Geschichten:Der Konvent zu Natzungen - Ein Cantzler auf Abwegen

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Die Gruppe um den Bärenauer Magus hatte sich inzwischen zum Haupttor begeben, da sie zu weit entfernt gewesen war, um die Anweisungen des Baronin zu verstehen, geschweige denn die Geräusche, die der Kampf verursachte, vernehmen zu können. Dort angekommen, erkundigte sich Ihre Hochgeboren Alwene von Mohnfeld, ob alles in Ordnung wäre. Die vier Gardisten nickten einstimmig mit dem Kopf und einer sagte in gleichgültigem Ton: »Niemand außer grad eben dem alten Feldstein ist vorbeigekommen!«

»Wie, der Cantzler Feldstein ist hierher gekommen?«, hakte ungläubig Ihre Hochgeboren Efferdane von Gareth nach. »Ja ja, er soll Verstärkung aus dem Söldnerlager holen, ... hat er jedenfalls gesagt.« – »Und da ham’n wir’n natürlich durchgelassen, kann noch nit weit sein!« sagte ein anderer.

Die beiden Frauen sahen sich gegenseitig an, dann den Magus, der wohl das Gleiche dachte und befahlen daraufhin kurzerhand, das Tor zu öffnen. Leise schlüpften sie hindurch und wiesen ihre Begleitung an, am Tor zu warten. Geduckt und so geräuschlos wie möglich schlichen die drei den Schlossweg hinab, bis Efferdane Zeichen gab, in Deckung zu gehen, denn etwa fünfzig Schritt vor ihnen schritt eine Gestalt den Weg entlang. Vorsichtig folgten sie ihr, immer wieder hinter Bäumen Deckung suchend. Sie waren auf dreißig Schritt herangekommen, als der Magus seinen Begleiterinnen Zeichen gab, zu warten und sich zu verbergen. Er schloss die Augen und murmelte einige unverständliche Worte. Langsam hoben sich wieder seine Augenlieder. Agamon von Felsingoer sah nun die Welt in ihren astralen Mustern, durchzogen von schnurgeraden Achsen und wirren Linien, die nur auf den ersten ungeübten Blick chaotisch scheinen. Weit und breit war von solch astralen Lichtquellen jedoch kaum etwas auszumachen, außer der Gestalt, die sie verfolgten. Ihre magische Aura bewies zweifelsfrei sowohl eine potentiell starke Konzentration als auch eine meisterhafte Beherrschung dieser Kraft.

Ein helles und stabiles Lichtgeflecht war über deren Gesicht gelegt, was in diese Form gefügt, einen komplexen Illusionszauber vermuten ließ. »So so mein Lieber, da musst du schon früher aufstehen, um mich mit einem Impostoris hereinzulegen!«, murmelte der Magier und fügte hinzu, dass dies sicher nicht der alte Cantzler sei, sondern ein skrupelloser Magus! Diese Worte ließen sich die beiden Frauen nicht zweimal sagen und stürmten aus ihrer Deckung der Gestalt hinterdrein, ohne dass Agamon sie daran hätte hindern können. Nach wenigen Augenblicken hatten sie die Person gestellt – aber es war tatsäch-lich der Cantzler, der sich nun, noch ganz von den gezogenen Waffen erschrocken, stammelnd um der Damen Begehr erkundigte.

Gerade wollten sich die beiden Freifrau- en bei dem Cantzler für ihren Überfall entschuldigen, als Magister Agamon, der ihnen langsam gefolgt war, stolpernd und unsicher wie ein Blinder, der die Steine auf dem Weg nicht sehen kann, herankam Er hielt inne, verharrte kurz nachdenklich und klatschte dann dreimal in die Hände. Gerade, als hätte er gewusst, was ihm bevorstünde, zog der falsche Cantzler unbemerkt einen Dolch unter seinem Gewand hervor. Die schützende Tarnung war soeben von ihm abgefallen und offenbarte nun seine wirklichen Gesichtszüge – die eines dunkelhäutigen Tulamiden.

Im letzte Moment konnte Efferdane ihre Begleiterin zur Seite stoßen, sonst hätte der Dolch sein Ziel gefunden. Behände wich der Magus ein Stück zurück, denn mit seiner Waffe war nicht viel auszurichten gegen zwei Schwerter. Die perfekte Illusion hatte ihm vermutlich den letzten Rest seiner Kraft geraubt, so dass er nun nervös nach einem Ausweg aus seiner nachteiligen Lage zu suchen schien.

»Ergib dich!«, zischte ihm die Vogtin zu. Als Antwort schleuderte der Magier ihr seinen Dolch entgegen und wandte sich zur Flucht.

»Fulminictus Donnerkeil!«, rief da laut und deutlich der Bärenauer Magus und bedrohte den Flüchtenden mit der Faust. Im selben Augenblick schrie dieser laut auf, umfasste mit beiden Händen seinen Kopf – und fiel bewusstlos nieder. Endlich war der so lange gesuchte, gefährliche Nekromant unschädlich gemacht! Den echten Cantzler unterdessen fand man kurz darauf gefesselt, geknebelt und seiner kostbaren Robe beraubt im Schrank seines eigenen Zimmers. Er war, Praios sei’s gedankt, von Verletzungen verschont geblieben.