Geschichten:Der uralte Bund - Einen Baum zu fällen

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Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF

Eine schmucke Kutsche fuhr langsam rumpelnd in den Innenhof der Pfalz. Herausstiegen eine Handvoll Adlige in unterschiedlichster Bekleidung. Der auffälligste unter ihnen, war ein aufwendig gekleideter dicklicher Mann, dessen Baritonstimme durch den Hof hallte und alle Aufmerksamkeit auf sich zog.

Und so fiel es auch niemandem auf, wie sich eine Person, aus der Mitte der Gruppe, langsam absonderte und in einer Nebentür verschwand, während die restlichen Adligen zur Abendveranstaltung strebten.


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Der in dunklen Kleidern gewandte Mann lief durch die schwach erleuchteten Gänge der Pfalz. Manches Mal blieb er stehen, lauschte nach Schritten oder anderen Geräuschen und wenn er sich sicher wahr nichts dergleichen zu hören ging er weiter.
Die steinernen Gänge wanden sich wie Schächte durch die Pfalz, für den Unbedarften einem Irrgarten gleich. Doch er wusste genau welche Biegung er gehen musste, welche Tür zu öffnen war und welche Treppe er zu erklimmen hatte. Hin und wieder musste er sich durch einen beherzten Satz ins Dunkle retten, wenn Stimmen schneller nähergekommen waren als er gedacht hatte. Doch schließlich kam er an seinem Ziel an und blieb vor einer unscheinbaren Tür stehen. Ein kurzer Blick links, ein kurzer Blick rechts, dann umfasste er die Klinke und trat in die Dunkelheit, welche sich hinter der Tür entfaltete, ein.

Zügig schloss er die Tür hinter sich und entfachte eine kleine Kerze. Neugierig schaute er sich in dem Raum um.
Er wusste nicht genau was er erwartet hatte, das was er allerdings zu Gesicht bekam, war es ganz gewiss nicht.
Das Zimmer war klein und schlicht eingerichtet. Ein einfaches, schmales Bett diente als Schlafstätte. Gegenüber stand ein unauffälliger Tisch, der mit einigem wenigen Pergament und einem fast aufgebrauchten Kohlestift bedeckt war. Eine zur Hälfte abgebrannte Kerze steckte in einem zierlosen Messingständer, von dem der Eindringling sich nicht sicher war, ob dieser nicht vielleicht doch in einem früheren Leben als Schnapsglas sich verdingt gemacht hatte.

An dem Tisch stand ein schmuck- und polsterloser Stuhl, dem Niemand mehr trauen sollte. Ein einzelnes, einen Spann weites, Fenster wurde von dicken Fensterläden verschlossen, so dass weder Kälte noch das Licht des Madamals in das Innere des Zimmerchens gelangen konnte. In der linken Ecke, neben dem Eingang, stand ein Kohlebecken und die Kratzspuren in den Holzdielen verrieten, dass die Bewohnerin in den kälteren Nächten näher an das Bett herangezogen haben musste.

Zwischen Tisch und Schlafstätte stand ein trister Holzschrank, der die Einrichtung komplettierte und das kleine Zimmerchen noch kleiner wirken ließ.

Alles in allem wirkte diese Kammer mehr wie eine Gesindekammer, für einfache Hausangestellte. Keine Wärme, keine Gemütlichkeit, sondern nur Tristesse und Einfachheit konnte man hier finden. Kein Ort für eine Person blauen Blutes. Fast wirkte es auf ihn, als würde er hier eine Gnadentat vollbringen und er musste Schmunzeln, als ihm die Parallelen zu seinem anderen Opfer auffielen.


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Ein kurzes Knarzen ließ ihn aufhorchen, der Mann in dunkler Gewandung hatte sich zwischenzeitlich in den Schrank gestellt und auf seine Gastgeberin gewartet. Irgendwann hatten ihn Zweifel beschlichen, ob er denn wirklich am richtigen Ort war oder ob er sich nicht doch verlaufen hatte?

Dank eines schiefsitzenden Bretts konnte er in den Raum hineinspähen und was er da sah, vertrieb alle Sorgen, im falschen Schrank zu stehen. Die Küchenmeisterin, Elene von Erlenfall, schloss soeben die Tür hinter sich und ging zum Tisch, um sich dort auf den Hocker zu setzen, ganz so als wirke er auf sie nicht so, als ob er jeden Moment durch sein eigenes Gewicht in sich zusammenfallen könnte.

Die Adlige lehnte sich kurz zurück und verschnaufte, dann richtete sie sich wieder auf, ging zum Kohlebecken und entzündete es. Dann kehrte sie an ihren Tisch zurück und schaute auf die Pergamente herab. Je länger der Mann im Schrank sie beobachtete, desto unwohler wurde ihm. Ein unbestimmbares Gefühl der Gefahr breitete sich langsam in ihm aus. Ob dies von der Anstrengung und der bevorstehenden Tat herrührte?

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen stand Elene auf und ging zum Schrank. Geistesgegenwärtig zog ihr – bisher – unerkannter Besucher seinen Dolch und machte sich bereit. Ihm war klar, dass es schnell gehen musste. Diese Frau hatte, nach allem was er wusste, mehrere Menschen auf dem Gewissen und ein Mensch dieses Alters zog normalerweise nicht mordend durch die Straßen. Es kam also darauf an, den Moment der Überraschung zu nutzen und die Erle so schnell zu fällen, wie nur irgendwie möglich.

Die Küchenmeisterin zog die Schranktür auf und blickte dem Mann in ihrem Schrank direkt in die Augen. Für einen Augenblick schien Satinav die Zeit angehalten zu haben, dann blitzten ihre Augen in einem Mix aus Überraschung und Zorn auf. Der ungebetene Gast ließ seine Hand mit dem Dolch auf die Frau niederfahren, doch diese konnte sich rechtzeitig zurückfallen lassen. Die Klinge hatte ihr Ziel verfehlt, der Moment der Überraschung war vergangen.

Der Mann schluckte und blickte die Adlige vor ihm an, diese presste ein ebenso verwundertes als auch verächtliches, „Ihr?!“ aus ihren Lippen heraus, bevor sie auf ihren Widersacher deutete und siegessicher, „Pech und Schwefel, über Euch!“, ihm entgegen schleuderte.
Aus ihrer Hand schoss ein flüssiger Strahl aus Flammen in Richtung des Eindringlings, welcher mit aufgerissenen Augen seinen linken Arm schützend vor das Gesicht hielt. Der Strahl traf dem Mann mittig in die Brust und ließ ihn nach hinten stolpern.

Mit einem höhnischen und kaum wahrnehmbaren Lachen ging die alte Frau auf den im Schrank liegenden Mann zu, stockte dann jedoch sogleich. Denn der Mann schaute verwundert an sich herab, dort wo der Strahl ihn getroffen hatte, hing das Amulett mit der gekrönten Blutulme und leuchtete schwach. „Wie? Ihr solltet Euch doch zumindest vor Schmerzen winden!“, rief die Geweihte des Rattenkind ungläubig dem Mann entgegen. Dieser brauchte nicht lang, um zu begreifen, sprang auf und in die Richtung seines Opfers, den Dolch wie eine Lanze vor sich halten voran. Tödliche Entschlossenheit hatte sich auf sein Gesicht gelegt, spätestens nach dem Strahl war jeglicher Zweifel ob der Schuldigkeit der Elene von Erlenfall verschwunden. Mit Schreck geweiteten Augen stolperte sie Richtung Tür, doch dorthin ließ der Angreifer sie nicht kommen, denn er war schneller und sprang mit seinem ganzen Gewicht der Alten entgegen.

Gemeinsam gingen sie zu Boden und der Angreifer begrub sein Opfer unter sich. Verzweifelt versuchte sie die Kette des Amuletts zu erfassen, konnte dadurch aber nicht mehr den Arm mit dem Dolch abwehren.
Die kalte, silberne Klinge drang Halbfinger um Halbfinger tiefer in den Hals der Frau ein. Ein stummer Schrei ließ erahnen, dass die Luftröhre durchdrungen war. Mit Verachtung und Furcht blickte Elene in die braunen Augen ihres Mörders, die einen Kontrast zum blonden, kurzen Haar des Mannes bildeten. Dann erstarb das Funkeln in ihren Augen und der Körper erschlaffte. Es war vollendet, schwer atmend richtete sich der junge Mann auf und blickte auf die Tote herab. Er hatte Glück gehabt, hätte sein Dolch nicht die Luftröhre erwischt, wer weiß wer durch den Schrei gerufen worden wäre?


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Es klopfte an der Tür und kurz darauf rief eine bekannte Stimme hindurch, „entschuldigt, wohnt hier Herr Bogenbusch?“. Salix von Hardenstatt erhob sich von dem Stuhl und schritt zur Tür hinüber, um sie einen Spalt zu öffnen, hindurch schlüpfte der braunhaarige Junge und die Tür schloss sich wieder.

Dieser erhaschte einen kurzen Blick der Szenerie, bevor der Perricumer seinen Blick versperrte.
Was der Junge jedoch sehen konnte ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Die alte Küchenherrin der Pfalz lag auf dem Bett und am Hals zog sich eine klaffende Wunde, aus der sich Links und Rechts ein roter Faden ergoss und das Laken darunter dunkel färbte.
„Hast du alles erreicht, was du erreichen solltest?“, fragte der Adlige.

Lingmar nickte langsam und reichte dem Blonden einen Sack, den dieser an sich nahm und eine kupferne Platte herauszog. Zufrieden nickte er und ging zur Toten, sein Schüler folgte ihm und starrte die Frau an. „Sie war eine Geweihte des Rattenkinds. Eines ihrer dunklen Wunder sollte mich niederstrecken“, erklärte der blonde Mann knapp und kniete sich an die Schlafstätte des Opfers. Mit einem beherzten Schnitt durchtrennte er drei Finger der rechten Hand, langsam floss weiteres Blut in das Laken.
Dann richtete er sich auf ging zum Tisch herüber und platzierte dort die drei Finger auf der Kupferplatte.

Als er fertig war, zog er Pergamentseiten aus dem Sack und platzierte sie auf dem Tisch.
Der Junge ging währenddessen zu dem offenen Schrank, zog die Tür auf und warf die Klamotten und sonstige Gegenstände heraus. Als das Zimmer etwas verwüstet war, reichte der Ältere dem Jüngeren eine Umhängetasche und die beiden Verabschiedeten sich. Sie hatten unterschiedliche Wege für diesen Abend.