Geschichten:Der Konvent zu Natzungen - Bei Nacht und Nebel

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Abend ward’s zu Nacia und die Baronin hatte ihre ersten Gäste königlich bewirtet. Nun, da außerhalb der Mauern die hereinbrechende Nacht ihren schwarzen und kühlenden Mantel gänzlich über den warmen Sommerabend geworfen hatte,. Zogen sich die Herrschaften vom Mahl ermüdet zurück. Einzig Maline und Brander begaben sich noch in das Raucherzimmer, um dorten bei Kerzenschein noch einmal ihre Positionen abzustimmen und das Protokoll durchzugehen. Nach anderthalb Stunden war alles besprochen, sehr zum Plaisier des Barons Brander, da er sich nun endlich einem Zigarillo aus dem von ihm so geschätzten Methumis-Tabak widmen konnte. Maline ließ vom Kellermeister noch eine Flasche Wein aus dem Keller holen, und man verbrachte parlierend eine weitere Stunde. Eben war der letzte Schluck getrunken, als ein Bote gemeldet wurde.

Es stellte sich heraus, dass es einer der Späher war, welche die Baronin aus Vorsicht ausgeschickt hatte, die nähere Umgebung zu beobachten. Er kam geradewegs aus Unternatzung, von wo er schier Unglaubliches zu berichten wusste:

Vor etwa einer Stunde sei dort eine größere Schar Bewaffneter angekommen und hätte außerhalb des Ortes Quartier bezogen. Er behauptete felsenfest, im Anführer den Baron von Uslenried erkannt zu haben, zumal er im Scheine der Laternen die Uslenrieder Farben gesehen hätte. Dieser jedoch sei mit einigen anderen hochherrschaftlichen Personen und deren Bedeckung in einem Gasthof abgestiegen. Der Späher schätzte den Trupp der Uslenrieder auf knapp einhundert Kämpfer, den Tross nicht mitgezählt, wobei er auch einige Thorwaler gesehen haben wollte. Diese Neuigkeit versetzte ihre Hochgeboren so in Rage, dass die eben geleerte Flasche krachend auf dem Boden zerschellte, und das trotz der ausgelegten flauschigen Tulamidenteppiche! Laut fluchend, was sich dieser Uslenrieder Hundesohn erdreiste, mit einer hundert Klopf starken Streitmacht des Nachts Natzungens Boden zu betreten, wäre die Baronin sicherlich sogleich blanken Schwertes gen Unternatzung geprescht, hätte nicht Brander derart beschwichtigend auf die eingewirkt, dass sie zumindest bereit war, ihre Waffe zurück in das Futteral zu schieben!

Frau Maline wies sofort die Schlosswache zu besonderer Wachsamkeit an und ließ nach ihrem Wehrberater, dem Konstabler ya Gollt schicken. Baron Brander ahnte wohl schon die Konsequenzen, so dass er ein weiteres Mal sein ganzes diplomatisches Geschick in die Waagschale warf, indem er argumentierte,. Dass der Uslenrieder sicher deshalb Quartier in Unternatzung bezogen hätte, weil er nicht in dunkler Nacht das ganze Schloss aus dem Schlafe reißen oder sonst wie durch die Ankunft seines Heerwurmes zu später Stunde Durcheinander stiften wolle, was ja auch wenig traviagefällig wäre. Außerdem sei es ja möglich, dass Baron Wulf es sehr genau nehme mit dem offiziellen Tag der Anreise und daher nicht vor dem Aufgang der Praiosscheibe nach Nacia gelangen wolle. Nach kurzer Überlegung (es war deutlich zu erkennen, dass Maline weniger auf Branders Argumente gab als darauf, seinen Rat gänzlich zu missachten) willigte ihre Hochgeboren ein, das Lager des Uslenrieders nicht umstellen zu lassen, sondern nur zu beobachten.

So trennte man sich denn an jenem Abend, an dem es fast zum ersten großen Eklat gekommen wäre. Im Licht der aufgehenden Praiosscheibe betrachtet, würde sich die Situation weit harmloser darstellen als zu Phexens düsterer Stund, hoffte ein zuversichtlicher Baron von Bärenau, als er die Tür seines Gemaches schloss.

Später in der Nacht

Stille lag in dieser Nacht über der Ebene von Nacia, nur ein laues Lüftchen trug hin und wieder vertraute Geräusche vom fernen Waldrand zu den wachsamen Ohren der Gardisten herüber. Das Madamal schimmerte blässlich auf den zu Spiegeln erstarrten Teichen und tauchte die Szenerie in ein fahlblaues Licht, nur erhellt durch den warmen goldenen Schein weniger Fackeln, welche die patrouillierenden Gardisten mit sich führten. Man hätte glauben können, Trolle würden lautlos um Schloss Nacia herumschleichen, denn der Schein der Fackeln warf grotesk verzerrte Schattenspiele an die Schlossmauern. Hin dun wieder war lautes Gejohle vom Lager der Söldlinge her zu hören, gefolgt vom Splittern eines weiteren geleertren Schnapskruges, doch verstummte dieser Lärm genauso schnell wieder, wie er sich erhoben hatte.

Es mag wohl um die erste Stunde nach Mitternacht gewesen sein, als die Hunde unruhig wurden. Aus der Ferne war Hufgetrappel zu hören, was sich bald mit dem dumpf grollenden Rumpeln vermischte, geradewegs als würde schweres Belagerungsgerät herangefahren. Sofort hatte der Obrist Alarm, geschlagen, woraufhin nach wenigen Augenblicken die Wache um mehr als das Doppelte verstärkt wurde. Die Luft war erfüllt von hastig erteilten Befehlen, Gardisten liefen umher, um ihre Positionen einzunehmen, und Kerzenschein illuminierte die ersten Fenster der Schlossfassade. Plötzlich war Rahe eingekehrt. In gespannter Erwartung harrten die Gardisten dessen, was - dem stetig näherkommenden Getöse nach zu urteilen - jeden Moment über der Hügelkuppe erscheinen musste.

Augenblicke bangen Wartens, in denen so manches Gebet an die Götter über die Lippen huschte. Selbst Maline von Natzungen war inzwischen am oberen Ende der breiten Freitreppe zum Portal erschienen, ungerüstet zwar, doch mit gegürtetem Schwerte. Ihre schlimmen Befürchtungen, die sie zwar niemals ernsthaft in Erwägung gezogen hatte, welche aber seit der Ankunft der Streitmacht des Uslenrieders durchaus begründet waren, schienen sich zu bestätigen – Schloss Nacia sollte im Handstreich genommen werden!

Doch endlich enthüllte Phexens Mantel das, was dorten den langen Weg zum Schloss gepoltert kam . eine schwere Kutsche war’s, deren Sturmlaternen den vier großen Rössern den Weg hinab ins Tal wiesen. Doch nicht allein war die Kutsche, nein, es folgten ihr, nur schemenhaft erkennbar, vier Reiter! Wem es noch nicht die Sprache verschlagen hatte, der tuschelte aufgeregt mit seinem Nebenmann, bis ein scharfer Befehl der Baronin wieder die Ruhe herstellte. Die Kutsche fuhr derweil unbeirrt und ohne ihre Fahrt zu verlangsamen durch das große Tor, vorbei an den verdutzten und zum Ausweichen verurteilten Torwachen, direkt bis vor die große Treppe, wo sie durch heftiges Zügelreißen des Kutschers zum Stehen gebracht wurde. Ein einziger Fingerzeig veranlasste die Schlosswache dazu, das Gefährt und die begeleitenden Reiter zu umzingeln, gerade als der Kutscher eine der Sturmlaternen abnahm, gemütlich vom Bock herunterkletterte und sich daran machte, die schwere Tür zu öffnen. Dass dabei der Schein der Laterne auf das an der Tür angebrachte Wappen fiel, darf wohl als glückliche Fügung angesehen werden, denn justament als Ihre Hochgeboren Maline die Insassen der Kutsche mitsamt ihrer Begleitung arretieren lassen, wollte, erkannte sie das aufgemalte Siglum. Da öffnete sich auch bereits die Tür und auf den Absatz trat – der Baron von Zagbar, Seine Hochgeboren Gorbon!

So sehr sie dieser zweite nächtliche Affront auch erzürnte, Frau Maline konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als der Zwerg etwas ungelenk die drei Stufen aus seiner Kutsche hoppelte. Dieser begann indes händeringend und wortreich, wie man es von Vertretern des kleinen Volkes eher seltener gewohnt ist, um Vergebung für das unangemeldete Eindringen zu bitten. Ein gebrochenes Rad, welches ihn einige Stunden gekostet hätte, sei Schuld an diesem Malheur, danach sei sein Kutscher gefahren, als wären alle Dämonen der Niederhöllen zusammen hinter ihnen hergewesen, so dass es in dieser vermaledeiten Kutsche auf und ab gegangen wäre wie vermutlich auf einem Schiff in fürchterlichem Unwetter, denn er wollte ja auf keinen Fall als Letzter auf Nacia eintreffen, aber nun seien ja sicher schon alle da und wären seinetwegen aus dem Schlafe gerissen worden, ach, welch Ärgernis!

Als der Redefluss des Barons abgeebt war, wurde ihm von Maline versichert, dass einzig der Baron von Bärenau bereits da sei und er auf gar keine Fall zu spät wäre. Da stellte sich heraus, dass des Barons Kalendarium einem leichten Wirrnis zum Opfer gefallen und er daher der Zeit um einen Praioslauf voraus war! Schließlich begab man sich sichtlich amüsiert zurück hinter geschlossene Türen, um zumindest den Rest der Nacht mit der Tätigkeit zu verbringen, die zu dieser Zeit wohl die üblichste ist. Unter den Wachsoldaten allerdings kursierte in dieser Nacht das stets vom Kichern begleitete Gerücht, der zwergische Baron habe lediglich eine weitere Übernachtung in einem teuren Gasthof vermeiden wollen ...