Geschichten:Die Schlacht auf Darpats Wogen - Emmerans letzter Ritt auf der Natter

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Das Boot hüpfte über die Stromschnellen der wilden Natter und die zehn Männer hatten Mühe in der dunklen Nacht gegen die Wassergewalt anzukämpfen und das andere Ufer zu erreichen. Die alte Natter hatte sich tief in das Land gegraben und an beiden Seiten erhoben sich schroff die steilen Felswände. Die notdürftig zusammengebaute Brücke bei Haldensbrüel, über die die Schlunder ihren schnellen Vormarsch im Sommer geschafft hatten, war bei den letzten Regenfällen überspült und dann in Teilen weggespült worden. Die alte Natter duldet keine Brücken auf ihrem Rücken. So hatte die Krautzung die Oberhartsteener Fährmänner für eine nächtliche Querung der wilden Natter angeworben und eine Schar Krieger bei Haldesbruel auf die Boote gebracht. Emmeran wusste, dass dieses kein einfaches Unterfangen werden würde. Die Belagerungen der Schlunder an der Feidewaldstraße benötigten nach der Winterpause dringend Verstärkung. Als Emmeran seinen Flößern das Zeichen zum Ablegen gab und sie aus der Mündung der Halde in die Natter einfuhren, sah er so manche Silbermünze in den Strom fliegen. Ein dummer Brauch der nach dem Brückenfall auf abergläubischem Nährboden schnell gewuchert war. Solcher Unsinn verbreitete nur Angst und half den Jungs wenig ihre Boote bei dem Strom im Zaum zu halten. Die Natter packte die voll beladenen Schiffe und riss sie mit. Sie kannten die Natter gut genug um sie gewähren zu lassen. Ein mal in ihrem Griff konnte man sich über die nächsten Meilen nicht mehr befreien und war ihr auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Erst wo die alte Rabenbrücke einst ihr Fundament hatte, wurde die Natter etwas zahmer. Dort wollten sie anlanden. Nur noch ein paar Meilen und er wäre ein gemachter Mann und konnte endlich der Natter den Rücken kehren. Das Biest wurde immer wilder, mit jedem Jahr. Und Emmeran hatte nicht vor auch bald gutes Silber in den Fluss zu werfen um Götzen für eine sichere Überfahrt anzubetteln. Das war seine letzte Fahrt. Die Strömung riss den Schiffsverband bald auseinander und sie glitten alleine durch die Finsternis.

Seine Arme schmerzten vom Halten des Steuers. Bald sah er den letzten Pfeiler der alten Rabenbrücke am Hartsteener Ufer aufragen. Dort endete die Reichstraße seit Jahren. Den Rest der Brücke hatten die gierigen Zwerge aus den Fluten gerissen und die behauenen Steine bestimmt zu Geld gemacht. Emmeran dachte, er wäre das vorderste Boot. Aber scheinbar waren die anderen in der Dunkelheit an ihm vorbei gezogen und schon an der Brücke. Mehrere Boote legten dort an der Brücke gerade an. Vielleicht war er auch einfach zu alt für diese Arbeite geworden. Die Jüngeren waren unerschrockener und bremsten nicht an den vielen Stellen, an denen er über die Jahre gute Freunde an das Biest verloren hatte. Emmeran musste sich eingestehen, das die heutige Nacht wirklich sein letzter Ritt gewesen sein sollte. Aber Moment. Was machten seine Kameraden. Sie landeten nicht an. Sie legten ab. Emmeran wollte mit Schwung auf dem alten Kiesstreifen unterhalb des letzten Pfeilers anlanden. Nun kamen ihn die anderen Boote alle entgegen. Er versuchte auszuweichen. „ Achtung!“ Rief er noch aus und steuerte das Boot wieder in den Strom zurück. Zu spät. Er krachte in das erste Boot das auch auf den sicheren Strom in der Flussmitte zu hielt. Beide Schiffe schaukelten kräftig und der Fährmann des anderen Schiffes verabschiedete sich mit einem kehligen, nebachotischen Fluch, als er in die Natter geschleudert wurde. Wieso Nebachotisch? Wer war das?

Ein paar starke Arme auf beiden Seiten hatten schnell die Bordwände gegriffen und versuchten so das Schwanken der längsseits gegangenen Schiffe auszugleichen. Die Erkenntnis, das auf dem jeweils anderen Schiff keine Kameraden saßen, schlich sich auf beiden schwankenden Booten zur gleichen Zeit in die Köpfe. Schon surrte ein Bolzen aus einer Schlunder Kurbel über die Köpfe der Hartsteener hinweg. Ein Wurfbeil traf einen Schlunder Helm und glitt an ihm ab. Ein Dolch bohrte sich in einen Oberarm und ein Wurmbeil hackte ein paar Finger ab, die sich an ihr Boot klammerten. Das ausbrechende Hauen und Stechen brachte die Boote wieder zum Wanken und der wilde Fluss gierte in dieser frostigen Nacht schon nach ihren Leibern. Überall hinter ihnen kamen jetzt Rufe auf und Holz krachte auf Holz. „Hört auf!“ brüllte Emmeran über die Planken. „Die kalte Natter wird uns Alle holen! Hört auf!“ Beide Schiffe bockten auf als die Stromschnellen sie in die Nacht rissen.

Die beiden Schiffe drehten sich in den Fluten. Krachte gegen Felsen. Wurden immer wieder gegeneinander geschleudert. Die Natter hatte ihren Spaß mit ihnen. Schnell war den Haudraufs auf beiden Seiten das festhalten wichtiger geworden als der nächste Hieb. So klammerten sie sich an alles was greifbar war als sie erkannten, das sie in ihren schweren Rüstungen keine Chance in der frostigen Natter haben würden wenn sie über Bord gingen. Emmeran hatte als einziger verbliebener Steuermann ernste Probleme den Kurs zwischen den Schroffen Felsen zu halten.

„ Bleibt ruhig...bleibt ruhig... nicht schießen... nicht bewegen...nimm die Axt runter... weg mit dem Messer... ich will hier nicht ersaufen...hör auf die Armbrust zu spannen... wir kommen nur zusammen vom Fluss... ihr habt keinen Steuermann mehr... legs weg....legs weg!“ Die Männer brüllten sich gegenseitig zu was die andere Seite gefälligst zu unterlassen hatte. Und immer wieder krachten die Schiffe aufeinander und drehten sich in wildem Tanz mit dem Biest durch die Nacht.

Die Hartsteener hatten bald gemerkt, das sie ohne ihren Steuermann der Natter gnadenlos ausgeliefert waren wenn sie von den Schlundern fortgerissen würden und so griffen sie wieder in deren Bordwand und brachten so das Schiff, das Emmeran fast wieder unter Kontrolle gebracht hätte zum schwanken und machten ihm die Arbeit schwer. Sein Blick traf den kalten Blick von Adalissa, der die Wahrheit aus ihm riss, die er sich bei seinem verzweifelten Kampf gegen die Fluten nicht eingestehen wollte. „Nein, schon gut ich schaffe das! Lasst sie nur, ich schaffe das, ich kann uns alle retten, es muss niemand sterben, die Natter wird an der Mündung ruhiger!“ Schrie er aus. Doch die finstere Ritterin las die Lüge in seinen Augen und zog die bittere Konsequenz aus seinem Innersten. Sie kannte den Fluss hier gut und wusste was gleich kommen würde. Emmeran hörte die Schlunder brüllen und die Hartseener flehen. Sah wie Hände langsam zu Waffen glitten. Erkannte wie vergeblich seine Mühen waren. Musste erkennen das die Natter ihren Blutzoll forderte.

Für einen Moment wurden alle ganz still in dieser Nacht auf dem wilden Fluss. Dann schlug die Desmetalerin den Arm in einer schwungvollen Bewegung mit ihrer Axt ab,der sich verzweifelt an ihr Boot klammerte. Bolzen flogen, Messer schwirrten durch die Dunkelheit, Flüche, Schreie und dann verschlang die kalte Flut der Natter die Raufenden.

Emmeran bleib fast das Herz stehen als der eiskalte Biss der Natter in traf. Beide Boote waren verloren und umgeschlagen. Das Biest schlug ihn hart gegen die Felsen und trieb die Luft aus seinen Lungen. Seine letzte Fahrt. Seine Hand griff nach dem Anhänger den seine Liebste ihn umgehangen hatte. Sie hatte darauf bestanden. Naives abergläubisches Ding. Die Natter ließ ihn nicht gehen. Nicht nach so vielen Jahren. Es sei den man zahlte den Preis. Er riss an dem silbernen Anhänger und schenkte dem Fluss seinen Pfand. Gala-Visa-Gala-Visa...

Emmeran zog sich mit letzter Kraft an den nassen Stämmen entlang die aus der Natter ragten. Hinter sich zog er die schwarze Ritterin her. Das Biest hatte sie beide verschmäht und mit viel Unrat auf eine Sandbank geworfen, die sich immer mal wieder in ihrem Bett bilden und wieder verschwanden. Sie zogen sich auf einen kleinen, mit Moos bewachsenen Simms an der Felswand und brachen erschöpft zusammen. Zitternd griff die Hand der düsteren Ritterin die seine. Mit Grabesstimme entfuhren ein paar Worte den bibbernden Zähnen. „Ich schulde euch mein Leben Flößer. Bei Boron, es soll euch entlohnt werden.“