Geschichten:Eine Grafschaft zu ordnen – Auf dem Weg zur Schwarzen Feste
Auf dem Weg zur Schwarzen Feste, Ende Rondra(/Anfang Efferd) 1046 BF
Das etwas unbehagliche Gefühl verließ sie, je weiter sie sich von Mor’Tres entfernten. Noch einmal durchquerten sie die Stadt Gallestra und folgten dann der Straße süd-westwärts über den Ort Merselskranz, in dessen Tempel der namensgebende Kranz aufbewahrt und gehütet wurde. Nur kurz hielt es sie dort, wollten sie doch noch am selben Tag noch ein gutes Stück weiter kommen. Also durchquerten sie auch noch das Dorf Emerspfort im Junkertum Silberblick, dass eine gute Lage aufwies und deshalb schon seit geraumer Zeit einen Marktstatus anstrebte, wie man ihnen dort berichtete.
Am Abend kehrten sie dann im lavendelumwachsenen Ort Breyersdorf ein, welcher vor nicht allzu langer Zeit aus nur wenigen Gehöften erwachsen war und nun satten Wohlstand und gar drei kleine Tempel sein eigen nannte, 'Glück' hatten die Leute hier dafür ausgemacht. Auf lange Sicht müsste dies mal untersucht werden. Von dort aus war es am nächsten Tag nur noch ein Katzensprung bis zur Grafenstraße, die sie durch das Junkertum Boeingen direkt in die Baronie Zagbar führte.
So ritt die Inventurgruppe bereits in den frühen Morgenstunden los und wie sie über die Drommsel kamen und dem Grafenstieg folgten bemerkten sie die schleichende Veränderung der Flora. Noch immer dominierten braungrüne sowie lavendelfarbige Töne die Landschaft, doch sah man immer öfters auch ein sattes grün und die erdigen bis grauen Gesteinstöne des aufsteigenden Zagroschs, den man begann langsam zu erahnen, erhoben sich doch die Gallberge an der Junkertumsgrenze und würden sie bis in die benachbarte Baronie begleiten.
Zur Mittagszeit hatten sie die Grenze zwischen den Baronien Gallstein und Zagbar erreicht und rasteten in einer der kleinen Wegetavernen, welche die Bewohner Boeingens als Einnahmequelle betrieben. Dort lies man sich noch aus dem Junkertum berichten, von der alteingesessenen Familie Boe und Lavaender. Das Essen war stärkend, wenn auch einfach - und mit ausgeruhten Gliedern, machte man sich dann daran, den restlichen Weg bis zum Markt Gorgan zurückzulegen.
Der Markt lag inmitten von großen Getreideäckern, deren Ähren erntereif auf den Feldern stand und tatsächlich konnte man bereits vereinzelt Bauern der Gegend dabei beobachten, wie sie sich langsam auf die Ernte in wenigen Monaten vorbereiteten. Gorgan, so wusste Junivera von Hogenthal zu berichten, galt mit seinen Feldern als kleine ‘Kornkammer’ Zagbars. Bis Heute war das Getreide ein begehrtes Produkt für das nahe Xavolosch und für die Stadt Zagbar. Der Garm fügte wissend hinzu, dass jedoch zumindest die Vorstadt der Binge seit langer Zeit kein Getreide mehr bezogen hatte, waren die Tore der Zwerge doch den meisten verschlossen, seit sich der einstige Baron mit den seinen dorthin zurückgezogen hatte. Ganz zu schweigen von der gleichnamigen Zwergenbinge, dessen Vorhof die kleine Stadt vor deren Eingang, in der auch (wieder) Menschen wohnten, nur war. Dabei hatte diese Stadt schon immer einen Sonderstatus und durfte aufgrund der Lex Zwergia und der ‘Bulle von Xavolosch’ durch die Zwerge selbst verwaltet werden, anders als die Stadt Zagbar, die einen seltsamen Schwebestatus zwischen Baron und Graf hatte, was noch aus der Zeit der alten Zwergenbarone stammte, ein Umstand den es genauer zu untersuchen galt hier.
Tatsächlich hatte die Baronie Zagbar in der jüngeren Vergangenheit eine turbulente Zeit durchgemacht. Der zwergische Baron Gorbon, Sohn des Gorsch, war gut eine Dekade als einziger zwergischer Baron des Königreichs bekannt, hatte dies von seinem Vater übernommen, doch angeblicher Schmuggel in den Zwei-Kaiser-Jahren nach Almada, Unstimmigkeiten in der Zehntabgabe an den Grafen, attestierter Reichsverrat sowie dem irgendwie daraus resultierenden Ausrufen einer Bergfreiheit zwangen den damaligen Grafen Siegeshart von Ehrenstein 1030 BF zu einem drastischen Eingreifen. Seit dem hatten sich die Zwerge in ihrer nahen Binge zurückgezogen und Olruk von Eslamsgrund als neuer Baron das Ruder Zagbars in der Hand bekommen. Der Konflikt zwischen dem jetzigen und ehemaligen Baron schwelte nun schon 15 Jahre vor sich hin und nicht wenige hatten den ehemaligen, immer stärker vergeistlichten Grafen für diesen allgemeinen Schwebezustand verantwortlich gemacht. Das musste auch der Zwerg irgendwann erkannt haben, hatte er doch vor einigen Jahren Klage vor dem Reichsgericht eingereicht, mit den Worten ‘er könne das aussitzen’.
In Gorgan nahm sich die Gruppe im Gasthaus “Zum Eber” Zimmer und trafen auf Gerion von Kupfergrab, welcher als Junker über das gleichnamige Lehen herrschte und in Gorgan seinen Sitz hatte. Der Junker trat reserviert gegenüber der Inventurgruppe auf, was sicher auch daran lag, dass er als einstiger Hausritter Siegesharts seine Anstellung verlor, als Gerwulf von Gareth auf Burg Reinherz einzog. Zudem wurden sie das Gefühl nicht los, Gerion würde etwas auf der Seele liegen, doch vorherig genannter Umstand hielt ihn davon ab, es ihnen zu berichten.
Entsprechend knapp gab Gerion Auskunft über sein Lehen. Seine ebenfalls anwesende Gattin, Zylva von Necata, ließ durchklingen, dass man in der Familie sehr unglücklich darüber war, wie sich die Dinge entwickelt hatten. Immerhin sei man, anders als seine Hochgeboren der Baron (und z.B. Rondira von Storchenhalm), eben nicht dem Roten hinterhergelaufen, sondern war treu zum Grafen gestanden, dem man einen Eid geleistet hatte. Doch nun, mit dem Fortgang von Burg Reinherz, fühlte es sich so an, als sei man verbannt und der gräflichen Administration unliebsam. Damian von Malagant machte sich entsprechend Notizen und Venward versuchte den Abend über noch die Wogen etwas zu glätten, ehe man zu Bett ging.