Geschichten:Grauen am Darpat - Letzte Absprachen

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Dramatis Personae


Junkertum Kaltengrundt

Wie angekündigt dauerte es nicht übermäßig lange, bis die Isenbrunnerin sich wieder zu ihnen in den Speisesaal begeben hatte. Sie entschuldigte sich für ihre Verspätung und berichtete, dass der alte Jäger wohl nur einen tiefen Schlaf gehabt hatte, der ihre morgendliche Verabredung überdauert hatte. Die Art und Weise wie sie dies geradezu beiläufig erwähnte ließ einige Wenige jedoch aufhorchen. Sie schaute keinem direkt ins Gesicht, sondern versuchte sich auf ihr Frühstück zu besinnen.

Unswin hatte Leomara direkt bei ihrer Rückkehr wieder ins Auge gefasst. Ihre Verlegenheit und die unbeholfene Ausrede waren ihm nicht entgangen, doch war hier bei Tisch sicherlich nicht der rechte Ort sie in dieser Frage vor allen bloß zu stellen. Trotzdem wuchs seine Beunruhigung. Hatten sich ihre Befürchtungen bezüglich ihres Bruders bestätigt? Hatte sich der Kelsensteiner wieder daneben benommen? Wie passte Kor’win dabei ins Bild? Irgendetwas musste in der Nacht geschehen sein was er verschlafen hatte und der Novize wollte wissen was es war.

Mit einem erneuten Quietschen öffnete sich die Tür und der Kelsensteiner Junker und auch Kor’win traten ein.

„Wünsche wohl geruht zu haben Wohlgeboren.“ Die Baronin sah fragend ihre Ritterin an wusste sie doch mit Kor’win so wenig anzufangen wie mit dem anderen Nebachoten. Marnion erwiederte Ihren Gruß standesgemäß ohne viel Wert auf die geringe Aufmerksamkeit zu legen, die ihm die Baronin entgegen brachte. Mit leisen Worten erklärte ihr Leomara die Zusammenhänge die zu der Zusammenarbeit geführt hatten. Skeptische Blicke musterten nun die beiden Jäger. Auf Kain schien er besonders lange zu ruhen.

Als sich Kain dessen bewußt wurde, erwiderte er den Blick der Baronin unverhohlen. Gekonnt zog er sie dabei, vor seinem geistigen Auge aus und lächelte dabei herausfordernd. Oh ja, dachte er sich, die da wäre ein Frevel wert.

Dem Augenduell hielt die Baronin mühelos stand. Ihre dunklen Augen drückten Überraschung aus, als er unverholen weiter starrte.

Der Edelknappe sah ebenso skeptisch zu den Nebachoten hinüber wie Geshla. Nachträglich fiel ihm auf, dass Kain zuvor allein zum Frühstück gekommen war. Dass Kor’win und Marnion jetzt hier gemeinsam auftauchten nachdem Leomara den alten Jäger aufgesucht hatte ließ bei ihm die Alarmglocken läuten. Was war hier passiert? Kor’win grüßte dabei die Runde mit einem kurzen Nicken. Als er sich setzte, schien er Geshla erst richtig wahrzunehmen.

„Die Getter mit Euch.“ Murmelte er ihr eine Begrüßung zu und war jetzt froh, dass er ihr nicht direkt gegenüber saß. Als der alte Nebachote jedoch bemerkte, wie Kain sie ansah, stieß er diesem einen Ellenbogen in die Rippen, so dass Kain schmerzvoll zusammenfuhr.


„Oh äntschuldige.“ Meinte er daraufhin trocken zu seinem Schüler. „Wie ungäschickt von mir.“

***

Nach einer knappen Stunde kehrte die Vellbergerin in den Saal zurück und richtete das Wort an alle anwesenden Mitstreiter.

„Ich habe eben eine Zusammenfassung der Ereignisse an der Grenzwacht für die Baronin zu Bergthann erstellt. Bevor der Bericht, zusammen mit den Gefangenen, auf die Reise geht, möchte ich euch allen noch Gelegenheit geben, einmal drüberzuschauen, um sicherzustellen, dass nichts wichtiges vergessen oder falsch wiedergegeben wurde.“ Nach einer kurzen Pause begann sie mit der Verlesung des Dokumentes und schaute dann die übrigen Anwesenden fragend an.

Baronin Geshla nickte nur dazu, und las weiter das Schriftstück.

„Wohlfeil formuliert Baroness. Das wird sicher die vollste Zustimmung der geschätzten Nachbarin finden. Man merkt gleich, aus welchem Hause ihr stammt.“ Sie reichte das Pergament an Leomara weiter.

„Da nun fast alle versammelt sind, und ich noch einmal auf die Burg reite wollte ich erwähnt haben, dass mein Weg mich am Mittag gen Bergthann führen wird. Wer mich begleiten möchte, kann dies gerne tun. Der Ordensritter und seine Begleiter werden ihre Schritte gen Dergelmund und Perricum lenken."

Der Novize nickte nur zustimmend zu dem Schriftstück. Der Stil war präzise und schnörkellos, es war nichts Relevantes ausgelassen oder hinzugefügt worden. In aller Klarheit führte er vor Augen, dass sie eigentlich noch immer die Nadel im Heuhaufen suchten. Wenn die Gruppe aus Sabdonn nicht mit einigen Antworten zurückkam, würden sie in Dergelmund der nächsten vagen Spur hinterher hecheln müssen. Wo blieben nur Kapitän Hakon und der Bruder Taseco? Immerhin kamen sie damit Perricum näher und würden damit ihre Audienz auf der Löwenburg nicht verpassen. Denn so gerne Unswin auch länger in Gnitzenkuhl bei Leomara verweilen wollte, so stimmte er doch mit seinem Ordensbruder darin überein, dass man ihre Erhabenheit in der Löwenburg besser nicht unnötig warten ließ.

„Präzise!“ Kommentierte auch Alexis. Der Geweihte hielt die Hand in Richtung des Schriftstücks.

„Wir sollten als Zeugen unterzeichnen, um eventuelle Fragen bereits im Vorfeld aus dem Weg zu räumen. Allerdings sollte von Isenbrunn ebenfalls noch mal drüber schauen und auch seine Wohlgeboren von Kelstenstein.“

Leomaras Blick, der eben noch dem Dokument gegolten hatte, ging nach oben und an alle gerichtet sprach sie weiter.

„Dem Bericht ist nichts hinzuzufügen denke ich. Der Schreiber sollte ihn noch kopieren und Kapitän Hakon das Exemplar aushändigen, damit auch er in schriftlicher Form etwas von uns in Händen hat.“

Sie überließ es ihrem Knappen das Dokument Marnion zu geben. Dieser überflog das Schreiben und schloss sich nickend dem Urteil der anderen an. „Ihre Hochgeboren hat es auf den Punkt gebracht.” Dann gab er das Schriftstück an den Knappen zur Weiterleitung zurück.

„Es freut mich, dass ich anscheinend im Bericht den rechten Ton getroffen habe,“ fasste Selinde die bisherigen Aussagen zu dem Dokument zusammen und schaute die Anwesenden, die sie im Laufe der Zeit kennen- und schätzen gelernt hatte, der Reihe nach an.

„Ich werde das Schreiben jedenfalls gleich für den Kapitän kopieren lassen und dann beide Exemplare siegeln und ihnen so Echtheit verleihen. Was das weitere Vorgehen angeht, so würde ich gerne die Spur in oder bei Dergelmund weiterverfolgen wollen. Wer wäre da denn mit von der Partie?“

***

Gedankenverloren starrte die Ritterin dann aus dem Fenster. Wohin würde ihr Bruder wohl geritten sein? Sie konnte nur hoffen, dass Kor’wins Wahl beim Versteck gut gewesen war. Im Geiste ging sie die Möglichkeiten eines Versteckes durch und setzte sie in Beziehung zu ihrem Bruder. Bei den Nebachoten: Kor’win würde seinen Herrn in Brendiltal sicher nicht mit dem Ballast eines Mannes beladen wollen, der selbst unter den Ihrigen als absonderlich galt. Die Raulschen: Die einzige Person, mit der Leomara den alten Jäger unweigerlich in Verbindung brachte war ihre Schwertmutter. Hatte sie mit Quanion darüber gesprochen? Wusste er über die Verbindung zwischen ihr und Kor’win? Wie stand es mit Gasthäusern oder Tavernen? Würde er die verletzte Frau einfach in einer Schenke lassen? Diese Möglichkeit verwarf sie sogleich wieder. Das erschien am unwahrscheinlichsten. Was blieb dann noch? Wieder ließ sie ihren Blick über die Gäste schweifen. Unweigerlich blieb ihr Blick dabei auf Unswin haften. Jetzt erst registrierte sie, dass er sie aufmerksam beobachtete. Sie warf ihm ein zaghaftes Lächeln zu, das der Novize in Abwesenheit von Leomaras männlicher Verwandtschaft offener erwiderte als zuvor.

Der Schmerz in der Herzgegend setzte wieder ein. Was, wenn auch er auf dem Schlachtfeld bleiben würde. Sie zwang sich den Blick zu senken. Eigentlich wollte sie ihrem Knappen ja noch etwas auftragen. Sie winkte ihn rasch herbei, und trug ihm eilig einige Dinge auf. Verwirrt, aber ohne weitere Nachfragen verließ er zielstrebig den Raum.

Dann zwang sie sich etwas zu essen. Sie tat es mehr aus der Gewissheit heraus, dass es sein musste, und nicht aus dem Verlangen oder Hunger. Geshlas Aufmerksamkeit war heute nicht die beste, also schaute sie wieder ihren Geliebten an. Hier saß er, an ihrem Tisch und doch so weit weg wie nur möglich. Dann fiel ihr ein, was sie gestern nicht mehr tun konnte. Ihre Mutter, genau, diese Unterhaltung musste sie so schnell es ging noch führen. Beide Männer waren nicht anwesend, diese Chance musste man nutzen.

Dann traf sie die Erkenntnis einigermaßen unvorbereitet- Rahja! Bei Unswins Anblick mussten ihre Gedanken wie von selbst ins Tal der gütigen Schwestern gereist sein. Würde ihr Bruder dort hin wollen? Konnte es sein, dass Kor’win Ta’ira dort hin gebracht hatte? Ein langer Weg für die verletzte Frau. Sie musterte ihn. Schatten lagen unter seinen Augen. Viel geschlafen hatte er sicher nicht.

„Werde ich euch begleiten?“ fragte Leomara schließlich die Baronin, die scheinbar schon drauf und dran war aufzubrechen.

„Das wird davon abhängen wie wir reisen werden.“ Mit hochgezogenen Brauen starrte ihr die Baronin unverwandt auf ihre Bauchmitte. Sie war bestens informiert über das Geschick ihrer Ritterin wie es schien. Geshla von Gnitzenkuhl erhob sich und nickte allen zu.

„Ich werde zur Mittagsstunde wieder hier sein.“ Sie warf dem jungen Nebachoten noch einen bedauernden Blick zu. Doch an alle gewandt meinte sie schließlich: „Noch ein erfreuliches Mahl. Ich hoffe wir sehen uns alle spätestens bei meiner Rückkehr aus Bergthann noch einmal. Sollte dies nicht der Fall sein, so möchte ich mich für euren persönlichen Einsatz schon einmal bedanken. Ich werde mir Gedanken machen, inwieweit wir uns erkenntlich zeigen können. Das eigentliche Übel habt ihr vielleicht nicht besiegt, doch wer weiß, vielleicht habt ihr Informationen erhalten, die uns weiter voran bringen. Die Götter mit euch, Rondra voran.“

Energischen Schrittes durchmaß sie den Raum. Ein Hauch von...Maiglöckchen? umwehte die geschulte Nase.

Für einen Moment schaute der Edelknappe Geshla hinterher. In seinen Zügen konnte man eine gewisse Nachdenklichkeit ablesen. Er fragte sich was wohl aus der Frau geworden war, die er noch vor wenigen Tagen als Baronin von Gnitzenkuhl kennen gelernt hatte. Ihr Auftreten heute war so vollkommen anders. Kein übermäßiger Tand, kein gestelztes Gehabe, einfache und zweckmäßige Kleidung und ein dezentes Duftwasser. Fast hätte man annehmen können, sie hätte sich Leomara als Vorbild für diesen Auftritt genommen. Dieser Gedanke belustigte ihn und ließ Unswin süffisant lächeln als sich wieder zu den anderen bei Tisch umwandte.

„Nun ja Baroness.“ Griff Alexis Selindes Frage auf. „Wir selbst werden noch auf unseren Ordensbruder warten und dann in Richtung Perricum aufbrechen. Auch wenn wir uns keine großen Zeitverzögerungen mehr leisten, so sollte ein Umweg über Dergelmund möglich sein, doch hängt dies davon ab, wann die Admiral mit unserem Bruder hier eintreffen wird. Solltet Ihr früher aufbrechen wollen, so würden wir ggf, nachreiten.“

„Gut“, antwortete Selinde, „dann treffen wir uns in Dergelmund. Ich werde euch dort erwarten.“



 Wappen Mittelreich.svg  Wappen Markgrafschaft Perricum.svg   Wappen Baronie Gnitzenkuhl.svg  
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Texte der Hauptreihe:
2. Rah 1032 BF zur mittäglichen Ingerimmstunde
Letzte Absprachen
Herzklopfen


Kapitel 67

Abschiedsworte
Autor: Alex N., Eslam, Hermann K., Nicole R., Marcus F., Robert O.