Geschichten:Grauen am Darpat - Einsame Wacht

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Dramatis Personae


Die Wacht am Darpat

Vom Fluss aus

Ruhig und kräftig waren die Ruderschläge, die die Boote immer näher an den Ort ihrer neuerlichen Spurensuche brachten. Gleichmäßig glitten sie auf dem gemächlich fließenden Strom dahin. Es war still geworden auf dem Darpat. Einzig die Geräusche die sie selbst verursachten konnte die Gruppe überdeutlich wahrnehmen. Nur selten hatte sie geglaubt auch einmal Geräusche der Männer zu vernehmen, die sich auf der Landseite in Richtung des Turmes bewegten. Vielleicht gab es ja einen Weg. Das würde erklären, weshalb es so still war. Die Wasservögel die sie bisweilen in ihren Nestern oder an den wenigen sandigen Uferbereichen gesehen hatten, hatten allesamt ihre Schnäbel in das Gefieder vergraben. Das Schilf stand still und unbewegt an beiden Uferlinien. Kein Wind bewegte die Halme, sodass auch von dort kein Rascheln zu vernehmen war. Immer größer wurde nun der schwarze Schatten, der vor ihnen dräute. Der Turm ragte nicht mehr weit entfernt auf einem kleinen Hügel auf. Er stand frei, so dass seine Besatzung einen guten Blick auf das Wasser hatte. Im Näher kommen war zu erkennen, dass seitlich ein kleines Gebäude angebaut war. Weder aus diesem, noch aus dem Turm war ein Geräusch zu vernehmen. Auch Licht oder Rauch konnte keiner der sich in den Booten darum mühte erkennen.

Sehr schemenhaft war inzwischen von der Wasserseite aus zu erkennen, dass wohl eine Art Steg in den Darpat existierte, auf den die Ruderer zielstrebig zuhielten. Der umgebende Uferbewuchs hatte ihn fast schon wieder völlig überwuchert. An einige Stellen brach Schilf und Röhricht zwischen den Belagsplanken des Stegs hervor. Schon vor dem Anlegen zogen beide Männer die Ruder ein. Arn zog sich die Beinkleider aus.

"Das is` ja alles morsch hier. Da kann ich auch gleich ins Wasser." Mit der selbstverständlichen Routine eines Mannes, der ein Leben am Fluss gewohnt war, stieg er ins Wasser, und zog das Boot die letzten Schritte an den Anleger heran in der Hoffnung weiter landeinwärts wäre der Steg weniger zerfressen. Zufrieden grunzend knotete er es schließlich am Steg an, und zog sich selbst daran hoch. "Wird wohl halten." Er war kein Mann der vielen Worte. Leomara grinste ihn kurz an.

"Du bleibst hier bei den Booten mit Tjalf. Keine Heldentaten von euch, wenn die Sache außer Kontrolle gerät, rudert ihr auf die andere Seite und verständigt die Büttel, klar?"

Unswin legte zuerst seinen Bogen auf die Planken, bevor er mit Arns Hilfe aus dem Boot stieg. Es würde noch etwas dauern, bis er sich an diese schaukelnde Nussschale gewöhnt hatte. Sobald er auf den knarrenden Brettern stand drehte er sich um und erbot Leomara seine Hand, auch wenn er sich denken konnte, dass sie seine Hilfe eigentlich nicht brauchen würde.

Lächelnd ergriff sie seine Hand, und zog sich unnötig stark daran hoch. Jetzt grinste sie breit, und stand direkt vor ihm. "Danke..." war jedoch alles was sie sagte. Der Schalk in ihren Augen sprach jedoch Bände.

Tjalf war im Boot geblieben, nachdem klar war, dass der Steg halten würde. Er stakte näher heran und band nun seinerseits das Boot an. Kain sprang daraufhin gewandt an Land und reichte dann erneut Selinde seinen Arm um auch ihr aus dem Boot zu helfen. Seinen Bogen hatte er dabei mit angelegtem Pfeil in der linken Hand. Als die Baroness schließlich an Land war, schritt Kain voran, hielt dann jedoch inne. 
Mittlerweile war es so dunkel geworden, dass er kaum noch etwas sehen konnte. Lediglich die Sterne erhellten sie Szenerie ein wenig, machen das Vorwärtskommen an dem ihm unbekannten Gefilden nicht leichter. An Spurensuche war jetzt nicht mehr zu denken. Kain deutete auf die Fackeln in ihrem Boot und schien Leomara fragend anzublicken. Sie schaute in die sie umgebende Dunkelheit. Es würde nichts ausmachen, andererseits behinderte sie eine Fackel nur. Trotz allem bückte sie sich im umdrehen um die Fackeln aus dem Boot zu holen, doch Unswin war ihr zuvor gekommen. Geschickt entfachte er innerhalb kürzester Zeit die Fackel mit den bereit liegenden Utensilien. Als die Flammen begonnen hatten begierig zu lodern, hatte er sich wieder erhoben und beleuchtete mit erhobenem Arm die Szenerie. Der Steg hatte wahrlich schon bessere Tage gesehen. Selinde hatte sich im flackernden Schein geschickt vorwärts auf dem Holz bewegt, doch nur Kains beherztem Griff hatte sie es zu verdanken, dass sie nicht mit einer gebrochenen Bohle durch den Steg rutschte.

Ein kurzes aber nicht gerade leises „Verdammter Mist!“ entfuhr der Baronesse, nachdem sie beinahe durch den Steg ins Wasser gestürzt wäre. Sie wollte Kain gerade für seine Reaktionsschnelligkeit danken, als sie beide ein Huschen und Rascheln wahrnahmen, dass von allen Seiten zu kommen schien.

„Keine Ahnung, was das ist“, rief Selinde, „aber wir sollten uns für alle Fälle kampfbereit machen!“ Mit diesen Worten zog sie ihr Schwert, nahm eine Verteidigungshaltung ein und harrte der Dinge, die da auf sie zustürmen mochten.

„Immer mit der Ruhe, Euer Wohlgeboren, Ihr erschreckt die Fischer. Ich denke wir haben hier nur ein paar Ratten aufgescheucht die nun verschreckter sein dürften als wir.“ Im Fackelschein sah man hinter Unswin die Bootsleute mit vor Schreck geweiteten Augen und mit hastig gezogenen Knüppeln und Dolchen stehen. Tjalf hielt gar das schwere Ruder halb zur Abwehr erhoben vor der Brust. Der Edelknappe hielt die Fackel höher, damit sie das Schilf vor ihnen besser ausleuchtete, aber was immer sich dort noch vor einem Moment bewegt hatte war verschwunden.

„Es ist wohl dennoch angebracht weiterhin Vorsicht walten zu lassen, bis wir auf die anderen getroffen sind. „Meine Zeit in der Armee hat mich vielleicht ein wenig übervorsichtig werden lassen“, antwortete Selinde nachdenklich“, aber andererseits hat es sicherlich nicht geschadet, den ganzen Irrsinn der letzten Götterläufe einigermaßen unbeschadet an Körper und Seele zu überleben.“ Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Trotzdem seltsam, hier auf so viele Ratten zu treffen.“

"Am Ufärr sieht man sie oft. Abär wir solltän trotzdäm vorsichtisch sain." Kain folgte ihren Schritten, sicherte aber dabei die ganze Zeit die Umgebung. Das rascheln war noch nicht völlig vergangen. Tiefer im Schilf hörte man nun auch derartige Geräusche.

Mehr schlecht als recht taste sich die Vellbergerin weiter vor, ständig bemüht, auf dem ebenso glatten wie fragilen Steg einen Sturz zu vermeiden, was ihr einige Male nur mit Mühe gelang. Angestrengt versuchte sie in dem spärlichen Licht den Weg vor sich zu erkennen, während sie langsam einen Schritt vor dem anderen setzte. Dabei prüfte sie zunächst die Tragfähigkeit der Bohlen durch vorsichtiges Aufsetzen ihres Fußes, bevor sie diesen zur Gänze belastete.

„Wir sollten mindestens anderthalb Schritt Abstand voneinander halten, damit dieses klapprige Konstrukt nicht unter unserem Gewicht zusammenbricht!“ rief sie den Übrigen zu. Ihr Schwert steckte die Baronesse wieder ein; dessen Gebrauch würde sie auf diesem Untergrund wahrscheinlich eher behindern als alles andere. Stattdessen zog sie ihren Dolch und versuchte, damit zumindest den hinderlichsten Bewuchs auf dem Steg zu entfernen, was zwar einige Zeit dauerte, dafür aber die Gefahr des Stolperns für die Gruppe deutlich reduzierte. So nahm es nicht wunder, dass Selinde diese wenigen Schritte fast wie eine kleine Ewigkeit vorkamen.

Kain ließ die Baroness gewähren. An Spuren war dabei zwar nicht mehr zu denken, aber wenn sie am Ufer sein würden, könnte er seine Suche wieder fortführen. Solange begnügte er sich zunächst damit die Vellbergerin im Auge zu behalten, entschloss sich dann aber ihr zur Hand zu gehen.

„Soll ich waitermachen?“ Fragte er sie und trat – so dicht es der wackelige Kai erlaubte ohne einzubrechen – an die Baroness. Tief atmete er den Duft ihres Haars ein, oder hoffte dies in seiner Vorstellung. Allerdings musste er husten, drang doch ein leichter, aber umso heftig stinkender Geruch in seine Nase.

Hatte Selinde den Bewuchs für ihr Vorankommen ausreichend entfernt, so war es doch für die Fackel noch ein wenig eng. Unswin übergab diese schließlich doch an Leomara, und ging nun seinerseits an ihren Platz um mit seinem Schwert Kopffreiheit zu schaffen. Da die Gnitzenkuhler Ritterin außer dem Bogen nur ihr Kurzschwert an sich hatte, erschien ihm das nur ein sinnvoller Tausch. Das brackige Wasser unter dem Steg stank unangenehm und lud nicht dazu ein auf dem Steg länger als nötig zu verweilen.

„Puh, was ist das?“ Angewidert rümpfte Unswin die Nase. Im ersten Moment dachte er, dass dieser Kain unter Blähungen litt, doch dann wurde der schweflige Geruch zu intensiv um von dem Jäger vor ihm zu stammen. Es sei denn natürlich, die Nebachoten hätten ein ganz spezielles Verdauungssystem. Für den Moment schloss der Edelknappe seinen Vordermann jedoch als Quelle des Gestanks aus und schaute umso aufmerksamer in das Schilf, welches zu beiden Seiten hoch aufragte. Was auch immer diesen Geruch ausstrahlte, konnte nicht sehr weit von ihnen entfernt sein.

Daher trieb auch Leomara zur Eile an. "Kain, Selinde, eilt euch, ich mag hier kein Lager aufschlagen. Ich will zu diesem Turm!" „Verständlich“, antwortete Selinde knapp, die von dieser Gegend schon jetzt mehr als genug hatte und zog das Tempo, kaum dass sie endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, an, um zu Leomara und den Übrigen aufzuschließen. Kain zögerte etwas, schloss dann aber ebenfalls auf. Das was er eben geglaubt hatte zu sehen, war sicherlich ein Trugbild, hervorgerufen durch das tanzende Licht der Fackel.

Als sie endlich am Ende des Steges angekommen waren, konnten sie einen Blick auf den Bau werfen. Er war rund, zwei Stockwerke hoch und Zinnenbewehrt. Die Schemen oben ließen erkennen, dass sich eine große Anzahl Krähen auf ihm niedergelassen hatten. Sie traten hinaus auf die Fläche und konnten nun die Schemen von Männern ausmachen, die sich um den Turm herum bewegten.


Vom Ufer aus

Die drei Männer kamen gut vorwärts. Da auch sie sich entschlossen hatten, sich dem Turm offen zu nähern, konnten sie auf der nur leicht ansteigenden Ebene weit ausholen. Lediglich die Spurensuche Kor’wins sorgte für Verzögerungen. Doch wollte der Nebachote nicht darauf verzichten, damit ihnen nicht etwas eine wichtige Spur entgehen würde. Um sie herum war es still geworden. Lediglich die eigenen Schritte, das Rasseln des Kettenpanzers Alexis und das eigene Atmen der Männer waren zu hören. Ansonsten blieb alles ruhig. Mit jedem Schritt, den sich die Männer dem Turm näherten, brach auch die Nacht ein Stück mehr hinein. Besorgt blickte Marnion immer mal wieder gen Alveran. Kor’win sollte wohl recht behalten, bis sie beim Turm angelangt waren, war die Nacht sicher über ihnen. Der Weg führte sie immer mal wieder etwas vom Fluss weg, nur um dann später wieder recht nahe das Ufer zu streifen, so dass sie die Boote nicht gänzlich aus den Augen verloren.

„Seltsam“, meinte der Rondrageweihte irgendwann. „Es ist immer noch alles ruhig. Mittlerweile sollten sie unser doch schon gewahr worden sein.“

„Auch Licht brennt noch keines, obwohl in dem Turm und um Haus sicherlich schon nichts mehr zu sehen sein dürfte.“ Ergänzte Marnion.

„Und ich richä nichts. Kein Feuär im Kamin.“ Brummte auch Kor’win. Alles schien verlassen oder eine Falle zu sein. Aber wozu? Sie konnten jetzt die dunklen Umrisse des Turms gut in der einsetzenden Dunkelheit erkennen. An dem Turm schien ein kleines Haus gebaut worden zu sein. Offenbar für eine eventuelle Besatzung und dessen Kleinvieh. Doch auch von diesen war kein Laut zu hören.

Plötzlich ließ Kor’win die kleine Gruppe abrupt anhalten. Stumm deutete er auf eine breite Schleifspur, die über die Landschaft führte. Sogleich ging der Nebachote in die Hocke und tastete die Landschaft mit seinen Augen ab. Bewegte sich irgendwo etwas?

Als er entschied, dass anscheinend alles ruhig war, erhob er sich wieder und ging langsam auf die Spur zu. Auch Marnion und Alexis erkannten, dass es die gleiche Spur war, die sie bereits bei den Schafen gefunden hatten. Stumm deutete Kor’win auf eine dunkle Stelle, an der anscheinend ein rötliche Flüssigkeit getrocknet war und hob dabei einen zersplitterten Fingernagel auf. Selbst der Laie erkannte die Furchen im Gras und Erdreich, die jemand machte, der sich mit den Fingern am Boden festkrallte und gegen seinen Willen erbarmungslos an den Füßen zurückgezogen wird. Kor’win deutete an, der Spur zu folgen, während die anderen die Umgebung im Auge behielten. Marnion entdeckte noch weitere von den breiten Schleifspuren, so als sei das ‚Ding‘ immer wieder vom Turm weg und dorthin zurück. Eventuell um Flüchtlingen nachzusetzen?

Er machte Kor`win mit einem Winken auf die Spuren aufmerksam, da sah der Nebachote bei einem sichernden Blick ein Licht im Schilf aufflammen. Gleich darauf vernahm er Geräusche vom Schilf her. Marnion deutete dem herannahenden Kor`win mit der Hand zum Licht und sprach leise. „Unsere Gefährten sind angekommen. Wollen wir sie zu uns aufschließen lassen?”

Mit einer raschen Geste unterbrach der Jäger den Kelsensteiner. Erneut tastete er die Landschaft mit seinen Augen ab. Irgendetwas stimmte hier nicht und sie mussten herausfinden was es war. War das Wesen eventuell noch hier? Der Turm, oder das Haus sein Unterschlupf? Die Spuren, die sie gefunden hatten, waren jedenfalls etwas älter, als jene, die sie bei dem Hirtenjungen untersucht hatten. Kor’win schüttelte nur leicht den Kopf und deutete dann Marnion und Alexis an die Umgebung und besonders den Turm im Auge zu behalten. Er selbst ging flink und in gebeugter Haltung zu einer der anderen Spuren, auf die der Kelsensteiner ihn aufmerksam gemacht hatte.

Dabei entglitt ihm ein entsetzter Ausruf. Eine abgerissene Hand lag direkt neben einem riesigen Fußabdruck, der sich wiederum neben der bekannten Schleifspur befand. Aus dem Schilf konnten sie einen Ruf vernehmen, der jedoch nicht laut genug war, um seinen Inhalt zu verstehen. Alexis tat wie ihm gesagt wurde. Zwar war er keine ‚Autorität’, jedoch kannte sich Kor’win hier in der Natur entschieden besser aus als er selbst.

Dann ertönten Geräusche aus dem Schilf. Alexis blickte in die Richtung und legte seine Hand an sein Schwert. Als er erkannte, dass es sich um die Gefährten handelte, nahm er seine Hand vom Schwert. Doch der Ausruf von Kor’win ließ seinen Blick wenden und mit wenigen Schritten war Alexis bei ihm. „Kor’win, was habt ihr gefunden?“ Der Jäger deutete auf die Hand und den Fußabdruck. Dabei murmelte er etwas von ‚Echse‘ oder „riesiger Gecko‘. Kor’win legte seinen Unterarm neben den Fußabdruck und blickte mit ernsten Augen Alexis an. Sein Unterarm reichte nicht gänzlich von Ballen bis zur Kralle. Das Vieh musste wirklich sehr groß sein.

„Sucht weiter, Kor’win“, Alexis klopfte ihm ermutigend auf die Schulter, „vielleicht findet ihr weitere Spuren. Ich gehe wieder auf meinen Posten, sagt Bescheid, wenn ihr Hilfe benötigt.“ Dann stand er wieder auf und ging zurück zu Marnion.

Marnion sicherte nun noch intensiver zum Turm hin ab, und warf nur kurze Blicke zu Kor`win und den Gefährten beim Schilf. Alexis und Kor`win waren durch einen Fund abgelenkt, so dass nur mehr er darauf achtete was die Schatten um sie herum verbergen mochten. Solange die Gefährten noch nicht heran kamen, waren sie hier auch auf freier Fläche nicht sicher und schon gar nicht unten im Schilf. Unwillkürlich richtete er seine Sinne auch manches Mal nach oben. Er war es aus seiner Heimat zu sehr gewohnt, dass größere Gefahren aus der Luft drohten. Die Luft lag still. Sie alle machten zu viele Geräusche. Wenn das Wesen hier war dann war es bereits auf dem Weg. Auf dem Weg zu ihnen als leichter Beute. Immerhin er würde sich nicht mit der Fischerkleidung verkleiden müssen um das Wesen anzulocken. Das machte die Dinge einfacher. Er versuchte die Geräusche der Gefährten auszublenden und horchte aufmerksam in die Nacht hinein. Dabei ging er etwas in die Hocke und legte die Armbrust an. Insbesondere lauschte er nach einem schleifenden Geräusch oder einem Windhauch im Gras, so stellte er sich nach dem was er wusste die Annäherung des Wesens vor.


Am Turm

Die Rittfrau aus Gnitzenkuhl ignorierte die vor ihr stehenden und ging geradewegs mit der Fackel in der Hand auf den Turm zu. Sie hatte es schließlich angekündigt, dass sie genau das vor hatte, darum hielt sie es nicht für nötig jemanden über ihre Pläne zu informieren.

Zielgerichtet ging sie in gerader Linie auf die Tür zu. Ihre Fackel erhellte nur spärlich das Dunkel. Mehrere Ratten suchten huschend das Weite als sie sich auf den Weg zum Turm machte, der auf einer natürlichen Erhöhung lag. Ein guter Ausguck auf den Darpat zugegeben, aber er verfügte über keinerlei ernsthafte Befestigungsanlagen, sodass er sicher mehr eine abschreckende Wirkung haben sollte, oder eben nur dazu diente früh informiert zu sein, wenn Gefahr vom Darpat aus drohte. Sie baute sich in einigen Schritten Entfernung vor dem Gemäuer auf. "He da. Ist da wer?" Sie lauschte auf eine Antwort und reckte den Kopf in die Höhe, als ob sie fast erwartete eine Stimme von oben zu vernehmen.

Marnion freute sich Leomara zu sehen. Allerdings wurde seine Freude durch die Fackel getrübt, die sie in ihrer Hand trug. Das Licht blendete ihn und warf zuckende Schatten über den ganzen Hügel. Sie war ihren Gefährten enteilt. Marnion gab seine nun sinnlose Wachposition auf und schloss die Lücke zwischen ihnen und Leomara. Die Folge davon war, dass er nun ebenfalls alleine in der Dunkelheit stand. Langsam schloss er zu Leomara auf, möglichst ohne in das Licht zu sehen und behielt Kor’win im Auge bis die anderen von den Booten bei ihnen ankamen.

Der Rondrageweihte berichtete von Kor’wins Funden und wies in die Richtung, wo der Jäger nach weiteren Spuren suchte. Langsam folgte auch dieser, der auf ein paar seltsame, kleine Ballen, oder Häufchen aufmerksam machte, die rund um das Haus zu liegen schienen.

Selinde hatte den Turm eingehend betrachtet und war – dem Ernst der Lage zum Trotze – fast versucht zu schmunzeln: Die Szenerie sah genauso aus, wie sich Klein-Alrik den Wohnort eines Schwarzmagiers vorstellte! Fehlte nur noch, dass dieser hinaustrat und den Streitern finstere Drohungen oder Verwünschungen entgegenschleuderte. Rasch hatte sich die Baronesse aber wieder gefangen. Mittlerweile hatte sie den Rest der Gruppe erreicht und wartete in deren Nähe angespannt darauf, welche Reaktion aus dem Turm auf Leomaras Frage folgen würde.

Der Edelknappe hatte in der Zwischenzeit einen Pfeil eingelegt und war knapp außerhalb des Lichtscheins der Fackel hinter ihr her geschritten. Dadurch war er kaum zu sehen und wurde selbst nicht durch das Licht der Fackel geblendet. Sein Blick lag indes lauernd auf dem dunklen Gemäuer. Sollte das hier wirklich ein Wachturm sein, so schien die Wachmannschaft ihre Aufgabe nicht sehr ernst zu nehmen. Wenn sie in Greifenfurt die Wacht am Finsterkamm so lasch handhaben würden, wäre das Reich längst in den Händen der Schwarzpelze. Kurz wanderten Unswins Gedanken zu seiner Schwester auf der düsteren Burg in den schwarzen Bergen, doch Marnions schwere Schritte holten ihn schnell wieder zurück. Reflexartig hob er den Bogen, doch leider war der Nebachote so eindeutig nicht das Untier, als dass Unswin einen Schuss mit einem Versehen hätte erklären können. Missmutig wandte er sich wieder dem Turm zu und vertraute darauf, dass Leomara dem Kelsensteiner auf sein Süßholzgeraspel die rechte Antwort geben würde. Doch alles blieb still. Lediglich ein paar Fledermäuse schien von Leomaras Ruf aufgeschreckt worden zu sein. Selinde erkannte den Geruch als erstes…. Süßlich, modrig. Der Tod hatte hier Einzug gefunden.

Die Baronesse musste erst einmal schlucken; auch wenn sie diesen Geruch aus ihrer Armeezeit mehr als gut kannte. Gewöhnen hatte sie sich allerdings nie daran können. Erneut zog sie ihr Schwert, nahm die nähere Umgebung so gut es ging in Augenschein und wartete darauf, was die Anderen noch erkennen oder finden mochten. Kain, der neben Unswin aus der Dunkelheit aufgetaucht war, deutete diesem in Richtung der Turmtür. Diese schien nur noch halb in den Angeln zu hängen, während der übrige Teil in den Innenraum des Turms geborsten zu sein scheint.

Mit einem knappen Nicken zeigte der Ordensknappe dem jungen Jäger an, dass er verstanden hatte. Der Geruch der ihm entgegenschlug erinnerte ihn frappierend an jene kleine Holzfällerhütte an der er mit seinem Vater einmal bei der Jagd vorbeigeritten war. Niemand war gekommen sie zu begrüßen. Stattdessen hatten sie hinter dem Haus die geschändeten, geköpften und gepfählten Leichen der Familie gefunden. Die Schwarzpelze waren mindestens eine Woche vorher dagewesen und die Krähen hatten ihr Werk längst vollbracht. Die Gesichter waren nur mehr zerfetzte Fratzen gewesen.

Für einen Moment schloss Unswin die Augen um das Bild aus seinen Gedanken zu bekommen. Den Bogen zur Hälfte gespannt näherte er sich vorsichtig der zerstörten Tür, aufs Äußerste darauf konzentriert sofort auf jede Bewegung vor sich zu reagieren. Auf der anderen Seite stieß Kor’win gegen einen dieser Ballen und erkannte, dass es sich um den Teil eines Ferkels handelte, das irgendjemand oder irgendetwas in zwei Teile gerissen hatte.

Der Geweihte Alexis Colon war draußen und behielt im trüben Mondlicht die Umgebung im Auge. Dabei ging er in Richtung des Nebengebäudes um sich dort ein Bild machen zu können. Zwar war die Situation nicht einzuschätzen, doch hatte er sein Schwert noch nicht gezogen. Mit dem Schwert voran war nicht immer die beste Variante an eine Sache gehen, wie es einst das Schwert der Schwerter ihm persönlich versicherte. Sollte jedoch etwas passieren, war der Weg zum Turm nicht weit.

Marnion nahm den Bolzen aus seiner Armbrust und lehnte sie vorsichtig an den Turm. Er wusste, was er wissen musste. Die geborstene Tür und der an diesem Ort allgegenwärtige Bruder Tod sprachen ihre eigene Sprache. Die Schwachstelle der Wehranlage hatte nicht stand gehalten. Immerhin war der oder die Angreifer nicht derart übermächtig, das es gleich den Turm eingerissen hatte. Sie würden länger hier bleiben um Spuren zu sichern, da galt es im Falle eines Angriffs die eigene Position zu verbessern. Der Turm mochte immer noch einen gewissen Schutz bieten, wenn es gelang die Türe zu verbarrikadieren. Der Kelsenburger nahm sich ein geeignet scheinendes Holz aus den Trümmern der geborstenen Tür, wickelte ein in der Nähe liegendes Stück Stoff mit dunklen Flecken um das Holz, ohne sich groß um dessen Herkunft zu kümmern, und trat zu Leomara. Mit den Worten "Mit Verlaub, Euer Wohlgeboren, lasst mich doch Anteil haben an Eurem Feuer”, hielt er seine improvisierte Fackel an die Ihre und sah Ihr dabei tief in die Augen. Die Betonung auf ‚Ihrem Feuer’ ließ seine Bitte durchaus zweideutig klingen.

Kain hatte diesem Wortwechsel keine Beachtung geschenkt. Mit jedem Schritt, den er dem Turm näher gekommen war, hatte er sich mehr auf ihre tatsächliche Aufgabe konzentriert. Das ansonsten so überheblich wirkende Lächeln war aus seinem Gesicht verschwunden. Vielmehr deckte er die Flanke und näherte sich langsam der geborstenen Tür im Turm.

Die Rittfrau sah derweil Marnion von Kelsenstein ziemlich verblüfft an. Ihre Gedanken hatten sich wohl gerade mit völlig anderen Dingen beschäftigt, doch die Doppeldeutigkeit seiner Worte waren ihr nicht entgangen. Der Fackelschein erhellte ihr Antlitz, doch es fiel Marnion schwer zu deuten, wie sie seine Worte aufnahm. Wortlos hielt sie ihm die Fackel hin, derweil sie ihn vorsichtig musterte.

Bisher hatte sie seine Kommentare nicht wirklich ernst genommen. Sie war es gewohnt, dass ihr die Nebachoten aus welchem Grund auch immer meist mit einer gewissen Neugier und männlichem Imponiergehabe begegneten. Doch das hier, hinterließ bei ihr inzwischen den Eindruck, dass Marnion nicht nur Interesse daran hatte sich mit ihr zu messen, und sich als Krieger zu produzieren. Doch nun war weder der rechte Ort, noch die rechte Zeit, um derartige Dinge zu klären, darum schwieg sie nur, und drehte sich um die eigene Achse. Ihre Wangen hatten eine gesunde Röte bekommen, nachdem ihr gedämmert war, um welches Feuer außer der Fackel es sich noch handeln könnte. Eine angemessene Antwort hätte den Rondrageweihten sicher nicht entzückt.

Danach begab sich Marnion mit Fackel und Kurzschwert in der Hand zum Nebengebäude um sich nach geeignetem Material umzusehen. ‚Am besten wäre wohl ein Wagen zum Umwerfen und verkeilen’, dachte er während er sich auf die Suche machte.

Kaum war sie los gelaufen, hatte sie bemerkt, dass der Junker scheinbar die gleiche Intention verfolgte, wie sie. Jetzt war sie ernstlich irritiert. Konnte er jetzt schon ihre Gedanken lesen? Missmutig brummend änderte sie ihre Richtung, und schloss sich stattdessen denjenigen an, die sich den Turm und seine Umgebung näher besahen. Er sollte ja nicht den Eindruck gewinnen, dass sie ihm nachlief wie ein Hündchen, nach dieser unverschämt zweideutigen Anrede.

Wütend drehte sich Unswin um. In der Stille die sie umgab hatte er die Worte des Nebachoten deutlich gehört und auch wenn die Aussprache der Wilden sehr roh artikuliert war, so hatte er doch genug Zeit in zweifelhafter Gesellschaft verbracht um den mehrdeutigen Ton zu verstehen. Mit grimmer Zufriedenheit stellte er fest, dass Leomara Marnion mit kaltem Schweigen bedachte und in keinster Weise auf seine Anzüglichkeiten einging. Gerade als er sich wieder dem Turm zuwenden wollte, hörte er den Schrei vom Fluss.



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Texte der Hauptreihe:
30. Ing 1032 BF zur nächtlichen Ingerimmstunde
Einsame Wacht
Wiedervereint durch die Nacht


Kapitel 27

Lebendiges Schilf
Autor: Alex N.,Eslam, Hermann K.,Nicole R., Marcus F., Robert O.