Geschichten:Turnier verloren - Erkenntnis gewonnen

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Zeltplatz, unweit des Turniergeländes, Ende Rahja 1046 BF

Lucian von Malgant schritt äußerlich ungerührt durch die Reihen der Zelte, welche sich um das Turniergelände und dem Schloss angesiedelt hatten. Er selbst hatte ein Zimmer in einem der Gasthäuser bekommen, doch sein Bruder – der erst kurz vor knapp hier eingetroffen war – musste sich mit einem Platz in den hinteren Rängen begnügen. Entsprechend lange musste die Goldkatze laufen, bis sie das grüne Zelt mit dem Familienwappen erblickte.

Das für sich genommen hätte sicherlich nicht gereicht, um ihn zu verstimmen. Doch das überraschende Ausscheiden – ohne einen Ritt! – seines Bruders aus dem Turnier hatte ihn doch sehr erbost. Sicher, er war überrascht gewesen, dass Damian überhaupt eine Runde überstanden hatte, dass er nun aber das Halbfinale sausen ließ? Angeblich krank! Wer wurde denn bitte innerhalb kürzester Zeit so krank, dass er eine verdammte Turnierlanze nicht mehr halten konnte?!

Ohne sich anzukündigen, riss er die Stoffbahnen zur Seite und schritt hinein. Das Innere des Zelts lag im Dämmerlicht. Es roch nach teurem Wein, Schnaps und Schweiß. Auf diese eigenartige Mischung nicht vorbereitet, zog es dem Junker zu Zollsteyn den Hals zu und während er sich von diesem Schock erholte, registrierte er eine Bewegung im hinteren Teil des Zelts.

„Wer stört…?!“, kam schwach, aber vorwurfsvoll von der Schlafstatt. „Lasst mich in Ruhe, ich brauche Ruhe, keine Störung!“, setzte die Stimme – welche Lucian nun eindeutig seinem jüngeren Bruder zuordnen konnte – nach.

„Du wirst doch dein eigen Fleisch und Blut, welches nach dem Rechten sehen will, nicht einfach so wegschicken?“, säuselte der Ältere der Beiden, messerscharf durch die Dunkelheit und trat näher an die Schlafstätte Damians heran. Dank dem offenen Eingang fiel genug Licht in das Zelt, damit Lucian sich ein gutes Bild von seinem Gegenüber machen konnte.

Des schönen Ritters langes blondes Haar klebte nass an seinem Kopf. Von den natürlichen Wellen war nichts mehr zu sehen und das Gesicht hatte an Farbe verloren. Alles in allem machte Damian seinem Namen gerade keinerlei Ehre. „Dann stimmt die Erklärung des Herolds also doch…“, stellte Lucian knapp fest.

Der Angesprochene blickte irritiert zu seinem ungebetenen Besuch herauf und schüttelte missmutig den Kopf. „Dass ich wegen plötzlicher Krankheit nicht reiten kann? Natürlich! Oder glaubst du ich schwitze immer so und trinke diesen ekligen Fibersirup, weil er mir so gut schmeckt?!“.

Der Junker hatte einen Stuhl herangezogen und sich nun daraufgesetzt, nachdenklich fuhr er sich mit der Linken durchs Haar. „Ja nun, wer bis in das Halbfinale kommt und dann plötzlich krank wird? Das schaut schon danach aus, als ob derjenige Angst vor seinem Kontrahenten gehabt hätte“. Gab die Goldkatze ruhig von sich.

Der schöne Ritter rümpfte verächtlich die Nase, „pah! Als ob ich vor so einem schlunder Hinterwäldler Angst hätte! Den hätte ich genauso aus dem Sattel gehoben, wie ich es beim Weyringhaus und dem Binsböckel getan habe!“. Er zog seine Decken noch etwas höher, sodass sie ihm nun bis unters Kinn reichten. „Aber ehe ich mir die Blöße gebe, vor Fieber vom Pferd zu fallen, habe ich meinen Antritt abgesagt…“.

Sein Gegenüber nickte verstehend. Dieses Turnier hatte so einige Überraschungen parat gehalten. Dieser Riko von Sterz, der als einer der Favoriten galt, war zeitig ausgeschieden. Auch der gute Baron von Hirschfurten hatte es nicht mal ins Halbfinale geschafft. Solche Überraschungen hatte der Goldkatze etwas Silber gekostet, was sie aber verschmerzen konnte, würde sie doch nie mehr Wetten, als sie bereit war zu verlieren. „Hast du mit dem Wayringhaus gesprochen?“, kam ihm dann in den Sinn, als er noch mal die Antwort Damians durchging.

„Will wohl nun öfters nach Monvaldorn kommen um… Irgendwen zu besuchen, keine Ahnung, habe mich nur kurz mit ihm unterhalten, um abzuklopfen, wie empfänglich er für Absprachen wäre“. Der Jüngere stockte kurz, griff zu einem Fläschchen auf seinem Beistelltisch und nahm einen Schluck davon, was ihn erzittern ließ. „So unbestechlich wie man es sich nur vorstellen kann, also hab ich ihn mit meinem Glü… Können besiegen müssen“.

„Aha, Roban möchte also seine Schwester öfters sehen? Na das ist ja mal interessant. Danke Damian, das waren aufschlussreiche Erzählungen. Nun ruhe dich aus, damit das Fieber sinkt und mach dir keine Gedanken über etwaige Gerüchte, mögen sie noch so brodeln“. Damit erhob sich der Junker zu Zollsteyn und schritt ohne eine Reaktion abzuwarten aus dem Zelt heraus. Dass es Damian ins Halbfinale geschafft hatte, könnte man sicher irgendwie nutzen. Viel interessanter war jedoch, dass der Blick der Familie Weyringhaus sich nach Monvaldorn richtete.