Geschichten:Gut Werkzeug - halbe Arbeit - Geliefert wie bestellt

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Pfalz Bugenhog, Mitte Phex 1031 BF

Parinor von Borstenfeld stieg langsam die Stufen hinauf. Den ganzen Tag hatte er in der Pfalz damit zugebracht, die Ausbildung seiner Leute zu überwachen, mit Interessenten zu sprechen, die Waffen zu inspizieren, das Abladen der Waren zu koordinieren, mit Gunilda von Nesselregen zu speisen (raffgierige Vettel!) und mit Kastellan Lepel zu besprechen, wie man mit den Kontakten nach Warunk verfahren solle. Außerdem waren zwei Boten aus der Kaiserstadt gekommen, deren nachrichten er jetzt lesen wollte.

Draußen dämmerte es bereits, noch war der Frühling nicht allzu ausgeprägt in Bugenhog. Der Pfalzgraf stieg langsam die gewundenen Stufen hinauf, die ihn in seine Schreibstube führten: Holzvertäfelung an den runden Wänden des Turmzimmers, ein Kamin, ein weicher Sessel, ein großer Tisch, eine Karaffe mit belebendem Getränk – genauso hatte Bugenhog es gerne. In der Stube angekommen, klopfte der Pfalzgraf sein Wams ab, streifte die Stiefel ab, um in die warmen Pantoffeln zu schlüpfen, wärmte sich kurz am prasselnden Kamin und entzündete dann die Kerzen auf seinem Schreibtisch, um die Botschaften zu studieren. Eine Pergamentrolle war es sowie ein Paket aus der Hauptstadt.

Bugenhog setzte sich auf seinen Sessel, zog den Schemel heran, um seine Füße abzulegen und am Feuer zu wärmen, und las das Pergament. ›Luidor von Hartsteen schnüffelt in Gareth herum. Wie unangenehm. Er besinnt sich wohl auf seine Tage als Pergamentenkratzer in der Reichskanzlei – und sucht nach Schriftlichem. Darum muss ich mich bald kümmern. Ich habe doch keine Spuren hinterlassen? Na ja – diese Kerri ui Brioghan lebt noch, heißt es. Mal sehen ...‹ Bugenhog legte das Pergament beiseite. Nach einem Schluck des süßen Würzweins erhob er sich, um sich dem Paket zu widmen.

Ein lauter Schrei erscholl aus des Pfalzgrafen Studierzimmer – so laut, dass man ihn selbst auf dem Wehrgang noch hören konnte. Sofort versammelten sich die Wache, um dem Herrn beizustehen, die Knechte und Mägde, um zu gaffen, der Kastellan, um nach dem, Pfalzgrafen zu sehen. Ein regelrechtes Gedränge entstand auf dem Hof, in der Halle, am Fuß der Treppe und erst recht auf der gewundenen Treppe. Knüffe, Tritte und Schläge wurden ausgeteilt und so mancher holte sich Blessuren, nur weil er unbedingt mit eigenen Augen sehen wollte, was mit dem Pfalzgrafen geschehen war. (Man muss anmerken: Niemand sorgte sich um den Pfalzgrafen, denn den keinem war Parinor von Borstenfeld ans Herz gewachsen; ganz im Gegenteil war es so, dass jeder, der da eilte, den Pfalzgrafen am liebsten hätte leiden sehen.)

Doch niemand sah, was der Pfalzgraf nicht wellte. Denn die Tür zur Studierstube war abgesperrt, und von drinnen brüllte der Pfalzgraf: »Haut ab, verdammte Bande! Geht zurück auf Eure Posten! Schickt mir den verfluchten Lepel rein – alle anderen: Verschwindet!«

Und so löste sich das Gedränge nach und nach auf. Es war zwar schon stockfinster, und auf dem Hof war gar niemand, der sich den Hals verrenkte, um zum Turm hinaufzustarren, aber irgendwann erreichte Egbert von Lepel endlich die schwarze Tür, hinter der Pfalzgraf Parinor wartete.

»Herre Parinor, ich bin’s!«, rief Lepel.

»Wer ist ›Ich‹?«, frug der angesprochene grimmig durch die Tür zurück.

»Na, ich: der Lepel.«

»Gut, kommt rein, Lepel.« Borstenfeld öffnete die Tür und ließ den Kastellan hereinschlüpfen.

»Was ist geschehen, Herre?«, fragte der Kastellan neugierig und war sich nur zu bewusst, dass er in der ganzen Burg der einzige sein würde, der wissen würde, warum der ungeliebte Hausherr so laut geschrien hatte. »Seid Ihr angegriffen worden? Habt Ihr Schmerzen?«

»Schmerzen ... papperlapapp. Lepel: Mir ist nichts geschehen, nur ein wenig erschrocken bin ich.« Borstenfeld setzte sich in seinen Sessel, legte die Füße in ihren Pantoffeln hoch, nahm den Pokal mit dem Würzwein und verzog den Mund verstohlen zu einem maliziösen Grinsen.

»Lepel, seid doch so gut und lasst das Paket dort in den Eiskeller bringen. Es soll sich möglichst lange halten. Wisst Ihr, Ralbert – oder Bastan, wie er sich auch nennt, hat mit einem sauberen Schnitt das Helmwik-Problem gelöst. Sieht nicht gut aus ...«

Der Kastellan ging zu dem Tisch, schlug das Tuch beiseite – und Borstenfeld konnte doch noch lachen an diesem Abend. Denn:

Ein lauter Schrei erscholl aus des Pfalzgrafen Studierzimmer – so laut, dass man ihn selbst auf dem Wehrgang noch hören konnte.