Geschichten:Vertraute der Krone - Erkenntnisse

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26. Tsa 1038 BF, Schloß Hohenlinden, Gareth

Die Magd brachte heißen Würzwein und Gebäck und stellte alles auf das kleine Tischchen neben den Sesseln. Die beiden Männer, die am Kamin saßen, genoßen die wohlige Wärme, während Firun draußen noch enmal seine Macht mit einem Wintersturm zeigte und die Fensterläden im Wind klappern ließ, bevor er Tsa entgültig den Frühling kommen lassen würde.

Als die Bedienstete das Zimmer verließ, sagte Urion: "Nun sind wir allein. Jetzt kannst Du mir sagen, was du herausgefunden hast, Balrik. Einiges hast Du mir ja schon gesagt, aber ich hätte jetzt gerne einen vollständigen Bericht!"

Der Angesprochene trank erst einen Schluck, bevor er antwortete. Er hatte viel erfahren in den letzten Tagen und vieles von dem hatte ihn erschreckt - vor allem die Anzahl derer, die in hohen Positionen saßen und heimlich für Haffax arbeiten. Das Wort Verräter, nahm Balrik - im Gegensatz zu vielen anderen - nicht in den Mund.

"Als Erstes sollte ich erwähnen, dass Perainor zu Stippwitz" - Balrik verzichtete auf die Erwähnung des Doppelnamens, als er schließlich seinen Bericht begann - "mitnichten verstorben ist. Unserem Heilmagier ist es noch gelungen ihn zu retten. Wir wollten nur den Feind im Glauben lassen, dass das Gegenteil der Fall wäre."

Balrik hatte zusammen mit Burggraf Oldebor, Brin von Pilzhain, Felian von Perainsgarten und dem Magier Parinor von Schellenstein (alles Personen, denen Balrik vertraute) von Bogenbrück aus den flüchtigen Herrn von Stippwitz gejagt. Sie folgten seiner Spur bis nach Nattergrund. Dort hatte er Hilfe von einer befreundeten Hauptfrau der Stadtgarde bekommen, die ihn unbemerkt durch die Stadt brachte. Doch gelang es ihnen dies herauszufinden - die Hauptfrau wurde daraufhin von ihrem Dienst entbunden. Sie hatten anschließend die Spur bis nach Erlenstamm verfolgt, doch dort verlor sie sich. Doch mit der Information der Hauptfrau, dass Perainor vermutlich in Gareth untertauchen wollte, bis die ganze Haffax-Geschichte vorbei wäre, beschlossen sie die große Landstraße in Richtung der Kaiserstadt zu folgen. In der Baronie Retogau konnten sie schließlich die Spur wieder aufnehmen (Perainor hatte einen Verwandten besucht), so dass es nicht mehr lange dauerte, bis sie ihn in der Nachbarbaronie stellten. Dort ging das Pferd des Flüchtigen durch, weil der Magier das Reittier anstatt den Reiter mit einem Zauber belegt hatte (was eigentlich auch keine schlechte Idee war, fand Balrik), so dass dieser vom Pferd stürzte, aber, da er mit einem Bein hängen blieb, über mehrere dutzend Schritt weiter geschliffen wurde.

"Wir haben ihn an einen sicheren Ort gebracht, wo er noch befragt werden kann", sagte Balrik schließlich und Urion nickte. „Viel wichtiger aber ist, dass wir noch weitere Namen jener herausgefunden haben, die für Haffax arbeiten; wenn teilweise auch nur Decknamen. Jungingen war uns ja bereits bekannt, doch nun haben wir fünf weitere eindeutig identifiziert." Balrik zählte auf: "Elbrecht von Trenck, Baron Junkobald von Hirschfurten und die drei Obristen Rahjan von Pfiffenstock, Marbert von Isppernberg und Wallbrord von Löwenhaupt."

"Was?" Urion richtete sich auf. "Allein drei von ihnen sind im Heeresstab! Hast Du Beweise?", fragte Urion aufgebracht.

"Nein, noch nicht", gestand Balrik. "Aber es besteht wenig Zweifel."

„Ich kann nicht ohne eindeutige Beweise Klage gegen einen ehemaligen kaiserlichen Marschall erheben, geschweige denn, einen Adeligen einfach festnehmen lassen." Urion lehnte sich wieder in seinen Sessel zurück. „Nun gut, Balrik", sagte er. "Lass uns mal genau auflisten was wir gegen jeden einzelnen in der Hand haben."

"Natürlich", nickte Balrik. "Es gibt mindestens acht hochrangige Agenten", begann er. "Die Decknamen sind uns alle bekannt. Im Laufe der letzten Monate gelang es uns, mehrere Hinweise zu sammeln, die uns Informationen über die Tätigkeiten oder die Posten der Agenten lieferten."

Im Laufe der nächsten Stunde erklärte Balrik dem Marschall, wie er auf die einzelnen Namen kam. Die Identität des Agenten Sonnenfuchses war Balrik anfangs ein Rätsel gewesen, er wusste nur, dass er ein Junker aus Gareth war. In der Hoffnung, dass Burggraf Oldebor vielleicht eine Idee hätte, hatte er ihm diese Information gegeben und wie sich heraus stellte, war das eine gute Wahl: Auch der Burggraf hatte von diesem Agenten gehört, ein Mann der als Offizier im kaisermärker Aufgebot tätig war. Diese Information reichte, um Oberst Marbert von Ispperberg als Sonnenfuchs zu identifizieren.

Der Agent Streitross war auch relativ leicht heraus zu finden. Er war ein ehemaliger perricumer Grenzreiter, der nun im Stab des perricumer Heermeisters tätig war. Hier gab es nur einen, den auf diese Beschreibungen zutraf: Rahjan von Pfiffenstock. Dass er nun auch im Groß-Garetischen Stab seinen Dienst tat, brauchte Balrik Urion nicht zu sagen.

Da war es schon schwerer die wahren Namen hinter Eisbär und Zwölfender in Erfahrung zu bringen. Das gelang Balrik tatsächlich nur mit Hilfe von Alrik Herdan von Prailind. Tatsächlich erwies sich einer von beiden als ein bereits Verdächtiger: Balrik hatte letztes Jahr, während den Ereignissen in Perricum von einem Stadtrat einen Hinweis zu Wallbrord bekommen. Da ihm aber die Identität des Agenten Seelöwe nicht bekannt war, von dem er aber lediglich wusste, dass dieser ein Angehöriger eben jenes Stadtrates war, hatte er diesem Hinweis nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt, die vielleicht nötig gewesen wäre. Letztendlich sammelten sich jedoch die Hinweise zu Wallbrords Person und der Verdacht wurde schließlich durch Alrik Herdans Mithilfe erhärtet. "Und Wallbrord war auch in Wehrheim", ergänzte Balrik.

"Ist das etwa ein Hinweis?", fragte Urion leicht aufgebracht. Auch er hatte in Wehrheim studiert.

"In gewisser Weise, ja.", meinte Balrik schulterzuckend. "Abgesehen davon, dass Eisbär ein Abgänger von Wehrheim ist, habe ich auch erfahren, dass es eine gewisse Gruppe gibt, die sich die Getreuen Stäbe von Wehrheim nennen und das sich aus ehemaligen Schülern und Weggefährten zusammensetzt. Noch heute stehen sie zu Haffax und sollen im ganzen Reich verteilt sein."

"Interessant. Gehört da dieser Zwölfender dazu?", fragte Urion.

"Nein", antwortete Balrik. "Das ist kein Wehrheimer Abgänger. Hier berichten mir meine Informanten nur, dass er ein Schüler von Barnhelm von Rabenmund war. Zudem hat mir Herr von Praillind zugetragen, dass der Agent Zwölfender ein waldsteiner Baron ist und einst dem Grafen von Ochsenwasser diente. Dieser Graf ist der heutige Markvogt Barnhelm. Wenn man nun sich erkundigt, zu welchen Baronen aus Waldstein das alles zutrifft, kommt man zwangsläufig auf Junkobald von Hirschfurten."

"Ja, schon allein sein Deckname gibt einen Hinweis", sinnierte Urion. "Doch als wie zuverlässig erachtet ihr den Herrn von Prailind?", gab der Marschall schließlich zu Bedenken. "Er hatte schließlich die entscheidenden Hinweise zu Wallbord und Junkobald. Vielleicht will man uns damit nur auf eine falsche Fährte locken?"

"Dieser Gedanke ist mir auch schon gekommen", bestätigte Balrik. "Ich hatte Dir doch von den Ereignissen in Perricum letztes Jahr erzählt. Damals war ich überzeugt, dass einer meiner Gefährten gegen uns arbeitete. Tatsächlich gehörte zu ihnen auch er." Ausschließen kann man es tatsächlich nicht. "Letztendlich haben sich aber alle Informationen vom Herrn Prailind als wahr erwiesen", fuhr er schließlich fort. "Und auch er hatte einen Verdacht zu Trenck geäußert. Und vom diesem wissen wir mittlerweile, dass er für Haffax arbeitet." Und zu dem Trupp, der mir damals half, gehörte auch er.

Balrik hatte aus mehreren Quellen erfahren, wer der Hase war, und er hatte Urion bereits alle Indizien, die für Trenck sprachen, auf dem Weg nach Gareth mitgeteilt. Er musste schmunzeln, wenn er daran dachte, wie Elbrecht erfahren hatte, dass er auf der Spur des Hasen war; er wurde sofort nervös und hat seine Dienste angeboten - zweifellos in der Hoffnung zu erfahren, wie weit Balrik bei seinen Ermittlungen war.

"Das sind erst sieben Namen, Balrik", unterbrach Urion seine Gedanken. "Du hast aber von acht Agenten gesprochen."

"Ja, vom achten ist leider nur der Deckname bekannt und sein Posten im Heeresstab. Mehr habe ich leider nicht erfahren können."

Urion nickte und saß noch eine Weile da und ging alles noch einmal in Gedanken durch, bevor er sagte: "Alles in Allem sind das keine Beweise, Balrik. Aber das ist, was ich brauche, bevor ich gegen einen Adligen Klage erheben kann."

"Nicht unbedingt", meinte Balrik. "In manchen Fällen reichen die Indizien und bei manchen haben wir davon genügend, dass man es durchaus rechtfertigen kann, gegen sie vorzugehen. Dem Cantzler habe ich von Isppernberg bereits eingeweiht – hier war ich so frei. Er wird sicherlich gegen ihn die nötigen Schritte in die Wege leiten; doch die anderen nehmen wir uns vor." Balrik grinste verwegen. "Ich würde gerne einen oder zwei zu Doppelagenten machen wollen, sofern möglich." In etwa so, wie sie es bereits bei Jungingen bereits taten. "Aber zumindest einen sollten wir entlassen oder festnehmen, je nachdem. Wenn wir keinen Agenten offiziell enttarnen, wird auch der Feind misstrauisch", meinte Balrik.

"Habt Ihr da jemanden besonderen im Blick?"

"Ja, und zwar Trenck. Ich kann ihn mir zwar auch als Doppelagent vorstellen, ebenso wie auch Rahjan von Pfiffenstock oder Baron Junkobald", ergänzte er. "Das Problem ist allerdings, dass schon zu viele von ihm wissen. Aus diesem Grund ist er wohl als Doppelagent nicht tauglich.

Wie wir nun auch handeln, Urion", sagte Balrik schließlich. "Ich empfehle Trenck von dem Posten zu entfernen. Wir müssen ja keine Klage gegen ihn einreichen. Es genügt ja auch, wenn wir ihn, nunja, ehrenvoll entlassen und ihn für seine wertvollen Dienste danken, oder dergleichen. Ja, vielleicht sogar mit einem weiteren Orden? Die wahre Identität der beiden Obristen Wallbrord und Rahjan und auch von Junkobald sollten wir allerdings für uns behalten, allenfalls sollten wir Aldron benachrichtigen, zumindest was die beiden Obristen betrifft."

„Ja, Aldron muss unverzüglich ins Bild gesetzt werden“, stimmte Urion zu. „Pfiffenstock sitzt in seinem Stab und da muss er entscheiden, wie er damit umgehen möchte. Und was Trenck betrifft“, fügte er hinzu, „eine ehrenvolle Entlassung zu diesem Zeitpunkt, wo nicht einmal Truppen aufgestellt sind, halte ich für zu durchsichtig, Balrik. Wir werden den guten Trenck unmittelbar mit den Beweisen konfrontieren. Schick in meinem Namen einen Melder aus, der Trenck meinen Auftrag übermittelt, sich hier einzufinden. Unter dem Vorwand der ersten Planungen des Heerlagers für die Heerschau der Kaiserin wird er wohl kaum gewarnt sein. Wenn er es doch merken sollte, dann werden zusätzlich entsandte Tauristar ihn sicherlich gerne geleiten. Aber ich will so wenig öffentliches Aufsehen wie möglich.“

Diese Lösung bevorzugte auch Balrik. „Wird erledigt", nickte er.

"Wir müssen damit rechnen, dass auch der Reichsgroßgeheimrat davon Wind bekommt", fuhr Urion fort. "Er wird eins und eins zusammenzählen. Selbst der letzte Dorfalrik weiß schließlich, dass Haffax eine ganze Reihe Spitzel hat. Wenn er uns einbestellt, müssen wir Belastbares vorweisen können. In den meisten Fällen dürften die Indizien überzeugen und einiges wird uns auch der gute Trenck liefern. Versteh' mich nicht falsch Balrik, ich vertraue Rondrigan grundsätzlich, aber mir ist es immer am Liebsten, wenn bei solchen Sachen so wenig wie möglich eingeweiht sind.

Achja, hast du eigentlich schon Hinweise, wer den Mord an der Burggräfin verübte?", fragte Urion. Sie waren noch vor der Burggräfin von Bogenbrück abgereist, doch kurz danach - noch auf dem Weg nach Gareth - kam ein Bote und berichtete von dem tragischen Todesfall.

"Nein", antwortete Balrik. "Aber so viele können fast nicht in Frage kommen. Es muß einer der anwesenden Gäste gewesen sein."

"Wallbord?", fragte der Marschall und lehnte sich vor fast schon lauernd vor. Offenbar ärgerte ihn der Verrat von Wallbrord am meisten, dachte Balrik.

"Vielleicht - jedenfalls traue ich dem Trenck einen solchen Mord nicht zu", meinte er. "Vielleicht war das aber auch jemand ganz anderes, den wir nicht im Verdacht haben. Ein einfacher Bediensteter zum Beispiel."

"Und von diesen hat es nicht zu viele auf der Burg gegeben ... Wie auch immer - wenn es Dir nichts ausmacht, bleibe ich noch einige Tage hier. Bis Trenck eintrifft, können wir schon mal die Dossiers anlegen. Ich werde von Jungingen derweil nach Hexenhain schicken. Er kann auch gleich die Adlergardisten mitnehmen. Ich will ihnen auf dem Marstall Gelegenheit geben, neu anzufangen.“ Balrik nickte. Urion hatte ihm schon bereits von den vier Veteranen erzählt. Er hatte sie im Kampf gegen die Paktiererin gefangen genommen und sie haben ihm einen heiligen Treueeid geleistet. Und auf diese Art und Weise würde auch Jungingen nichts von dem erfahren, was sie mit Trenck vor hatten. „Wir haben vereinbart, dass Sie nie wieder Waffen führen dürfen", fuhr Urion fort. "Lediglich bei der Ausbildung des Heerbanns werden sie unterstützen. Niemand sonst würde sie nehmen, bedenkt man, dass sie Ihre Fahne verloren haben.

Ach und bevor ich es vergesse, Balrik. Ich habe von Agent Mäusebussard erfahren, dass Haffax seine geheimdienstlichen Aktivitäten auf Perricum und das Darpattal fokussiert." Mäusebussard, überlegte Balrik. Das war Urions Schwester. "Darauf müssen wir unser Augenmerk richten", fuhr der Marschall fort. Ich kenne die genauen Angriffspläne der Kaiserin noch nicht, klar dürfte aber sein, dass ein Stoß gegen Mendena auch von Süden her geführt werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein muss die rechte Falnke zumindest standhalten.“

Sie saßen noch einige Stunden zusammen und gingen alte Berichte von den Augen-und-Ohren durch und beschlossen ihre Aufklärung auf das Darpattal zu konzentrieren bis draußen schließlich der Wintersturm aufhörte zu toben und die Abenddämmerung sich über die verschneite Landschaft legte.

Danach war Urion noch herzlich eingeladen mit der Familie zu Abend zu essen, bevor er sich dann schließlich zeitig in seine Gemächer zurück zog.