Geschichten:Das Glück des Meuchlers - Nummer 4 schlief

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Gardelauen, spät am Abend

Das Gasthaus lag im Dunkeln, nur die Willkommenslaterne baumelte vor dem Tor zum Hof und spendet ein wenig Licht. Wenn man bedenkt, wie nah Gareth war, musste man sich wundern, wie still und verschlafen der Marktflecken lag. Und warum es hie rüberhaut ein Gasthaus gab – wo doch in Gareth zahllose, günstiger gelegene Unterkünfte aus die Reisenden warteten.

In einer dieser Unterkünfte, mehrere Meilen vom „Gardelauener Krug“ entfernt, schlief bereits dessen Wirtin gemeinsam mit ihrem Gatten den Schlaf der Gerechten. Sie hatte Urlaub bekommen – den ersten ihres Lebens als Wirtin. Auch der Schankbube, die Stallmagd, der Knecht sowie die Köchin hatten frei und schliefen außerhalb des Gasthauses. Dieses war dennoch keineswegs leer. Einige Reisende waren abgestiegen, hatten die Küche genossen, die heute besonders gut gewesen war, und waren auf ihren Zimmern zu Bett gegangen. Der Schlafsaal war heute leer.

Schliefen denn alle im „Krug“?

Nein, keineswegs. Die Stimme eines unter einem Tisch im Schankraum keineswegs schlafenden Menschen flüsterte soeben einem unter dem Nachbartisch Kauernden zu: „Da kommt er, wie erwartet.“ Kaum ein Laut sandte das Missfallen über diese unnötige Bemerkung zurück.

Aus der Kammer neben dem Schanktisch hörte man leises Scharren. Hier war ein Fensterladen einladend offen geblieben. Der Einbrecher, der die Einladung angenommen hatte, öffnete lautlos die Kammertür, huschte heraus und war kaum auszumachen – selbst für die Beobachter, die auf diese Erscheinung geartet hatten. Der Einbrecher kannte sich aus – denn kurz darauf war er am Pult zur Küche zu hören, wo die Gästekladde lag. Der Schein eines Gwenpetryls leuchtete kurz auf – nun las der Einbrecher: „Luring – Zimmer 4“. Der Gwenpetryl wurde wieder weggesteckt, kurz darauf knarrten die Stufen zum Obergeschoss verhalten. Der Einbrecher gab sich Mühe.

Vor der Tür zur Nummer 4 verharrte er lange, hob dann den Sperrriegel vorsichtig hoch, lauschte auf die Atemzüge aus dem Zimmer. Nummer 4 schlief fest.

Die Beobachter unter den Tischen waren sich aus ihren Verstecken gekrochen, horchten hinauf auf den Flur, den man ein Stück einsehen konnte. Nur nicht soweit, dass man die lange, dünne Klinge hätte sehen können, die der Angreifer nun hervorgezogen hatte.

Mit der Klinge voran schlich er in die Nummer 4 – lautlos, langsam, vorsichtig. Seine Mission wollte der Einbrecher offenbar nicht durch Eile gefährden.

Nun stand er am Bett des schlafenden. Luring. Nummer 4. Richtig.

Der Gwenpetryl schimmerte kurz aus tiefer Tasche, damit der Meucheldolch sein Ziel auch finden konnte.

Zack!

Die Klinge durchschnitt Stoff und Fleisch, fand die Ader, durchschnitt auch sie, glitt tiefer und bis in die Matratze. Der Gast aus Nummer 4 röchelte, grunzte, blubberte nicht gerade leise. Bäumte sich auf. Ein Todeskampf mit Dolch im Hals – zum Tode verdammt. Das wusste Nummer Vier und ersuchte dennoch, das Blut zu halten, die Hände auf den Hals gepresst. Vergeblich. Das Blut spitzte und sprudelte, der Körper aber wurde schwächer, fiel zurück auf das Bett, bäumte sich erneut, rutschte herab, schlug dumpf auf den Boden. Die Beine zappelten, knallten auf die Dielen. Leise war das nicht.

Dennoch nahm der Einbrecher, der Meuchler, nicht Reißaus. Fasziniert betrachtete er das schattenhafte Schauspiel vor ihm. Endlich!

Eine Blendlaterne blitzte auf. Eine zweite. Blind vor Helligkeit schlug der Meuchler die Hände vors Gesicht. Erschrocken, ertappt, übertölpelt. Er keuchte – fast so laut wie die röchelnden Laute seines Opfers, das aus schreckgeweiteten Augen heraufstarrte.

‚Verdammt‘, dachte der Meuchler, ‚das war kein Luring. Der war nur aus Luring! Wieder falsch!‘

Im nächsten Moment legte sich ein feiner Draht um den Hals des Meuchlers, der sofort wusste, dass es nun mit ihm aus war. Er bekam die Finger nicht mehr unter den Draht, der sich jetzt in seinen Hals fraß, ihm gleich die Luft abschneiden würde. Der zweite Meuchler, der den Draht hielt, zischte dem ersten ins Ohr: „So geht das.“

Dann schlug etwas hart gegen die Schläfe des Einbrechers.