Geschichten:Hartsteener Banner - Überstunden

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Rommilys, Anfang Rondra 1035


Freder von Fuchsbach versuchte, den drohenden Krampf in seinen Fingern zu ignorieren, als seine Feder über das Pergament kratzte und auch sein Rücken sandte deutliche Signale, dass er nach Entlastung von der einseitigen Tätigkeit verlangte. Doch der Brief sollte noch so schnell wie möglich ins Reine gebracht werden, hatte die Leib-Secretaria des Cronverwesers angeordnet und gerade ihm die Rohfassung aufs Pult gelegt. Die anderen markherrlichen Schreiber hatten sich bereits in den Feierabend verabschiedet und so stand er nun allein in dem hohen noch vom Abendrot erhellten Raum. Schließlich legte er mit einem erleichterten Seufzer die Feder beiseite und schüttelte seine schmerzende Hand aus, überflog das Pergament noch einmal und ging dann zur Tür zum Secretariat, um die Schrift siegeln zu lassen. Auf sein Klopfen folgte das leise 'Herein' der Leibsecretaria und Freder trat ein.

„Dank Euch, Fuchsbach“, murmelte diese abwesend, als er ihr das Schreiben auf den akkurat geordneten Schreibtisch legte, ganz ins Lesen eines anderen Briefes vertieft. Seit zwei Monden schon leitete Ihre Gnaden Travinia von Firunslicht die Geschicke der markherrlichen Kanzlei. Die kleingewachsene Frau hatte sich bei der Aufdeckung der Kabale um ihre Vorgängerin im Amt und in der kurzen Zeit an der Spitze der markherrlichen Schriftverwaltung mit ihrer bedächtigen und präzisen Art großen Respekt am Hof und in der markherrlichen Schreibstube verschafft.

„Einen Moment noch, Fuchsbach“, von dem Schreiben aufsehend sprach die Leib-Secretaria den jungen Schreiber an, als der sich davonmachen wollte.

„Ich, das heißt, der Cronverweser, benötige Eure Dienste noch in einer anderen Angelegenheit.“

„Sehr wohl euer Gnaden“, schlecht konnte der junge Mann seinen Verdruss bei diesen Worten verbergen, doch die Geweihte ging darüber hinweg: „Keine Schreibarbeit.“

Nur teilweise erleichtert hielt er inne und blickte die Geweihte fragend an: „Was genau soll meine Aufgabe sein?“

„Ich gebe zu, die Sache ist etwas...“, sie fuhr sich mit einer Hand durch das hellblonde Haar und schob eine vorwitzige Strähne hinter ein Ohr zurück, „...delikat. Ihr hättet hier eine Gelegenheit, Euch im Dienst der Kirche und der Markgrafschaft zu bewähren.“ Die Geweihte sah ihm direkt in die Augen. „Immerhin, Ihr seid jung und wollt sicher nicht Euer Leben lang einfacher Schreiber bleiben.“

„Gewiss nicht, Euer Gnaden“, versicherte er und senkte den Blick, da er dem ihren nicht standhalten konnte.

„Das dachte ich mir.“ Sie nickte zufrieden. „Wir wissen, dass in der Reichsstadt Hartsteen Verhandlungen begonnen haben. Verhandlungen mit dem Reichsverräter Ucurian von Rabenmund. Aber weder der Cronverweser noch die Kirche der Gütigen Herrin sind davon offiziell unterrichtet worden. Gleichwohl ist es von hohem Interesse für die Markherrschaften, stets Kenntnis über Gang und Stand dieser Verhandlungen zu bekommen. An dieser Stelle kommt Ihr ins Spiel, Fuchsbach. Ihr werdet nach Hartsteen reisen und so viel als möglich über Stand und Fortgang der Verhandlungen in Erfahrung zu bringen suchen. Schreibt Berichte und hinterlegt sie im Hartsteener Traviatempel. Ein Bote wird sie dort entgegennehmen. Und noch eins: Es sähe schlecht aus für den Cronverweser und für die gesamte Kirche, wenn herauskäme, dass Ihr euch im direkten Auftrag seiner Exzellenz ungebetenerweise umhörtet.“

„Euer Gnaden. Ich werde ich mein Bestes tun.“ Freder verneigte sich. Dies hier versprach einige Abwechslung vom ewigen Sitzen, Schreiben, Diktieren lassen, Tusche mischen und was dergleichen Aufgaben mehr in der Schreibstube waren. „Wann soll ich aufbrechen?“

„Heute noch. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren. Für die Reisemittel wendet Euch an Bruder Leberecht. Er hat bereits Anweisung, Euch mit allem Nötigen zu versehen.“