Geschichten:Seelensuche – Von der Kunst mit Vögeln zu jagen

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Unweit der Pfalz Bugenhog, Ende Phex 1038 BF, früh am Morgen


Die kleine Jagdgesellschaft hatte an einem kleinen Tümpel Halt gemacht und wartete auf das Zeichen des in edlen bornländischen Pelzen gekleideten Anführers und seines Ehrengasts aus Waldstein. Der kalte Bodennebel kroch den Adligen in die Glieder, aus den Nüstern der Pferde stieg weißer Dampf hervor. Langsam deutete sich am Horizont ein roter Sonnenaufgang an.

Ausgiebig hatte man sich darüber unterhalten, wie die Gründung des neuen Ordens von Korgond zu bewerten sei, und Leomar von Zweifelfels spürte deutlich, dass sein Gastgeber dieser Frage kaum wirkliche Beachtung schenkte. Es entsprach nicht der Politik der jungen Familien, irgendwelchen mythischen Phantasmen hinterher zu eilen, in der Hoffnung auf eine märchenhafte Belohnung. Parinor wusste wohl besser als jeder andere Adlige im Königreich, dass die wirkliche Politik sich hinter solchen Fassaden versteckte, wenn ganz andere Interessen im Spiel waren. Ähnlich hatte er von der Bedrohung durch Haffax gesprochen, und auch in der Frage nach irgendwelchen Zauberschwertern, wie den acht Alten der Goldenen Au, zeigte er keinerlei Leidenschaft.

Zwei Falkner der Pfalz brachten den beiden Hochadligen je einen bekappten Vogel. Während sich der kräftige Falke des Waldsteiner Kronvogts unruhig auf dem Handschuh hin und her bewegte, saß der eher schmächtige und zierliche Raubvogel des Pfalzgrafen bewegungslos und still.

»Ihr kennt die Regeln der Beiz, Hochgeboren«, sagte Parinor von Borstenfeld zu seinem Gast. »Besonders günstig ist nebliges Wetter oder etwas Nieselregen, der wie Tau fällt, weil dann der Falke alles weniger deutlich sieht und sich, weil er naß wird, nicht nur weniger fürchtet, sondern auch weniger Lust hat zu springen, und wie alle Tiere wird auch er bei solchem Wetter verdrießlich.“

»Fürwahr, dann haben wir das heute das beste Wetter dafür«, pflichtete der Waldsteiner bei.

Ein Lächeln umspielte die Mundwinkel des Pfalzgrafen. »Ich weiß nicht, wie Ihr es haltet. Aber das Bestreben eines jeden Falkners sollte darauf gerichtet sein, Beizvögel zu besitzen, die in der Kunst erfahren sind, ihre vorbestimmte Beute zu schlagen.“

Sein Blick glitt hinüber zu seiner Knappin und seinen Hofrittern, die gespannt auf ihren Pferden saßen und aufmerksam den Ausführungen ihres Herren folgten. »Die einen vermögen zwar schnell zu steigen, doch mangelt es ihnen an Kühnheit, in der Nähe von Gewässern auf ihre Beute niederzustoßen. Andere besitzen sie, weil sie das Wasser nicht fürchten, doch können sie nicht schnell steigen. Wieder andere verfügen über beide Eigenschaften, und schließlich gibt es auch noch solche, bei denen man weder die eine noch die andere findet. Diese Falken verdienen keinerlei Lob; sie sind nämlich für ihre Aufgaben völlig ungeeignet.«

Leomar von Zweifelfels nickte zustimmend und setzte keck hinzu: »Und natürlich nicht nur bei den Tieren, Hochwohlgeboren.«

Das süffisante Lächeln des Pfalzgrafen war Antwort genug, und ohne weitere Worte schnürte er vorsichtig die Haube seines Greifvogels ab. Ein Schwarm von Wildgänsen auf dem Weg zurück aus dem warmen Süden hatte sich am Wasser niedergelassen. Bald würde ihre Brutzeit beginnen. Parinor gab seiner Knappin ein kurzes Zeichen, dass diese mit einen Pfiff die ahnungslosen Vögel aufschrecken sollte. Kurz darauf ließ Parinor seinen Falken auf das heilige Tier der Travia los. Der schlanke Raubvogel stieg mit einem leisen Schrei hinauf in den Himmel und ließ sich zielstrebig auf eines der schwächeren Tiere fallen, schlug ihm im Flug seine Krallen in das graue Gefieder und verschwand nach einiger Zeit hinter einer dunklen Baumgruppe.

Der Waldsteiner Kronvogt, der kurz gezögert hatte, ob er es seinem Gastgeber nachtun solle, entschloß sich schließlich ebenfalls sein Jagdtier auf den fliehenden Schwarm anzusetzen. Der kräftige Vogel hatte sich den Anführer des Schwarms ausgesucht und griff beherzt an. Doch plötzlich schoss ein dunkler Schatten aus dem nahen Tann heraus und ein wilder Falke stürzte sich auf seinen Rivalen. Leomar stieß einen kurzen Überraschungsschrei hervor, und beobachtete mit Spannung den Ausgang des unerwarteten Kampfes. Schließlich ließ sich sein Jagdvogel fallen und tauchte ab, während der wilde Falke seinem entflohenen Opfer ohne Erfolg nachsetzte.

Mit einer fließenden Bewegung holte Leomar seinen Jagdbogen von seinem Rücken hervor, legte einen Pfeil auf und ließ die Sehne los. Der Pfeil surrte in der Luft und schlug sicher in die Brust seines Zieles ein. Feder stieben auf und wie ein Stein fiel der Vogel zu Boden. Die fliehenden Wildgänse verschwanden in den Schutz der Dunkelheit.

»Der Falkner muß einen klaren Verstand besitzen«, bemerkte er trocken zu seinem Gastgeber, »denn wenn er auch vieles von erfahrenen Kennern dieser Kunst lernen kann, muß er doch auch selbständig überlegen und entscheiden können, was in unvorhergesehenen Fällen notwendig ist.“

Beide Adligen gaben ihren Pferden die Sporen und machten sich auf die Suche nach ihrer Beute und ihrem Jagdtier. Doch während sich der Pfalzgraf von Bugenhog auf einen saftigen Gänsebraten freuen konnte, bestand die Jagdbeute des Kronvogts aus einem erlegten Falken.

»Ihr habt mir gegenüber einen Vorteil, Hochgeboren«, bemerkte der Pfalzgraf trocken. »Ihr habt bereits den richtigen Vogel geschossen, während ich noch auf die richtige Gelegenheit dazu warten muss, einen Falken zu erledigen. Und was Eure Anfrage nach einem Geschäft anbelangt, kann ich Euch tatsächlich weiterhelfen. Lasst uns doch bei unserer Rückkehr über den Preis verhandeln…«