Geschichten:Grauen am Darpat - Lebendiges Schilf

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Dramatis Personae


Im Schilf

"Arn?"

"Hm...?"

"Was glaubst was die da findn?"

Schulter zuckend überdachte der Hüne die Antwort sorgfältig.

"Wenn bis jetzt noch kein Laut von denen da obn kam, wern die versoffen unterm Tisch liegn, oder ..."

"Oder? Oder was?" Der jüngere Fischer beharrte stur auf einer Antwort.

"Piraten?" sagte der Hafenmeister in die sie umhüllende Stille fragend.

Tjalf zog daraufhin tief an seiner aromatisch duftenden Pfeife,

"Üble Sache das, wenn..." und ließ nun seinerseits seine Worte unvollendet. Doch sie verstanden sich aus so und blickten weiter hinaus auf den Fluss, der ihnen Heimat bedeutete.

Arn Fuxfell, der Hafenmeister aus Gnitzenkuhl ließ seinen Blick wie schon die ganz Zeit zuvor schweifen. Die Geräusche der Nacht waren ihm nicht unbekannt am Fluss. Es war eigentlich alles wie es sein sollte. Ab und an ein Rascheln im Schilf. Glucksende Geräusche, wenn das Wasser an die Bohlen des Stegs schlug und bisweilen ein Flirren in der Luft, wenn ein verirrter Falter sein Gesicht streifte. Wie lange es wohl noch dauern würde, bis man sie holte? Sicher würde man hier ein Nachtlager aufschlagen. Die Boote könnte man dann ja an Land holen.

"Ddda, da, da ist was...!" Hektisch und stoßweiße hatte Tjalf die Worte ausgesprochen.

"Grmpf...was ist denn jetzt schon wieder?" Der groß gewachsene Mann hatte sich in aller Ruhe dem Fischer zugewandt. Viele Male zuvor schon seitdem die Adligen sie auf dem Steg zurück gelassen hatten, glaubte der nervöse Seemann das Monster gesehen zu haben. Einmal war es ein Stück Treibholz, das auf der Flussmitte vorbei trieb. Das nächste mal waren es drei Ratten gewesen, die vermutlich ihren Schlafplatz aufgesucht hatten.

"Bin Gespannt was es dieses Mal ist..." Doch die Richtung in die er wies, war dieses Mal nicht der Fluss, sondern er deutete mit zittrigen Fingern ins Schilf.

"Ich hab was gesehen, die Halme... die ham sich ganz heftig bewegt, dass können nicht die Ratten gewesen sein!"

Angestrengt versuchte Arn etwas zu erkennen, doch er glaubte nicht daran, dass es sein konnte, dass nicht auch dieses Mal die Sorge seines Begleiters die Dinge schlimmer machten als sie eigentlich waren. Er wollte seine Ruhe haben, darum hatte er beschlossen, der Sache lieber gleich nach zu gehen. Er hatte es eh satt sich hier die Beine in den Bauch zu stehen. Ohne weiter Worte zu verlieren ging er auf das größere Boot zu und holte eine Fackel, die er mit einiger Mühe entzündete.

"Ich schau da jetzt nach." Inzwischen war auch ihm einigermaßen unwohl, denn er glaubte deutliche einige Geräusche gehört zu haben, die von Schritten im Schilf verursacht worden sein mussten. Doch sie waren so schnell gewesen, dass er Menschen als Ursprung ausschloss. Ratten eigentlich auch. Doch er ließ sich nichts anmerken. Beruhigend klopfte er seinem Kumpanen noch einmal auf die Schulter, nahm Fackel und Langdolch und ging den Steg in Richtung Land. Sein ungutes Gefühl verstärkte sich noch, doch was sollte hier schon sein? Ein merkwürdiger Geruch stieg ihm in die Nase. Sicher hier konnte das Wasser nicht mehr frei fließen durch den Bewuchs...nur brackig fristete es sein unbewegtes Dasein. So versuchte er sich fürs erste selbst zu beruhigen. Beherzt stieg er vom Steg herab. Eine kleine Schneise im Bewuchs war erkennbar, sodass er dort gut durch kommen würde. Die Fackel verkeilte er zwischen den Bohlen des Stegs, sodass sie ihm als Orientierungsanker dienen könnte. Das Wasser reichte ihm hier nur noch bis zu den Waden, sodass es ihn nicht wirklich behinderte. Nach einigen Schritten in das Schilf verstärkte sich seine Beklemmung.

Ob er doch lieber der Isenbrunnerin Bescheid geben sollte? Plötzlich hörte er ein rascheln hinter sich, nein vor sich, nein, es war an seiner Seite...!


Am Turm

Während der Kelsensteiner nach Leomaras Sinneswandel weiter in Richtung des Hauses voranschritt, konnten aufmerksame Beobachter sehen, dass unten im Schilf eine Fackel entzündet worden war. Das Licht wanderte auf dem Steg zunächst entlang, verharrte dann aber an einer Stelle, und blieb dann dort stehen.

Stattdessen wurden nach einer Weile Laute aus dem ufernahen Bereich laut. Zunächst nur wildes Rascheln der Halme, die schnelle Bewegungen als Ursache haben konnten. Begleitet wurde es durch patschende Geräusche und gutturalen Grunzlauten.

Dann hörten sie einen lauten Schrei. "Hiiiilfe!" Leomara drehte sich gehetzt um. "Das war Arn!"

Marnion reagierte als erster. Er rannte zum Nebengebäude um sich dort gehetzt umzusehen. ‚Die Dinge entwickelten sich stürmischer als ihnen lieb sein konnte. Wahrscheinlich würden die anderen ihn jetzt für einen Feigling halten, doch tat er was er tun musste um ihren Trupp am Leben zu halten. Sollten sie gezwungen sein sich zurück zu ziehen, dann wären sie auf die Information angewiesen ob es hier etwas Nützliches gab, oder eine Möglichkeit sich zu verbarrikadieren. Die Strecke, die er auf die anderen verlieren würde, konnte er mit der Armbrust überbrücken und als Reserve zu ihnen stoßen, wenn es gelang den Gegner zu stellen.’ ,Keinesfalls’, so dachte er, ‚dürften sie sich den Ablauf der Auseinandersetzung vom Gegner völlig diktieren lassen.’

Ein schneller Blick reichte ihm aus, um zu sehen, dass es sich hier nur um einen Vieh- und Pferdestall gehandelt haben musste. Erstaunlicherweise lagen hier keine unappetitlichen Häppchen herum. Fast so, als ob alles Lebendige draußen gemetzelt worden war. Der Mist zeigte, dass die Tiere nicht lange tot sein konnten. Doch diese Gedanken durchlebte er bereits im Rennen zum Turm zurück um seine Armbrust zu greifen und zum Ufer zu hasten. Er war sich nun sicher, die Tür würde man gut verrammeln können, und notfalls auch verteidigen. Der nebachotische Ritter beschrieb den Hang hinab einen kleinen Bogen um freies Schussfeld zu haben und dem Gegner möglichst in den Rücken zu fallen, wenn er schon hinter seine Kameraden zurückfallen musste. So hatte er einen guten Überblick, doch die Frau mit der Fackel zog seinen Blick in ihren Bann.

Leomara war im Schein der Fackel deutlich anzusehen, dass sie von Sorge um ihre Landsleute bewegt war, als sie wie ein Blitz aus Rondras Hand zum Ufer stürmte.

Kaum hatte Selinde den Hilferuf Arns vernommen, versuchte sie, nachdem sie sich kurz orientiert und die Richtung, aus der der Schrei kam, erkannt hatte, mit gezogenem Schwert zu diesem laufen. Allerdings verzichtete sie darauf, einfach blindlings drauflos zu stürmen sondern wählte ein etwas langsameres Tempo, um sowohl die Umgegend als auch ihre Gefährten im Auge behalten zu können, damit sie keinen von ihnen umrannte oder – schlimmer noch – dem Monster ,oder wer sonst auch immer hier gewütet haben mochte, direkt in die Klauen lief.

So konnte sie sehen, dass Leomara auf den einzelnen Lichtpunkt, der ihnen als Orientierungspunkt diente geradewegs zuhielt. Der Hügel erschien ihnen unerträglich lang, und die Geräusche die sie vernehmen konnten trugen keineswegs zu ihrer Entspannung bei. Das Grunzen schien sich im Schilf zu konzentrieren. Auch irgendwie geartete schmatzende Laute, sowie Schmerzensschreie von Arn, der inzwischen scheinbar im Wasser zu liegen gekommen war, zumindest hörte man hektisches Geplansche.

Die Vellbergerin folgte Leomara hin zu dem Licht, bemüht, sowohl die Rittsfrau als auch die Umgebung im Auge zu behalten. Arns Schreie sowie die merkwürdigen Laute ließen aber selbst der hartgesottenen einstigen Offizierin kalte Schauer über den Rücken laufen. Hoffentlich kamen sie noch rechtzeitig …

Ohne Zögern hatte Unswin umgedreht und war Leomara gefolgt, als sie den Hügel wieder hinunter eilten. Irgendetwas im Schilf schien wohl doch größer gewesen zu sein als die verschreckten Ratten die vor der Fackel geflohen waren. Der Edelknappe bemühte sich die Ritterin mit dem Licht nicht genau zwischen sich und der Anlegestelle zu haben, damit ihn der Fackelschein beim Zielen nicht blenden würde. Die Geräusche und Schreie die zu ihm drangen ließen ihm wenig Hoffnung für das Leben der Fischer, doch mit etwas Glück konnten sie das Untier noch erwischen. Für Unswin bestand kein Zweifel daran, dass sie das Fabelwesen vor haben würden, sobald sie wieder am Ufer waren.

Auch Kain und Kor’win schreckten hoch. War das Vieh so gewieft, dass es sie hatte umgehen können? Doch sie mussten sie nicht erst lange abstimmen. Seit Jahren hatten sie Zeit gehabt sich gegenseitig aufeinander abzustimmen und so wusste jeder, was der andere als nächstens tun würde.

Alexis stand beim Nebengebäude etwas abseits, bekam so erst später mit, dass sich beim Fluss etwas ereignet haben muss. Er machte sich sogleich dorthin auf, jedoch bedacht auf seine Schritte, da er beim Laufen nicht gut einschätzen konnte, wohin seine Füße traten. Sein Weg führte ihn direkt in Richtung des Flusses und orientierte sich dann an Leomaras Fackelschein. Sein Schwert ließ er noch am Gürtel, dies zog er erst, wenn er bei den anderen angekommen war.

Während Kor’win einen kleinen Bogen – weg von der Gruppe – zum Ufer lief und laut fluchte, war Kain wieder in der Dunkelheit verschwunden und lief geduckt, genau in die andere Richtung zum Ufer. Der ältere Nebachote wetterte und fuchtelte mit seinem Speer herum, um möglichst die Aufmerksamkeit, von was auch immer sich da im Schilf herumtrieb, auf sich zu ziehen.

Inzwischen waren sie alle dem Schilf ein ganzes Stück näher gekommen. Leomara mit der Fackel, dicht gefolgt von Selinde. Die Gnitzenkuhlerin mühte sich Tempo aus ihrem Lauf zu nehmen, was ihr nur halb gelang. Sie strauchelte, denn mit der hoch erhobenen Fackel in der einen und dem Kurzschwert in der Rechten konnte sie die Bodenunebenheiten nur schwer einschätzen. Kaum hatte sie die vorderen Bohlen passiert und ihre ersten vorsichtigen Versuche auf dem bemoosten Stegbohlen getan, war es auch schon um sie geschehen.

Mit lautem Getöse rutsche sie in das Schilf, wobei sie sich mehr darum bemühte nicht zu fallen, als auf dem Steg zu bleiben. Mit rudernden Bewegungen schaffte sie dieses Kunststück. Zittrig in den Knien fand sie sich schließlich inmitten der ersten Uferpflanzen wieder. Noch stand sie nur knöchelhoch im Wasser.

‚Aus der Not eine Tugend machen...’ schoss es ihr durch den Kopf. „Selinde geht ihr zu der Fackel auf dem Steg, wir müssen uns rufend verständigen. Sobald einer des Viehs ansichtig wird muss er laut geben.“ Sie hatte die letzten Worte gebrüllt. Dann machte sie sich daran mit dem Kurzschwert bewaffnet mitten in das Schilf einzudringen. Sie rückte ihm dabei entweder mit heftigen Schlägen zu Leibe, oder, dort wo es der Bewuchs zuließ, schlüpfte sie hindurch.

„Arn, wo bist du?“ Sie lauschte in das merkwürdige Rascheln. Ein beständiges Grunzen und das Geräusch von schnellen Schritten die leichtfüßig durch Wasser laufen begleitete es. „Hieer ...ahhh!“ Der Ruf verklang und ging unter in neuerlichem platschen und Gegrunze, in dem nun auch hohe quiekende Töne enthalten waren. Es war jetzt auch nicht mehr so einfach zu erkennen, woher der Laut kam. Leomara hatte fast den Eindruck, dass es mehrere Quellen gehabt hatte. Jetzt wurde auch wieder der Gestank schlimmer. Ob das oder vielmehr die Tiere solche Ausdünstungen hatten. Wie sehr wünschte sie sich jetzt ihr Kettenhemd auf den Leib. Wenn sie es nicht besser wüsste, hätte sie eine Vermutung, um was für Tiere es sich handeln könnte. Nie im Leben würden die so ein Gemetzel anrichten...


Kampf wider die Schatten

„Verstanden“, antwortete Selinde militärisch knapp auf Leomaras Aufforderung und lief weiter den Steg entlang. Doch vernahm sie schon nach wenigen Augenblicken merkwürdige Geräusche aus der Richtung, in der die Rittsfrau vorhin im Schilf verschwunden war. Aber da war noch etwas anderes; vom Fluss aus waren nicht minder seltsame Töne zu hören. Angestrengt ließ Selinde in der Dunkelheit den Blick über das umgebende Wasser schweifen, um die Quelle dieser Geräusche ausfindig zu machen. Da! Im Wasser war ein ungewöhnlich großer Schemen zu erkennen; zu groß für einen ‚normalen‘ Flussfisch! Vorsichtig – schließlich war der Steg immer noch alles andere als trittsicher – ging sie weiter in Richtung der Boote; zum einen, um vom Ende des Anlegers aus das Wasser besser beobachten zu können, zum anderen, um den immer noch dort ausharrenden Fischer zu warnen: „Heda, Fischersmann! Irgendetwas Großes schwimmt hier im Wasser rum. Du solltest Dich besser ans Ufer begeben; wer weiß, um was für eine Kreatur es sich handelt!“

Statt einer Antwort vernahm Selinde lediglich das rhythmische Geräusch zweier Ruder. Vom Takt ausgehend hatte es die Person im Boot offenbar sehr eilig. Die Baronesse beschleunigte ihre Schritte, soweit es der Untergrund zuließ und versuchte einen Blick auf das Gefährt samt Ruderer zu erhaschen. Zugleich rief sie diesem laut vernehmlich zu:

„Hiergeblieben!“ Komm sofort wieder zurück, bevor ich Dich an Deinen Haaren hierher zurückzerre!“ Sofort hatten die Bewegungen ein jähes Ende gefunden. Stattdessen vernahm sie die wacklige Stimme des Fischers. „Ihr lebt? Aber aaaaber...das Monster. Es hat sich Arn geholt, ich habs genau gehört. Jetzt wollt ich Hilfe holn... “ Unschlüssig hielt er das Boot im Darpat und sie konnte sehen, dass er mehr als beunruhigt aussah. Sein Haar klebte ihm nass am Kopf und der Ausdruck im fahlen Gesicht war nahe dem Wahn vor Angst.

Am liebsten hätte Selinde dem Mann nach ‚bester‘ wehrheimer Art für seine Feigheit und unverschämte Ausrede ordentlich zusammengestaucht, erkannte aber rasch, dass dies nichts brächte. So versuchte sie, betont ruhig und in einigermaßen freundlichem Tonfall den Fischer zum Bleiben zu überreden, auch wenn ihr dies nicht gerade leicht fiel.

„Deine Sorge um Arn ehrt Dich, aber was glaubst Du, wie lange es wohl dauerte, bis Du irgendwo Hilfe fändest und mit dieser wieder zurück wärst? Meinst Du, Arn könnte solange warten? Viel mehr hülfest Du ihm damit, wenn Du Dich uns anschlössest und gemeinsam mit uns dem Hafenmeister zur Hilfe eiltest und Dich der Gefahr entgegenstelltest, wie auch er es tat. Und davon abgesehen: Glaubst Du nicht, dass Du hier weitaus sicherer bist, als wenn Du allein in stockfinsterer Dunkelheit in einer kleinen Nussschale den Darpat hinauf rudertest? Dass Du Angst hast, ist verständlich und an sich keine Schande. Sich aber von der Furcht übermannen und Gefährten im Stich zu lassen, anstatt ihnen tapfer beizustehen, sehr wohl. Also faß´ Dir ein Herz und komm´ zurück. Ich verspreche Dir, dass ich – soweit es die Umstände zulassen – auf Dich achtgeben und Dir im Notfall beistehen werde, wie auch Arn sich gewiss darauf verlässt, dass wir selbiges auch für ihn tun.“

Derweil wurden plötzlich Rufe aus dem Schilf laut. Sie waren laut vernehmbar und auch Tjalf spitzte die Ohren. Es wurde nach dem Boot verlangt. Einen Moment noch war sich Selinde nicht sicher, ob er nicht doch lieber das Weite suchen würde, doch der Ruf des nebachotischen Junkers nach einem Heiler ließ zumindest annehmen, dass der Hafenmeister noch nicht tot war. Verbissen und mit leicht schuldigem Gesichtsausdruck drehte der Fischer um, und begann stattdessen wieder auf das Schilf zuzuhalten. „Wisst ihr wo er liegt?“


Geordnetes Chaos? Erste Feindkontakte

Es war ein Alptraum. Alle rannten kreuz und quer und keiner schien zu wissen wo sich das vermeintliche Untier im Schilf befinden sollte. Unswin war noch gut zwanzig Schritt vom Ufer entfernt, als er Leomara mitten in den schlammigen Schilfgürtel eindringen sah. Wie konnte sie nur so unvernünftig sein! Innerhalb weniger Augenblicke hatte er sie aus den Augen verloren und nur der Schein ihrer Fackel zeigte an wo sie sich befinden musste. „Tausend räudige Orks!“ Fluchend steckte er den Pfeil weg und schwang den Bogen zurück um seine Schultern. Da anscheinend keiner daran dachte das Untier aus dem Schilf zu treiben musste es eben anders gehen. Er bemühte sich zu Leomara aufzuschließen, zog während des Laufens sein Schwert aus der Scheide und rannte hinter ihr her ins Schilf.

Am Flussufer angekommen verschaffte sich der Geweihte zunächst einen Überblick. Überall im Mondlicht bewegte sich das Schilf. ‚Dort hinten muss Leomara mit ihrer Fackel sein’, überlegte Alexis, ‚leider kann ich nicht verstehen, über was sie reden. Und Unswin muss da hinten sein, er hatte einen Bogen, den er jetzt wohl wieder schultert.’
Er blickte sich weiter um. ‚Wo sind die anderen?’

‚Ein Fehler‘, schoss es Kor’win durch den Kopf, es war doch ein Fehler gewesen die Raulschen mit auf diese Jagd zu nehmen. Fluchend hielt der Großwildjäger inne. Was sollte er jetzt tun? Mit Kain brauchte er sich nicht abstimmen, da er wusste, dass der Junge sich gerade wohl ihm gegenüber dem Schilf nähert. Eigentlich war es des Jägers Plan gewesen das Vieh entweder heraus, auf sich zu locken, oder direkt auf Kain und dessen Bogen zu treiben. Aber nun. Nun war das Chaos perfekt. Raulsche… Aber immer schön die Nase weit oben tragen…

„Gäht aus dem Schilf raus!“ Brüllte Kor’win, hielt dann jedoch inne. Was waren das für Geräusche und was für ein Geruch? Sicher, der Schwefelgeruch überdeckte so einiges und machte einen recht eigenen Geruch daraus, doch war sich der alte Jäger fast sicher. Sollte es wirklich nur das sein, wonach es sich anhörte. Wildschweine?

„Bei Kor! Adäl odär nicht, raus aus däm Schilf. Wuänn äs das Vieh ist, iberlebt ihr nicht und tetet euch hechstens noch selbst.“ Kor’win lauschte erneut. Nach allem was er vermutete waren es ein paar Wildschweine mit ihren Jungen. Äußerst gefährlich, wenn man ihnen zu nahe kam, aber ansonsten – bedingt durch die Jungen – eher flüchtig. Doch wenn alle wie wild durch das Schilf pflügten würde es mindestens Verletzte geben, wenn nicht gar Tote und sei es durch das Schwert des Gefährten gefällt.

‚Das läuft gar nicht gut.’ erkannte Marnion als er keuchend und rutschend kurz vor dem Schilfgürtel zum stehen kam. Er war offenbar an der falschen Seite des Stegs angekommen. Weiter hinten in der Nähe des Fackelscheins im Schilf bewegte sich so einiges. Außer das die Fackel zu Leomara gehörte ließ sich nicht sagen wer oder was sich da durcheinander bewegte. Er sah Unswin gerade im Schilf verschwinden und Kor`win, der schreiend versuchte etwas Ordnung in ihren Haufen zu bekommen. Marnion steckte erst einmal die Fackel neben sich in den Boden und legte wieder einen Pfeil in die Armbrust ein. Danach nahm er die Fackel wieder auf und ging hinüber zu Kor`win, näher ans Geschehen. Der feuchte matschige Boden verlangsamte ihn. Er sank bereits hier in der Uferzone ein wenig in den Boden ein, der seinen Stiefel nur mit enttäuscht klingendem Schmatzen wieder frei gab. Kor`win hatte recht, sie waren nicht aufeinander eingestellt. Er hatte erwartet die anderen würden zusammen bleiben und nicht als wilder Haufen breit ins Schilf stürmen.

Alexis erblickte Kor’win und schaute wieder über das Schilf ob sich irgendetwas änderte. Dann entdeckte er im Schein einer weiteren Fackel Marnion am Ufer – nicht weit von ihm entfernt. Er entschloss sich in seine Richtung zu gehen.

Marnion war erst einige Schritte auf den Jäger zu gegangen als aus dem Schilf heraus unter heftigen Geraschel zwei Wildschweine herausbrachen. Hinter der einen Sau wackelten vier niedliche Frischlinge her so schnell sie ihre kurzen Beinchen tragen konnten. Die Sau mit den Frischlingen drehte sofort ab, als sie Marnion mit seiner Fackel erblickte. Direkt wieder ins Schilf hinein, genau dorthin wo sich Unswin befinden musste. Marnion ließ die Fackel fallen, riss die Armbrust hoch und schoss. Die Armbrust bockte, da der Nebachote sie nicht richtig angelegt hatte. Eisern hielt der Ritter die Waffe umklammert, wusste er doch um die schlimmen Unfälle, die es gelegentlich mit Windenarmbrüsten gab. Er konnte nicht unterscheiden, ob das Schnappen nur vom Anschlagen der Armbrust kam, oder ob in seinem Fleisch etwas gerissen war. Intensiver Schmerz durchzuckte seinen Arm. Am Rande seiner Aufmerksamkeit bemerkte er, dass sein Schuss wohl getroffen hatte. Die Sau, die auf Unswin zuhielt, hatte auf eine unnatürlich zackige Weise ihre Bahn geändert, bewegte sich aber noch.

Als der Geweihte sah, dass Marnion auf etwas gestoßen war, das ihn dazu brachte seine Armbrust hochzuziehen, rannte Alexis sofort los und zog sein Schwert. Die Wildschweine hatte er nicht erkannt, dennoch wurde Hilfe gebraucht.

Der Edelknappe war darauf vorbereitet ins Schilf einzudringen. Seinen Anderthalbhänder hatte er halbhoch zum Stoß erhoben, da das Schilf ihn bei weiten Schwüngen mit dem langen Schwert nur behindern würde, als plötzlich die Schwarzkittel hervorbrachen. Sofort wünschte er sich einen Sauspieß um die Distanz wahren zu können. Das Bild von einem zerfetzten Treiber de einem wütenden Eber nicht mehr hatte entkommen können, tauchte kurz vor seinem geistigen Auge auf. Hatte er im ersten Moment gehofft die Tiere würden in ihrer Panik an ihm vorbeirennen, erkannte Unswin gleich darauf im schwachen Licht die Frischlinge und wusste, dass er nun um sein Leben zu kämpfen hatte.

Wütend schnaufend lief die Bache auf ihn zu, nur um im letzten Augenblick zur Seite zu torkeln. Er hatte auf ihren Nacken gezielt, die einzige verwundbare Stelle bei einem Frontalangriff. Doch da das Tier im letzten Moment abgedreht hatte, drang sein Schwert seitlich in den Hals der Bache ein, fuhr durch ihr Inneres und trat zwischen den hinteren Rippen auf der anderen Seite wieder aus. Einen Moment starrte der Edelknappe verblüfft auf das aufgespießte und sich windende Tier, welches ihm in seiner Pein beinahe das Schwert aus der Hand riss. Dann drehte er die Waffe mit einem harten Ruck herum und zog es heraus, woraufhin die Wildsau fast augenblicklich vor seinen Füßen zusammenbrach. Unter dem schweren Tier hörte er Holz brechen. Nicht vorzustellen, was es mit seinem Knochen hätte machen können. Die Frischlinge waren in der Zwischenzeit in alle Richtungen davongestoben, doch aus dem Schilf waren nun Leomaras Schreie zu hören. Schnell berappelte sich Unswin, hob das Schwert wieder kampfbereit vor sich und stürmte in die Bresche, welche die Ritterin ins Schilf geschlagen hatte.

Vor ihm kam die andere Sau heran, direkt auf ihn zu, unter sich hörte er ein leises Zischen und das Licht flackerte. Ein Gedanke brach durch den Schmerz ‚Meine Fackel’. Die Armbrust entglitt seinem geschundenen Arm. Er bückte sich um die Fackel aufzuheben. Was für ein Glück, sie steckte im weichen Boden, wenn sie sich auch schon gefährlich geneigt hatte und drohte zu verlöschen. Marnion griff sich die Fackel und wollte zur Seite springen um der heranstürmenden Sau zu entgehen. Auf einem sicheren Grund hätte er es wohl geschafft, aber so gab die matschige Wiese noch mehr unter seinem Gewicht nach und entließ seine Stiefel nur unvollkommen.

Der Kelsensteiner landete mit dem Gesicht im stinkenden Morast, die Fackel immer noch hoch haltend, während die Bache an ihm vorbeistürmte und Ihr Heil in der Flucht zum Turm hinauf suchte, wo auch der Ritter eine Zuflucht für seine Kameraden finden wollte, im Falle eines taktischen Rückzugs. Kaum hatte Marnion prustend seinen Kopf aus dem Matsch befreit und sich die Augen an seinem Halstuch gewischt, da hörte er markerschütterndes Schreien.

Er wusste dass es Leomara war, die nun schrie. Marnion ignorierte die mahnende Stimme in seinem Kopf, als sich ein Gefühl meldete dass er lange nicht mehr verspürt hatte. Nagende Angst, um das Wohl eines anderen Menschen. Im Felde hatte er sich die Gefühle verboten, doch nun kamen sie zurück, ob er wollte oder nicht. Marnion rappelte sich auf, stolperte und rutschte ins Schilf hinein, auf das Licht zu, das ihn den Weg wies. Seine rechte Hand schloss den Griff der erlahmten linken Hand um die Fackel. Der Schmerz flammte wieder auf, dennoch hielt er die Fackel so fest umklammert, das seine Knöchel hell hervor traten und zog sein Kurzschwert während er mit vollen Körpereinsatz durch das Schilf brach.

Alexis beeilte sich so schnell er konnte. Er hörte viele Schreie und sah im faden Licht des Fackelscheins einen Kampf – die Kontrahenten jedoch nicht. Er legte noch einen Schritt zu, weit war es nicht mehr. Dann bemerkte er, wie Marnion mit seiner Fackel ins Schilf in Richtung der anderen Fackel ging. Der Tumult unweit von ihm war vorüber, doch hatte er so eine Ahnung, dass es noch nicht vorbei war. Sein neues Ziel war die Fackel im Schilf – Leomara.

Er lief einige Schritte weiter und kam ans Ufer, dann sah er etwas auf dem Boden, das aus der Dunkelheit im Schilf schnell auf ihn zu kam. Bevor er reagieren konnte, war es schon links an ihm vorbei gerannt. Seine Gedanken waren noch kurz bei diesen schweineähnlichen Schemen als ihm plötzlich etwas derbe – mit einem lauten Gruntzer – seitlich gegen den rechten Fuß stieß. Er strauchelte, konnte jedoch sich nach zwei, drei stolpernden Schritten wieder fangen. Er blieb stehen, sein Schwert hatte er verloren. Dies steckte schräg im Boden bei Schilf. Zum Glück hatte er festes Stiefelwerk an, dennoch schmerzte der Fuß ein wenig. Mit einem Schritt war er beim Schwert und zog es aus dem Dreck. ‚Schweinerei’, durchfuhr es in seinem Kopf. Er lächelte. ‚Im wahrsten Sinne des Wortes’, fügte er seinem Gedanken bei und blickte sich um. ‚Na, wo bist du hin mein Schweinchen?’



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Texte der Hauptreihe:
30. Ing 1032 BF zur nächtlichen Rahjastunde
Lebendiges Schilf
Einsame Wacht


Kapitel 28

Fehltritt mit Folgen
Autor: Alex N.,Eslam, Hermann K.,Nicole R., Marcus F., Robert O.