Geschichten:Wolfaran und Leonora - Kälbchen werden flügge

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Villa Ox, Kaiserstadt Gareth, Ende Peraine 1042 BF

Wolfaran wartete in der Villa Ox auf seinen Vater. Er wusste, dass er auf dem Weg nach Gareth war und wollte ihn unbedingt sprechen. Er wollte es ihm als Ersten sagen, obwohl Wolfaran befürchtete, dass seinem Vater die Information schon zugetragen wurde.

Er wies die Bediensteten an ihnen eine kalte Schlachtplatte zuzubereiten und das Schlunder Wiesenschlösschen kalt stellen. Bei Fleisch und Bier ließ sich die Neuerung vielleicht besser überbringen.

Seine Frau verbrachte den Tag im Studienseminar und die Kinder waren bereits zu Bett gegangen. Wolfaran saß im großen Kaminzimmer und las den aktuellen Märker Herold, als das Öffnen der großen Eichentür am Haupteingang seinen Vater ankündigte. Er atmete für sich tief durch und legte sich seine Worte zurecht.

Wolfaran hörte mit einem Ohr, dass die Bedientsten dem Reichsvogt berichteten, dass sein Sohn auf ihn warten würde. Die innerliche Anspannung im jungen Ochsen stieg an, als der Reichsvogt der Efferdstränen das Zimmer betrat. Die bissigen Blicke Leobrechts, die er seinem Sohn zu Teil werden ließ, verkündeten diesem schon, dass sein Vater bereits bestens informiert zu sein schien.

Dennoch Wolfaran hatte sich vorgenommen, die Sachlage ruhig zu besprechen - nicht zu schreien und nicht zu wüten. Wolfaran blieb sitzen, öffnete zwei Biere und hielt eines seinem Vater auffordernd hin. Leobrecht nahm erst ein Mal einen tiefen Schluck Wiesenschlösschen und setzte sich in den Ohrensessel neben seinen Sohn, sein Bier prostete er ihm zu - wiederum auffordernd, dass Wolfaran sagen sollte, weshalb er den weiten Weg auf sich genommen hatte.

Schweigen - minutenlange Stille - hüllte den Raum und beide tranken den kühlen Gerstensaft.

Wolfaran ergriff als erster das Wort. "Vater, ich muss Dir etwas mitteilen. Ich habe es mir reiflich überlegt, sowie gut durchdacht und die Entscheidung getroffen als Kanzleirat für Eich- und Wägewesen zurückzutreten. Die Reichsrätin hat meinem Wunsch entsprochen und mein Rücktrittsgesuch angenommen."

Leobrecht nahm besser noch einen Schluck und räusperte sich. "Es wurde mir zugetragen." sagte er knapp.

"Ich weiß, es war Dir wichtig einen Ochs in der Reichskanzlei zu sehen." fuhr Wolfaran fort, bedacht und die Stimme gesenkt. "Daher konnte ich meine Reichsrätin Thalia von Eberstamm-Weidenhag von Leonora begeistern. Sie ist von ihrer herzhaften Art angetan und so ist es mir gelungen, sie davon zu überzeugen, dass meine kleine Schwester mir folgen wird. Erlan von Sindelsaum, dem ich von der Aufstiegsmöglichkeit berichtete, erteilte Leo daraufhin den Rittschlag. Sie wäre weit genug und er hätte ihr alles beigebracht, was sie für eine standesgemäßen Ritterin benötigen würde."

Wolfaran konnte aus Leobrechts Mimik entnehmen, dass ihm das Vorgehen überhaupt nicht passte. Er bemühte sich, wie sein Sohn, das ganze emotionslos zu diskutieren. "Leo ist noch keine zwanzig Götterläufe alt, sie sollte studieren und ans Rechtsseminar gehen. Du wusstest, dass das meine Pläne mit ihr waren. Sie ist noch zu jung und unerfahren."

"Vater, ich weiß, dass Du sie weiter ausbilden lassen wolltest. Zu jung ist sie nicht, ich war kein Jahr älter, als mir die Stellung des Kanzleirates übertragen wurde. Leo ist ein kluges Mädchen, nein - eine kluge Frau. Sie hat bisher alles getan, was Du von ihr verlangt hast. Sie hat geheiratet - einen Mann den sich nicht ausstehen kann. Sie hat einen Erben geboren, den sie nicht zu Gesicht bekommt, da er beim Vater aufwächst. Leo und ich haben beschlossen, dass es an der Zeit ist, dass wir unseres eigenen Glückes Schmied sind."

"Ich bin mir dessen bewusst, dass meine Kleine viel für die Familie gegeben hat und glaub mir, es schmerzt mich zu sehen, dass ihre Ehe unglücklich verläuft. Du warst damals auch schon zu jung, dass muss ich zugeben. Jedoch war die Situation damals anders, die Gelegenheit war da und, so wie mir meine Quellen in der Kanzlei berichten, hast Du Dich nicht schlecht geschlagen. Was hätte aus Dir werden können. Du hättest groß Karriere in der Reichsverwaltung machen können, weiter kommen, als ich es dort je geschafft habe."

"Ich habe Hartwaldener Blut in mir - ich kann Verwaltung" Wolfaran musste beim dem Ausspruch schmunzeln, ebenso sein Vater. "Aber ich bin noch zu jung um mein lebenlang in einer Amtsstube zu sitzen. Hinzu kommt, dass Leonora und ich uns durchaus dabei etwas gedacht haben, auch wenn es für Dich überstürzt aussieht."

"Na dann erzähl mal, was Eure Hintergedanken sind, Sohn! Ich muss Dir aus meiner Sicht auf jeden Fall mitteilen, dass es mir sehr missfällt, dass ihre ein solches Wechselspiel ohne meine Zustimmung durchgeführt habt. Ihr untergrabt meine Stellung als Oberhaupt des Hauses." Leobrechts Ton wurde bissiger.

"Leo und ich, wir sorgen uns um Mutter." Allein die Namensnennung von Korhilda berührte den Reichsvogt sehr, auch wenn er seine Gefühle versuchte zu überspielen. "Wir haben Angst um sie. Die Fehde, das Attentat - dazu habe ich sie in Ongalosch in Gefahr gebracht. Ich habe aus meinen Fehlern gelernt und ich habe das große Bedürfnis sie zu schützen. Mutter braucht jemanden an ihrer Seite, jemandem den sie vertraut. Du bist zu weit weg, bitte versteh doch, wir wollen Dich nicht kränken, aber wir mussten diese Entscheidung so für uns fällen."

"Es ehrt Euch, dass ihr an Eure Mutter denkt. Ihr Wohlergehen liegt mir am Herzen. Dennoch euer Alleingang ist eine Rebellion gegen mich. Ihr untergrabt meine Position. Und das wissentlich. Wenn ihr mich als Vater und Oberhaupt anerkennen würdet, hättet ihr mich im Vorfeld gefragt. So wie es die Tradition uns lehrt."

Wolfaran ärgerte die Sichtweise seines Vatern und kommentierte zänkisch. "Vater, das ist nicht mehr die gute alte Retozeit Deiner Kindheit und auch nicht die glänzenden Jahre Hals. Die Welt ist dunkler geworden, aber Du siehst das in Deinem Alterstarrsinn garnicht. Nicht alles kann man über Tradition erklären."

"Alt das bin ich für Dich? Ein alter Greis, der nicht mehr weiß was er tut? Oder wie darf ich das interpretieren?" der Reichsvogt wurde langsam mürrisch.

Wolfaran hielt inne. Noch vor ein paar Jahren wäre er wie von der Maraske gestochen aufgesprungen und in eine Verteidigungshaltung gesprungen. Doch nein, er wollte sich beherrschen. Der junge Ochse trank noch einen Schluck und wies die Bediensteten an die Schlachtplatte zu bringen. Eigentlich sollten sie schon längst serviert worden sein, doch das Gesinde traute sich wohl nicht in das Kaminzimmer.

"Vater, nachdem Mutter mit Wasserburg belehnt wurde - ich weiß es missfällt Dir - bin ich zum Erbbaronet geworden. Wir beide wissen, dass für mich Vogt Stellen in den garetischen Landen nicht mehr möglich sind. Mutter ist ganz allein in Wasserburg. Ich habe mit Thimorn , ihrem Knappen geschrieben, ihr geht es nicht gut. Vater, Leo und ich haben wirklich Angst um sie. Ich sprach bei der Reichsrätin die Thematik an, bei einem unbedarften Plausch. Die alte Eberstammerin ist wahrlich eine fürsorgliche Frau und hatte ein offenes Ohr für meine Gedanken." Wolfaran war stolz auf sich, er hatte seine Stimmlage wieder beruhigt und sachlich weiterdiskutiert. "Was Leo angeht, sie wird nicht allein in der Kanzlei sein. Alrik Herdan wird dort als Assessor verbleiben und ihr eine Stütze sein."

Leobrecht brummte - irgendwas zwischen Missfallen und Verständnis. "Der Ruchin...." Gedanklich beendete er den Satz mit "...der will doch nur in das Bett meiner Tochter", das sprach er jedoch nicht aus.

"Alrik Herdan ist ein umsichtiger, junger Mann. Er wird auf Leo Acht geben und ihr helfen sich in der Reichskanzlei zurecht zu finden. Da bin ich mir sicher."

Leobrecht sagte nichts, trank lieber noch ein Schluck Bier und schmauste mit grimmigen Blick von der Schlachtplatte.

"Vater, sie mögen sich - sehr sogar. Leo hat Dir einen Erben geschenkt, damit Hordenberg in Ochsscher Hand bleibt. Sie hat ihre Pflicht erfüllt. Lass ihr bitte das Stück Glück und wir beide wissen, in Elenvina kann sie glücklich werden."

Leobrecht nickte zaghaft. Was sollte er kritisches zu ausserehelichen Verbindungen sagen, er der drei Bastarde mit der Liebe seines Lebens gezeugt hatte.

Die beiden Ochsen schienen sich mit der Situation arrangiert zu haben. Sie blieben zwar bei ihrern unterschiedlichen Ansichten, aber es machte dens Anschein, als könnten beide einander respektieren.