Geschichten:Aldegund von Weißenstein

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Markt Weißenstein, Königlich Serrinmoor, Ende Hesinde 1045 BF:

Aldegund saß an ihrem Schreibtisch in ihrem Amtszimmer im Marktherrenturm und rieb sich ihre Knie. Sie schmerzten. Seit 35 Götterläufen stieg sie die unzähligen Stufen des Turms empor, um in ihr Amtszimmer im obersten Stockwerk zu gelangen. Freilich, von hier hatte sie einen vorzüglichen Blick über den Marktplatz auf den vor Pracht strotzenden Praios-Tempel auf der anderen Seite des Marktplatzes, doch ihre Knie wollten schon lange nicht mehr so wie sie es gerne hätte. Aber, sich zu beklagen war ihre Sache nicht – trotz ihrer 80 Winter, die sie zählte.

So verhielt es sich auch in der Ehe. 25 Götterläufe war sie mit ihrem ungeliebten Gemahl verheiratet, bis dieser 1011 BF endlich starb. Welche Erleichterung. Ein unbedachter Moment in jungen Jahren und schon wurde sie in dieser Ehe gezwängt. Ein Ausrutscher im Namen Rahjas, mit großen Folgen. Solch eine Charakterschwäche sollte ihr nicht noch einmal passieren. Nach dem Tod ihres Gemahls kehrte sie ihren Kindern den Rücken und kehrte zurück in den Schoß ihrer Familie. Von ihrem Vetter Konnar wurde sie mit der Verwaltung des Marktes Weißenstein betraut. Einer Aufgabe, die sie alle die Götterläufe gewissenhaft und mit gebotener Strenge nachging.


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Der Markt Weißenstein, das war eigentlich nur ein Marktplatz zwischen der gleichnamigen Burg und dem Praios-Tempel, wie Auswärtige zu witzeln pflegten. Da war auch durchaus etwas Wahres dran. Dominiert wurde der Ort von den zwei Gebäuden, zum einen der an der Serre liegenden trutzigen Burg Weißenstein und zum anderen dem prächtigen Praiostempel, der als der größte und bedeutendste in Waldstein galt. Beide Gebäude standen sich am Marktplatz einträchtig gegenüber, waren in Weißenstein doch weltliche und kirchliche Macht schon immer nah beieinander und seit je her in den Händen der Praios ergebenen Familie Weißenstein. Früher, ja früher war der Marktflecken weitaus bedeutender gewesen, als Weißenstein noch Hauptort der gleichnamigen Baronie war. Doch das war schon lange her. Nach dem Sturz der Priesterkaiser verlor die Praios fromme Familie Weißenstein ihre Baronie. Die Lande wurden gar umbenannt – in Königlich Serrinmoor. Ein Umstand, der noch heute, nach all den Jahrhunderten, der Familie ins Herz stach. So war es keine Überraschung, dass jeder Junker von Weißenstein danach trachtete die Baronswürde wiederzuerlangen – bisher freilich vergebens.

Mit der Degradierung der Familie Weißenstein begann auch der wirtschaftliche Abstieg des Marktes. Führte früher die Alte Greifenfurter Landstraße durch den Marktflecken und führte so Händler in den Ort, begannen die ersten Kronvögte mit dem Bau des Knüppeldamms durch die Serrinmarschen. Auf einmal war der Markt von der Haupthandelsroute abgeschnitten. Ihr Heil suchten die Weißensteiner in fast schon fanatischer Praiosergebenheit. Sie bauten den Tempel immer weiter aus, sodass er zum größten und bedeutendsten im ganz Waldstein wurde. So wurde Weißenstein noch mehr zu einem Hort des Praiosglauben und die Weißensteiner Richtung der Kirche galt als besonders erzkonservativ. Nicht selten brannten auf dem Hexenhügel außerhalb der hölzernen Palisade die Scheiterhaufen – zuletzt in großer Zahl vor wenigen Götterläufen, als die Ketzer der sogenannten Bekenner hier verbrannt wurden.

So wurde aus Weißenstein ein Pilgerort und auch der Markt hatte sich entsprechend angepasst. Wachskerzen, Heiligenfiguren und Praios-Amulette, waren neben dem überregional bekannten Spargel die Hauptverkaufsgüter. Über all das wachte mit eiserner Hand und Praiosstrenge Aldegund von Weißenstein vom Marktherrenturm aus, der in der Vorburg der trutzigen Burg Weißenstein lag.


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Es war spät geworden. Die Wachskerzen waren fast schon heruntergebrannt, als sich Aldegund von ihrem Schreibtisch erhob. Für diesen Tag war ihre Praios gefällige Arbeit getan. Der nächste Tag würde, wie schon seit vielen Götterläufen, mit dem Praiosgruß beginnen und dann würde sie ihre Arbeit fortführen – unbeirrbar.

So löschte sie alle Kerzen bis auf eine und stieg dann die alte Steintreppe des Marktherrenturmes herab. Doch, ihre Knie wollten nicht mehr und gaben noch, sodass die alte Frau das Gleichgewicht verlor und stürzte. Am nächsten Tag war es der Knappe Noring, der Aldegund leblos auf den Treppenstufen fand.