Geschichten:Herd in Flammen

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Traviakloster zu Hutt, Mitte Boron 1043 BF

Noch immer schwelte die Glut in den Resten dessen, was vor kurzem noch ein stattlicher Gebäudekomplex gewesen war; hin und wieder flammten vom Westwind angefachte Feuerzungen in dem verkohlten Gebälk auf. Rauchschwaden hingen schwer über den in der Hitze zusammengefallenen Mauern. In dem Maß, in dem die Kraft der alles verzehrenden Flammen nachgelassen hatte, war der Morgen angebrochen und gab nun den Blick frei auf die Trostlosigkeit der vollendeten Zerstörung, die im wild flackernden Tanz des Brandinfernos der vorübergegangenen Nacht ihren Ursprung gehabt hatte. Just setzte ein leiser Nieselregen ein, und das Grau der tief über den Himmel treibenden Wolken verband sich mit dem aus den Ruinen aufsteigenden Qualm zu einem Gemisch, das in den Augen biss und den Atem zur Qual werden ließ. Das fürchterliche Krachen und Knacken der Balken und Bohlen war zu einem leisen Knistern und Zischen herabgesunken. Einzeln oder in kleinen Gruppen hockten, saßen, standen nun die überlebenden Bewohner erschöpft vom aussichtslosen Kampf gegen das Feuer inmitten ihrer wenigen geretteten Habseligkeiten in sicherer Entfernung um das, was von ihrer stolzen Heimstadt übrig geblieben war und sahen aus müden Augen den Ankömmlingen entgegen.

Zu spät, dachte Praiodan von Steinfelde verdrossen beim Anblick der rußgeschwärzten Ruinen des Klosters Unserer lieben Frauen Travia zu Hutt und zog fröstelnd den Mantel fester um die Schultern. Zu spät der Regen. Zu spät die Ankunft des Junkers und seines kleinen Gefolges. Das Feuer hatte man zwar sehr wohl gesehen und das Läuten der Sturmglocken gehört, aber die Vorsicht angesichts eines möglichen Hinterhalts seitens der gemeldeten Schlunder Streifscharen hatte ein Ausrücken der wenigen verbliebenen Streiter verzögert.

Es kam Bewegung in die Leute, die sich auf dem Platz vor dem Klostertor um Äbtissin Firine von Luring versammelten. Der Name Luring hatte in Hartsteen zuletzt einen üblen Klang bekommen, war er doch verknüpft mit der Blutigen Buhurt auf dem Erlgardsfeld, einer der schwärzesten Stunden, die der Hartsteener Adel je erfahren musste und der Auslöser für die erneuten Heimsuchungen, welche die Lande um den Feidewald seitdem von allen Seiten erdulden mussten. Doch auch wenn Hochwürden Firine die Tante des unseligen Drego war, hatte Praiodan die sanft auftretende Frau stets als integre Person und Nachbarin geschätzt, die es verstand, die ihr anvertrauten Seelen und Klosterländereien auf gute Weise zu führen und die sich ansonsten von allzu derischen Händeln fernhielt.

„Seid gegrüßt, Wohlgeboren Steinfelde, im Namen Travias“, hörte Praiodan die Äbtissin ihn mit klarer Stimme begrüßen. Sie war ein paar Schritte vorgetreten und verneigte sich. Praiodan bemerkte sehr wohl ihren verdreckten Ornat, den Ruß in ihrem Gesicht und die versengten Haare. Doch trotz dieser bedrückenden Umstände strahlte die Frau mit ihrer aufrechten Haltung eine unbeugsame Würde aus. „Verzeiht, dass wir Euch nicht angemessen willkommen heißen können. Aber Ihr seht ja selbst.“

Praiodan stieg schwerfällig vom Pferd – die Wunde, die ihm Nimmgalf von Hirschfurten in Leuenfried am Unterschenkel beigebracht hatte, war noch immer nicht vollständig verheilt. „Auf alle Fälle bin ich erleichtert, Euch zu sehen, Hochwürden. Wie ist das geschehen?“, erkundigte er sich bei der Klostervorsteherin.

„Sie kamen gestern bei Einbruch der Dunkelheit. Ein schwer bewaffneter Trupp in Schlunder Farben. Sie verlangten die Herausgabe von Gold, Silber und des wertvollen Tempelgerätes. Sollte diesem Willen nicht entsprochen werden, so drohten sie mit der Stürmung des Klosters. Wir haben hier dicke Mauern und ein festes Tor, Wohlgeboren, dazu starke Arme und helle Köpfe, die diese Schurken abwehrten, als sie mit Gewalt einzudringen suchten. Als sie die Erfolglosigkeit ihres Unternehmens erkannten, setzten sie schließlich mit Brandpfeilen unsere Dächer in Flammen und zogen in die Finsternis davon, nachdem sie sich an unserer Verzweiflung satt gesehen hatten. Unsere Kräfte reichten einfach nicht für beides: das Löschen und die Schildwacht. Wir hatten gehofft, dass man uns aus Hutt Hilfe senden würde. Hat man die Glocken nicht gehört?“, erkundigte sich Firine von Luring am Ende ihres Berichtes.

„Doch, das hat man, Hochwürden.“

„Aber...?“

„Das will ich Euch gern erklären – unter vier Augen.“

„Nunje“, sie zuckte mit den Schultern und der Junker vermeinte, eine Spur von Unwillen über die Antwort in ihrer Miene zu erkennen, „Dann kommt mit. Ich denke, ich weiß den richtigen Ort dafür.“

Verfolgt von den Blicken der Umstehenden führte Firine von Luring Praiodan abseits zu einer Mauer, an deren Fuß etliche Körper von Decken verhüllt dalagen. „Mir ist es eigentlich einerlei. Vielleicht also erklärt Ihr es besser ihnen!“, sagte sie und hob eine Decke nach der anderen an und der Ritter blickte in eine Reihe reglos todesgrauer Gesichter.

Alwine Spinnroder, Pernilla von Gneppeldotz, Hane vom Töppelhof, Ulmarde von Scheuerlintz, Glaubert Schösser, Lobesam Quiesel,...“, zählte sie die dem verdatterten Steinfelde die Namen der Toten auf. Wortlos stand Praiodan eine Weile da. Er hätte davon erzählen können, wie düster die Lage für Hartsteen aussah. Wie die Grafschaft von allen Seiten förmlich überrannt worden war. Wie Graf Odilbert den Kampf der Verzweiflung kämpfte. Dass er im Moment Truppen durch den Feidewald nach Norden führte, um die Kaisermärker anzugreifen. Stattdessen schwieg Praiodan.

„Seht Ihr das?“, Tränen traten in Firines Augen und sie zeigte erneut anklagend auf die Toten, während die ganze Erschütterung der letzten Stunden in ihren Worten mitschwang: „Eure Erklärungen ändern nichts, Steinfelde. Sie ändern nichts daran, dass Tod und Verderben uns heimgesucht haben, dass Hunger und Elend hier einziehen und bleiben werden, solange die Schwerter sprechen.“

Praiodan bemerkte, wie seine Gesichtsmuskeln sich zu einer Maske verhärteten und er presste hervor: „Habt Ihr eine Ahnung, wie sehr ich in den letzten Götterläufen versucht habe, Dinge zum Besseren für Hartsteen zu ändern? Ich habe mich fürwahr nicht geschont und ich war bereit, alles dafür zu geben. Alles! Und doch stehen wir hier. Ich wünschte, ich könnte es ändern. Aber werft mir nicht vor, ich hätte es nicht versucht!“

Schweigend starrten sich die beiden eine Weile an, bevor die Geweihte schließlich mit einem leisen Seufzer den Gesprächsfaden wieder aufnahm: „Verzeiht, Steinfelde. Die Umstände drücken so aufs Gemüt, dass man leicht die Fassung verliert.“

„Da mögt Ihr Recht haben“, pflichtete Praiodan ihr bei und seine Miene entspannte sich etwas.

„Doch wie soll es nun weitergehen, in Travias Namen?“

„Wenn Ihr es wünscht, bleibe ich mit meinen Leuten eine Weile hier und lasse Wacht halten, damit sich Eure Arbeiter ans Aufräumen machen können.“

„Das wäre uns eine große Hilfe. Wenngleich ich fürchte, dass ich sie derzeit nur durch unsere Fürbitten vergelten kann.“

„Mit Fürbitten allein wird es wohl tatsächlich nicht gehen, wenn ich so darüber nachdenke. Hochwürden, wenn Ihr etwas ändern wollt, dann redet mit Graf Odilbert – und Eurem hinterhältigen Neffen. Immerhin habt Ihr Autorität in Hartsteen, die verwandtschaftlichen Beziehungen nach Luringen und nicht zuletzt die Nähe zur Gütigen. Wem wenn nicht Euch sollte es gelingen, in diesem Streit der Grafen zu vermitteln?“