Geschichten:Algerte von Hasenwaldeck

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Praiostempel zu Weißenstein, Königlich Serrinmoor, 8. Ingerimm 1045:

In Scharen strömten die Bewohner des Marktfleckens Weißenstein in ihren Praios-Tempel. Es war ihnen keine Frage von Pflicht, nein, es war ihnen ein persönliches Anliegen. Nirgendwo sonst waren Klerus, Adel und Bürger so eng miteinander verflochten. Für Bürger und Unfreie gleichermaßen, waren die Geweihten im Tempel lebende Heilige, die ihnen mit Rat und Tat durchs Leben führten – von der Geburt bis in den Tod. So nahmen sie aufrichtige Anteilnahme an allem, was im Tempel passierte, besonders wenn eine ihrer Heilsbringerinnen zu ihrem Herren berufen wurde.

Das große, zweiflügelige Portal des Tempels zeigte zwei einander zugewandte Greifen und war weit geöffnet. Jeweils eine ihrer Klauen, bildeten den vergoldeten Türknauf ein jeder Flügeltür. Nun schritt der Gläubige durch den sogenannten Büßergang. Auf dem Weg zu Tempelheiligtum sollte sich der Gläubige seiner selbst und seiner Fehler und Unzulänglichkeiten gewahr werden und reinen Herzens vor einer zweiten Tür, deren Rahmen von zwei Ucuri-Darstellungen flankiert wurden, treten. Dieser eröffnete den Weg in die große Kuppelhalle des Tempels. Die Kuppel, die vor zwölf Säulen getragen wurde, zeigte ein riesenhaftes Greifen-Fresko. An den Außenseiten der Halle befanden sich Nischen für die einzelnen Heiligen, denen dort auf prachtvollen Altären und vergoldeten Statuen geopfert und gehuldigt wurde. Hinter dem ganz und gar mit Bernstein besetzen Sonnenaltar stand eine über-mannsgroße, vergoldete Statue, die den Götterfürsten Praios mit menschlichem Leib und Greifenkopf zeigte.

Vor dem Altar wurde der Leichnam von Donatora Lumini Algerte von Hasenwaldeck aufgebahrt. Davor knieten Custos Lumini Lechmar von Weißenstein, sowie die anderen Lichtbringer des Tempels Griffpurga von Hagenau-Ehrenfeldt, Elgor von Bergensteen, Alwene von Schennich-Muchsen und Solaria von Ulmenhain.

In der ersten Reihe saßen neben Junker Arnulf von Weißenstein mitsamt seiner Familie, der Junker Ulmenfried von Waldtreuffelingen mit seinen Schwestern Gunhild und Rohrgerda, sowie Junker Hartwulf Gerbald von Hasenwaldeck und die Vögtin der gräflichen Güter in Hirschfurt Giselda von Hasenwaldeck, die in Begleitung ihres Sohnes Junker Waldreich Firudan von Rossreut erschienen war. Die Waldtreuffelingens waren Enkelkinder der verstorbenen Praiota, ebenso wie Junker von Rossreut. Der Junker von Hasenwaldeck war angereist, um seiner Großtante die letzte Ehre zu erweisen. Besonders die gräfliche Vögtin sah sichtlich mitgenommen aus, verlor sie doch in den letzten zwei Götterläufen ihre Schwester, Tante und jetzt ihre Mutter.

Die drei Familien Weißenstein, Waldtreuffelingen und Hasenwaldeck hier so einträchtig beisammen zu sehen, war schon erstaunlich, verband alle drei doch kein Band der Freundschaft. Junker Ulmenfried stand den Elfenfreunden nahe, während Junker Hartwulf eine führende Figur der Traditionalisten war - und Junker Arnulf, der galt als enger Verbündeter des Seneschalls. Doch Praios Glanz überstrahlte jeden Zwist – zumindest für einen Tag.

So schloss sich ein weiteres Kapitel im Buch der Toten.