Geschichten:Hartsteener Banner - Hartsteener Wetterwechsel

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Reichsstadt Hartsteen, Rondra 1035

Die drückende Schwüle hatte die Gassen der Stadt nahezu aussterben lassen, als Freder von Fuchsbach seine Unterkunft verließ und prüfend den Blick gen Himmel wandte. Eine finstere Wolkenwand schob sich von Westen heran, in Kürze schon würde die Donnerherrin ihre Stimme erheben. Er würde sich also beeilen müssen, seinen Bericht im Traviatempel abzugeben und wieder zurück in die Herberge zu kommen, bevor das Gewitter vollends heran war. Freder machte sich auf den Weg, doch musste er bald einsehen, dass er das eingeschlagene Tempo nicht würde durchhalten können. Bereits das Atmen in dieser Hitze strengte ihn an und der Schweiß rann ihm bei jedem Schritt in Strömen von den Schläfen. Schließlich stellte er sich in den Schatten eines Hauses um ein wenig zu verschnaufen und sich die Stirn abzutupfen. Als er das Tuch aus der Tasche ziehen wollte, fegte eine Windböe durch die Gasse und riss ihm das Stoffgewebe aus der Hand. Da bemerkte er verwundert und beunruhigt, dass seine Finger zitterten und sich trotz der brütenden Wärme eisig kalt anfühlten. Hätte er noch mehr trinken sollen, wie es ihm die Schankmagd empfohlen hatte? Dann fuhr ein Schmerz jäh wie der Stich eines Dolches durch seine Eingeweide und wurde immer stärker. Keuchend lehnte er sich gegen die Wand und ein bisher ungeahntes Entsetzen packte ihn. Er brauchte Hilfe und das schnell! Er schrie, doch aus seiner Kehle drang nur ein trockenes Krächzen. Die Beine versagten ihren Dienst und er stürzte auf die Knie. Dann erbrach er sich, doch die glühende Schärfe breitete sich mehr und mehr in seinem Leib aus. Wimmernd krümmte Freder sich zusammen, tastete mit plumpen taub werdenden Fingern nach dem Gänseanhänger um seinen Hals. Begleitet von einem ohrenbetäubenden Krachen öffnete der Unberechenbare die Schleusen des Himmels. Regen trommelte auf die Dächer Hartsteens, in den Traufen gurgelte das Wasser und bildete Sturzbäche in den Gassen. Graues Rauschen hüllte alles ein.

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Es war voll in der Diele der Schustermeisterin Gerbeling: Die Meisterin und ihr Mann, die beiden Gesellen und der Lehrjunge, die zwei Kinder und die alte Muhme, dazu einige Nachbarn und schließlich der Weibel und seine beiden Büttel; alle standen um die vom Gewitterregen durchnässte Leiche herum, die auf dem Boden ausgestreckt lag.

„Wer hat ihn gefunden?“, fragte der Gesetzeshüter mit wichtiger Miene und das aufgeregte Getuschelte endete abrupt.

„Mein Lehrjunge war‘s, Herr Weibel“, beeilte sich Meisterin Gerbeling zu sagen. „Sollte Bier hol‘n und ist auf dem Rückweg drüber gestolpert, der Tollpatsch, und hat dabei fast die Kanne ausgekippt.“

Doch der Büttel winkte ab: „Hat wirklich niemand gemerkt, was auf der Gasse los ist? Und als ihr ihn hier reingetragen habt, konntet ihr sehen, woran er gestorben ist?“

„Nee. Keine Stiche, Herr Weibel, und auch sein Kopf sieht heil aus.“

„Wenn Ihr mich fragt, ich denke, er war besoffen und er ist in der Gosse ertrunken“, meldete sich einer der Gesellen zu Wort, „oder ihn hat der Schlag getroffen, bei der Hitze in den letzten Tagen...“

„Niemand hier scheint den Toten zu kennen. Ist das richtig?“, bohrte der Weibel weiter.

„Er gehört nicht zur Nachbarschaft“, versicherte die Schusterin.

„Na schön“, brummte der Büttel, „dann werden wir wohl die Gasthäuser und Herbergen abklappern müssen.“

„Macht das. Und holt einen Pfaffen.“

Der Weibel trat an den leblosen Körper heran: „Schau‘n wir mal.“

Mit geübten Griffen, die von den Hausbewohnern aufmerksam beobachtet wurden, durchsuchte er die Kleidung des Toten.

„An Silber hat es ihm offenbar nicht gemangelt“, stellte er schließlich fest, „und was haben wir denn hier?“ Aus der Tasche zog er einen sorgfältig zusammengefalteten Bogen Papieres, dessen vollbeschriebene Zeilen trotz der Nässe draußen nicht verwaschen waren. Der Weibel begann es zu überfliegen und pfiff überrascht durch die Zähne: „Bei Praios und Hesinde!“

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Mit ernster Miene betrat Orestes von Hartsteen die Amtsstube des Ratsmeisters. Dabei fuhr ein kühler Windstoß vom geöffneten Fenster her durch die hoch aufgetürmten Papierstapel.

„Wir haben ein Problem.“

Binsenbeck zog eine Braue fragend nach oben.

„Meine Leute haben heute nach dem Gewitter einen Toten aus der Gosse geholt. Er hatte das hier bei sich.“ Der Stadthauptmann holte das eng beschriebene Papier hervor und hielt es dem Ratsmeister hin.

„Das... ist ein Bericht über die Verhandlungen...“, meinte dieser schließlich, nachdem er sich das Schriftstück näher angesehen hatte.

„Ganz recht.“

Die Stirn des Ratsmeister hatte sich bedenklich in Falten gelegt: „Das ist gar nicht gut. Nichts von dem, was dort beredet wird, sollte vorerst nach außen dringen.“

„Ich weiß. Irgendjemand will sich damit einen Vorteil verschaffen. Sei es einer derjenigen, die hier verhandeln oder ein Außenstehender.“

„Wisst Ihr, wer der Tote war?“

Ich habe Erkundigungen einziehen lassen. Er kam aus Rommilys.“

„Rommilys also... Woran ist er gestorben?“

„Ihre Gnaden meinte, er könnte vom Hitzschlag getroffen worden sein.Oder er... wurde vergiftet.“

Jarlak von Binsenbeck schüttelte ungläubig über das Gehörte den Kopf: „Vorerst zu keinem weiter ein Wort darüber, Hartsteen. Auch Eure Leute sollen ihre Mäuler gefälligst im Zaum halten. Dafür ist die Angelegenheit zu wichtig. Ich kümmere mich persönlich um alles Weitere.“