Geschichten:Ein Geschenk für die Großfürstin
Schloss Vulperquell, Mitte Rondra 1046 BF:
Nach ihrem Ausflug nach Auenwacht waren Xanjida von Sanzerforst, Pernula von Zolipantessa und Nedime Eorcaïdos von Aimar-Gor wieder ins nicht weit entfernte Schloss Vulperquell zurückgekehrt. Das Schlösschen war einst eines der vielen Lustschlösser, die Kaiser Bardo errichten ließ. Seit einigen Götterläufen war es im Besitz des Hauses Aimar-Gor. Das kleine Wasserschlösschen zeichnete sich im Inneren durch eine sehr verspielte Architektur aus und vereinte viele verschiedene Baustile. So gab es das tulamidisch angehauchte Khunchomer Raucherzimmer, aber auch das in Rohalischer Ornamentik gehaltene Turmzimmer der Goldenen Au. Die im eslamidischen Stil erbaute Rahjakapelle war ein weiteres Schmuckstück des Schlosses, die auch der mit Jagdtrophäen überfüllte Rittersaal der Jagd.
Bis zum Blutigen Jahr diente das Schloss als Residenz – böse Zungen würden sagen Verbannung – von Alda von Aimar-Gor, der heldenhaft in der Schlacht gefallenen Gemahlin von Truchsess Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor. Danach wurde es ruhig um das Gemäuer, in dem der Geist einer von Kaiser Bardos Ministerinnen umher spuken soll. Einzig der uralte Kastellan Olbert von Luchsenau lebte hier noch mit der Rahjageweihten Aldura Rahjalina von Gryffingk, der Zofe Sybia von Risp, einer Köchin und einer Magd.
Doch durch die relative Nähe zum großfürstlichen Schloss Auenwacht bekam Vulperquell wieder regelmäßig Besuch von Mitgliedern des Hauses Aimar-Gor und seinen Verbündeten. So wurden auch die drei Perricumerinnen hier im Vorfeld des Hoftages untergebracht.
„Vom 1. bis 8. Travia 1046 BF lädt der Großfürst zum ersten großfürstlichen Hoftag unter Bodars Banner. Das heißt, auch der Adel der Marken Greifenfurt und Perricum ist geladen. Dazu noch die Großfürstenturnei. Und das alles nur wenige Monde nach seiner Krönung. Der Großfürst ist echt ein Macher“, schwärmte Pernula.
„Nicht zu vergessen, am 2. Travia wird unsere Caya ihren 22. Tsatag feiern. Ich erinnere mich noch zu gerne, als wir gemeinsam als Knappinnen am Markgräflichen Hof gedient haben. Welch unbeschwerte Zeit.“ Nedime schwelgte in Erinnerungen.
„Welch Werdegang meine Schwägerin doch durchlaufen hat. Geboren in der Greifenfurter Mark, verbrachte sie ihre Kindheit an verschiedenen Höfen in Garetien, bis sie schließlich zur ritterlichen Erziehung an den Perricumer Hof kam.“ Anerkennung lag in Stimme von Xanjida. „Eine wahrhaft großgaretische Prägung.“
„Von Rückschlägen hat sie sich nie unterkriegen lassen. Nachdem ihr Vater neu geheiratet hatte, stand sie ohne Erbe da. Und gegen so manche Widerstände im Haus Gareth, haben sie und Alderan ihre Vermählung durchgesetzt.“ – Pernula.
„Sie wird Garetien eine wunderbare Landesmutter sein und als Bindeglied zu den Marken Greifenfurt und Perricum fungieren.“ – Nedime.
„Aber was hat das nun mit den Geschenken für Caya auf sich?“, wollte Pernula wissen.
„Also, sie hat mir geschrieben, dass sie keine materiellen Geschenke von ihren Untertanen haben möchte, also keinen Schmuck, keine Orden, nichts dergleichen. So wie es Yrsya es uns auch schon berichtet hat.“ Xanjidas Stimme überschlug sich fast vor Eifer. „Ihr größtes Geschenk sind Heldentaten, die Helden und Abenteuerinnen in den großgaretischen Landen vollbracht haben. Zu Ehren ihres Tsatags, möchte sie diese Heldentaten vorgetragen bekommen.“
„So wie wir mit Caya beim Fest der Bunten Lichter in Perricum einen kleinen Jungen bei der Massenpanik gerettet haben“, erinnerte sich Nedime.
„Es wird ein denkwürdiger Hoftag werden, da bin ich mir sicher!“ Xanjida freute sich schon sichtlich auf die Feierlichkeiten.
Ein lauter Knall riss die drei Perricumerinnen aus ihren Gedanken. Wenig später trat die Zofe Sybia in das Zimmer.
„Verzeiht, hohe Herrschaften. Dem Kastellan ist im Keller ein Missgeschick unterlaufen … als er gerade beim Schnapsbrennen war.“
Die drei jungen Frauen schauten sich mit großen Augen an. Nun galt es erstmal den Geheimnissen dieses verwunschenen Gemäuers auf den Grund zu gehen.