Geschichten:Die Schlacht auf Darpats Wogen - Oma hat Mutters Schweine auf dem Gewissen

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Was hatte Horwart sich mit Schwingenfels gestritten – wie beknackt er die Idee gefunden hatte, im Winter mit gerüsteten Kämpfern auf wacklige Darpatschiffchen zu steigen, um den Schlundern unritterlich in den Rücken zu fallen. Schwingenfels hatte natürlich wieder einmal darüber gespottet, wie leicht ein Schneck auf seiner Schleimspur ausrutschen könne, dabei glitschen Schnecken nicht weg. Es sind die anderen, die auf der Schleimspur ausrutschen. Toban hoffte, dass es dem Schwingenfelser bald so ergehen werde. Scheißkalt war die Nacht, da half auch der feste Wollumhang nichts, den Toban sich über die Schultern gelegt hatte; das Kettenhemd war eisig. Zwar regnete es nicht wie in den letzten Nächsten, aber dass es heute sternenklar war, ließ die Nacht nur noch kälter werden. Sein Atem kondensierte vor seinem Gesicht.

„Wahrschau!“, erscholl es recht voraus. Toban saß im zweiten Darpatkahn, immerhin war sein Bruder stellvertretender Befehlshaber dieses Kommandos. Windischgrütz saß im letzten, Schwingenfels im ersten. Hatte er jetzt gerufen? Wo war die Geheimhaltung?

„Alarm!“ gellte ein weiterer Schrei voraus, aber der kam nicht vom ersten Kahn. Und noch ein Alarmruf weiter flussabwärts. Was war denn los? Toban erhob sich im Kahn, um besser sehen zu können. Immerhin reckte die Dämmerung soeben die ersten Strahlen des Morgens über östlichen den Horizont, vor dem sich eine Menge schwarzer Konturen auf dem Fluss zeigten. Schiffe? Schiffe!

„Alarm!“, brüllte Toban gleichzeitig mit seinem neben ihm kauernden Bruder Howart. Im nächsten Moment durchstieß Schwingenfels‘ Kahn vor ihnen eine Reihe von Flussschiffen, die offenbar gerade hier die Natter hatten queren wollen, vollbesetzt mit waffenstarrenden Schlundern. Toban starrte verdutzt in das Gesicht eines Schlunder Ritters, der genauso verwirrt zurückstarrte, dann war Tobans Kahn ebenfalls mitten unter den Schlunder Schiffen.

„Zu den Waffen!“, kommandierte Howart neben ihm, „Zieh dein Schwert, Toban!“ Schwert? Das war doch tief unter dem Mantel. Umständlich versuchte Toban, sich aus dem schweren Stoff zu wickeln – seine Gattin hatte es wieder sehr gut mit ihm gemeint, Peraine sei Dank. Doch rondraverflucht, Toban kam ums Verrecken nicht an seinen Schwertgriff. Der Kahn schwankte bedrohlich, als irgendeine Wahnsinnige gerade auf das Schlunder Schiff sprang und wahrhaftig „Entern“ schrie. Toban verlor beinahe das Gleichgewicht und konnte sich geradeso mit beiden Händen am Dollbord festhalten. Immerhin entging er so der Klinge eines Speeres, der von gegenüber nach ihm gestoßen worden war. Toban richtete sich wieder auf, als der Kahn just in die andere Richtung schwankte. Er ruderte mit beiden Armen, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen, spürte aber schon, dass das nichts werden würde. Rücklings fiel er mit dem Steiß auf den Rand des Kahns, sackte mit dem Rücken darüber hinweg und schlug mit dem Oberkörper auf das Wasser auf.

Zunächst war Toban erschrocken, dass der Lärm von jetzt auf gleich verschwunden war. Der einzige Laut war das panische Gurgeln, das sich aus seinem eigenen Hals befreite. Dann schlug die Kälte des Wassers zu und versetzte Toban in Starre, auf die hektische Bewegung folgte. Angsterfüllt versuchte Toban, sich endlich von diesem schweren Mantel zu befreien – war der noch schwerer geworden hier im Wasser? Gleichzeitig durchzuckte ihn ein weiterer aus Furcht geborener Gedanke: Konnte man mit einem Kettenhemd schwimmen?

Panisch zerrte Toban an dem Wollstoff, während Bläschen um ihn aufstiegen an die aufgepeitschte Oberfläche der Natter, über deren schäumende Gischt der Morgen eine absurd poetische Röte legte.

„Hübsch“, dachte Toban, als er mit aufgerissenen Augen den aufwärts treibenden Bläschen zusah. Er formte mit den Lippen einen Kreis und entließ seinem Schlund ein weiteres Bläschen. Dieses aber stieg keinesfalls empor, sondern wuchs vor Tobans Augen auf die Größe seines Kopfes. Darin schnatterte eine stattliche Ritterin aufgeregt und zornig. Schimpfte sie? Mit ihm? Wieso?

Die Ritterin sah gut aus, fand Toban, ehe ihn die Erkenntnis durchfuhr: Mutter! Es war Malvina selbst, die mit ihrem starken Zeigefinger auf Toban wies. Der Finger wuchs und wuchs und bald schon durchstach er wie eine Lanze die Luftblase. Ein lautes Getöse entfuhr der Blase. Ein Schrei? Ein Furz? Opa Helmerich sprang gackernd hinter Mutter hervor, in der einen Hand eine Fanfare, in der anderen einen Bierseidel, aus dem bei jedem Schwenken rosa Schweinchen purzelten. Toban lachte. Die Schweine umringten Mutter diensteifrig, die sofort das Kommando übernahm. Sogleich zogen die Schweine die Schroeckher Farben über, und grün-weiß marschierten sie in geordneter Phalanx auf Opa Helmerich zu.

„Zu Hilf!“, rief jener und eilte von seinen Feinden im Schweinsgalopp das Innere der Blase empor. Kopfüber drehte er einen Salto, um auf Oma Yassias Schultern zu landen, Sehr gut – wenn einer Mutter Einhalt gebieten konnte, dann war es Oma Yassia! Mit rot glühenden Augen und ausgreifendem Geruch nach brennenden Kienäpfeln stampfte Yassia auf die Schweine zu, und mit einem kraftvollen Dreh ihres Oberkörpers zerschmetterten ihre riesigen Brüste die Phalanx der Verfolger. Toban quiekte noch lauter als die Schweine. Wo, wenn nicht dort, durch Omas zitterndem Busen, wäre Rettung zu finden? Er entriss dem mittlerweile auf der Fanfare blasenden Opa Helmerich den Bierkrug und leerte ihn mit einem Zug. Schwindel packte Toban – was war darin? Hatte Onkel Horbald mal wieder in die Regentonne geschifft?

Kaum hatte Toban an seinen Onkel gedacht, als dieser auch schon brüllend auf einer weiteren Luftblase herangeritten kam: „Malvina, dein Dach brennt!“, rief er Mutter zu, um sie abzulenken, dabei war sie schon an der Blasenwand herabgerutscht, um über ihre zerschmetterten Schweinekrieger zu lamentieren, deren Fell Oma Yassia schon abgezogen und über ihren immensen Brustkorb gespannt hatte - ein Gebirge aus Borsten. Als Onkel Hobalds Blase auf Mutters traf, zerplatzten beide in einem splitternden Sternenregen. Sterne? Tropfen! Tropfen aus Licht und Sonne, aus Wasser und Luft – und inmitten dieses kolossalen, ja kontinentalen Schauspiels erschien das riesige Gesicht seines Bruders Howart am Firmament.

Tropfen. Tropfen und Luft. Luft!

„Toban, du lebst“, sagte Howart besorgt, indem er sich über seinen aus der Natter gezogenen Bruder beugte. „Weißt du, was passiert ist?“

„Scheißegal, Howart. Oma hat Mutters Schweine auf dem Gewissen!“