Geschichten:In Ihrem Schatten – Über den Schatten springen

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Am reisenden Kaiserhofe, im späten Phex 1038 BF:


»Euer Majestät

»Ah, Streitzig, Ihr seid es. Was hat Unser Hofmarschall Uns zu berichten?«

»Vakanzen.« Salvin von Streitzig brachte es mit einem Wort auf den Punkt, wurde dann nach einem Augenblick doch konkreter. »Die Burggräfin der Gerbaldsmark ist tot; erstochen, wohlgemerkt. Damit ist inzwischen die halbe Kaisermark vakant. Kaiserliche Vogteien, wohlgemerkt; Euer eigen Land. Verwaist, zum Teil seit Monaten.«

»Haben Wir nicht fähige Köpfe in Gareth, einen Kanzler, einen Markvogt

Der Hofmarschall straffte sich. »Luring ist die Hand der garetischen Krone, Rabenmund jene der Kaiserin. Eure Linke und Eure Rechte, wenn Ihr so wollt. Doch ich fürchte, sie arbeiten selten Hand in Hand.«

Die Kaiserin blickte ihren Hofmarschall auffordern an; sie erwartete Einzelheiten.

»Luring ist sehr rührig, um es vorsichtig auszudrücken. Zu rührig, wenn Ihr mich fragt; allerdings in seinem Sinne.«

»Das Haus Luring hat dem Reich gute Dienste geleistet.«

»Eben drum, Majestät, hat. Ebenso wie es eine Reichsstadt im Handstreich genommen hat. Und das Haus Rabenmund?« Der Hofmarschall schwieg einen Moment, fuhr jedoch fort, bevor die Kaiserin das Wort ergriff. »Es ist das alte Problem, Majestät. Die Garether Burggrafen sind Vasallen Eurer kaiserlichen Majestät, doch zugleich im Zedernkabinette die Berater des Cantzlers Eurer Königlichen Hoheit. Was gut ist für das Kaiserreich, muss nicht zugleich gut für das garetische Königreich sein, und umgekehrt ebenso. Luring und Rabenmund konkurrieren, doch weitaus mehr um die Macht als um Eure Gunst.«

Rohaja von Gareth seufzte. »Und was ratet Ihr Uns?«

»Bestellt Euer Haus. Wenn das Fundament wackelt, stürzen alsbald auch die Mauern ein. Diesem Risiko solltet Ihr Euch nicht aussetzen; insbesondere mit Haffax vor den Toren.«

»Haffax lasst Unsere Sorge sein und die Unserer Heerführer«, erwiderte die Kaiserin. »Fahren wir mit den Vakanzen fort.«

»Wie Ihr wünscht. Gerade unter den Burggrafen der Kaisermark war es bislang Sitte, nach einem Ableben die Erben in das Amt der Vorfahren zu berufen. Sofern keine Gründe dagegensprechen, wohlgemerkt. Bedenkt, dass Ihr mit der Berufung ins Amte eine weitaus stärkere Verbindung an Eure Hand aufbaut, als ein von Markvogt oder gar Cantzler bestallter Vogt dieses hat, welcher ad Interim die Geschäfte verwaltet.«

Die Kaiserin schwieg einen Moment und holte hörbar Atem. »Ihr habt nicht Unrecht, Streitzig. Wir wollen es überdenken.«

»Da wäre noch etwas, Euer Majestät. Ihr erinnert Euch an die Angelegenheit Gerbaldsberg

»Haben Wir dort nicht unlängst einen neuen Vasallen eingesetzt?«

»Ganz recht, nachdem der vorherige wegen üblen Leumundes abgesetzt worden war. Zu Unrecht, denn die Anschuldigungen waren von dritter Hand fingiert. Soweit ich weiß wurdet Ihr diesbezüglich bereits in Kenntnis gesetzt.«

Die Kaiserin seufzte erneut. »Ein bedauerlicher Zwischenfall, ja, doch leider nicht zu ändern. Doch Ihr wollt auf etwas anderes hinaus, also sprecht.«

»Es gibt eine weitere Vakanz im Garetischen: Randersburg, seit nunmehr über einem Jahr. Es wurde noch immer kein Nachfolger für Hirschfurten bestallt.«

»Hat er nicht einen Nachkommen, der ihm im Amte folgen könnte, wie es auch unter den Burggrafen Usus ist?«

»Schon, doch jener ist bereits Pfalzgraf auf Goldenstein, Euer Majestät. Ich hielte es daher für angebracht, die Reputation des ehemaligen Gerbaldsberger Pfalzgrafen wieder herzustellen. Ein Wiedergutmachung gewissermaßen, zudem eine stärkere Bindung der alten Häuser an Euch.«

»Ah, ich verstehe. Ihr seid ein Fuchs, Streitzig. So bleibt alles in der Familie, nicht wahr?«

»Majestät haben mich durchschaut. Allerdings hat jene Angelegenheit nicht nur dem fürderen Pfalzgrafen geschadet, sondern auch das Ansehen des altehrwürdigen Hauses Streitzig beschmutzt, auch sehr zum Leidwesen Eures Kronobristen im Garetischen, der dem Hause vorsteht. Es wäre eine Geste, gewissermaßen eine Bitte um Vergebung, ohne dabei das Gesicht zu verlieren. Reicht dem Hause Streitzig erneut die Hand; ich bin sicher, man wird sie dankbar ergreifen.« Salvin deutete eine Verbeugung an.

Die Kaiserin schwieg einen Moment. »Wir werden es in Erwägung ziehen.«

»Ich danke Euch, Majestät.« Der Hofmarschall entfernte sich, äußerlich unbewegt, doch innerlich jubilierend. Wenn seine Worte auf fruchtbaren Boden fielen – und die Chancen dafür standen nicht schlecht – schuldeten ihm seine Vettern etwas; Giselbert noch mehr als Wulf. Und es war immer gut, einen Gefallen einfordern zu können…