklang die traurige Melodie, die die Menschen auf Burg Erlenstamm für eine Weile aus ihrem Alltag riss. Die Dienstmagd Alwene war gerade dabei, die herrschaftlichen Betten zu machen, als sie die eigentümliche Melodie vernahm und kurz innehielt, um zu lauschen. Der Schreiber Barthel beendete gerade seinen Brief an den Erlenstammer Stadtrat, und horchte ebenfalls. Auch die Wachen unten im Hof unterbrachen ihren Übungskampf, und lauschten der getragenen, traurigen Weise. Sogar die beiden Ritter Ernhelm Langmann von Klingenhort und Lachwige von Grattelbeck, die sich gerade bezüglich der neuen Wehranlagen berieten, unterbrachen kurz ihr Gespräch.

Irnfrede spielt auf dem Clavichord © Nimmgalf


Der zehnjährige Küchenjunge Korwin fragte seine Mutter, die Köchin Hildelind Gramsieder: „Hörst du auch diese Melodie, Mutter? Wunderschön, aber auch sehr traurig, nicht wahr?“ „Ja, Junge! Es ist die Herrin Irnfrede, die da in ihrem Musikzimmer spielt. Erst vor wenigen Tagen ist ihr neues Musikinstrument aus Gareth eingetroffen. Und jetzt spielt sie schon darauf, als hätte sie nie zuvor etwas anderes getan. Es klingt so schön und zugleich so furchtbar traurig.“


„Aber warum ist die junge Herrin so traurig, Mutter? Ich meine, sie hat doch alles, was man sich nur erträumen kann: sie ist die schönste Frau, die ich je zuvor sah. Sie hat diese stolze Burg bekommen, und sie in nur wenigen Monaten so prächtig ausgebaut, und kann sich anscheinend alles kaufen, was sie will. Alleine all diese kostbaren Instrumente: die Geigen, die Flöten, die kleine Harfe und jetzt dieses neue Klati.. Krasi…“ „Clavichord*“ half ihm seine Mutter. „Ja, genau. Wie kann denn jemand, der so viele schöne Dinge hat, so traurig sein? Ich habe sie noch nicht einmal lachen gesehen, seit wir hier sind, Mutter!“

„Weißt Du mein Junge, man kann in das Herz eines Menschen nicht hineinsehen. Manchmal klaffen dort tiefe Wunden – keine von körperlicher Natur, aber dennoch Wunden, die nur sehr langsam verheilen, und immerzu der Seele Pein bereiten. Ich weiß auch nicht, warum die junge Herrin so traurig ist. Vielleicht ist es Heimweh, vielleicht ist sie auch einfach nur einsam und sehnt sich nach jemand Bestimmten, der sie in den Arm nimmt. Oder sie wünscht sich ein eigenes Kind… wer kann das schon sagen?“

„Weißt du was? Wir sollten ihr einen Kuchen backen. Darüber wird sie sich bestimmt freuen, und vielleicht ihre Traurigkeit für eine Weile vergessen. Was sagst du dazu?“

Die dicke Köchin lächelte ihren kleinen Sohn herzlich an. „Ich sage, das ist eine tolle Idee, Korwin! Dann hole doch schon mal Eier, Mehl und Milch. Sobald ich hier fertig bin, fangen wir an.“

  • OT: Ein Clavichord ist eine Frühform eines Klaviers, die irdisch im späten 14. Jahrhundert entwickelt wurde. Es gilt als sehr sensibles Tasteninstrument.