Geschichten:Gut Werkzeug - halbe Arbeit - Salderkeims Schule

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Seit drei Wochen wartete er nun schon. Drei Wochen im Südquartier wären ganz annehmbar gewesen, wenn er nicht hätte arbeiten müssen. Sein Ziel war nicht irgendwer, sondern ein alter Kamerad. Gemeinsam waren sie von Leuhold Salderkeim ausgebildet worden, allerdings war Helmwik früher dort gewesen. Ein paar Kniffe hatte Helmwik an ihn weitergegeben. Er – hier war er für alle ›Bastan‹ – hatte dem Älteren einiges zu verdanken. Helmwik war kein schlechter Kamerad. Die Zeit in Trallop war ruhig und kollegial gewesen, die Invasion der Schwarzen Horden hingegen grausam. Sie hatten sich gegenseitig das Leben mehr als einmal gerettet, sich blind vertraut. Dann waren sie nach Gareth gekommen, hatten den Laden zusammengehalten. Doch als die Fliegende Festung herannahte, war plötzlich jeder auf sich gestellt. Helmwik hatte in der Stadt ausgehalten, immerhin besaß er Familie. Bastan hingegen war geflohen. Und danach ... danach gab es keine Agentur mehr. Zwar hätte Bastan sich an die verbliebenen Vorgesetzten wenden können, aber ohne den Alten hätte er darin wenig Sinn gesehen. Nemrod war wichtig gewesen für die Moral der Truppe, man konnte darauf vertrauen, dass die Arbeit, die man bekam, sinnvoll war und dem Reich diente. Aber wer nach ihm kam, der war nicht vertrauenswürdig. Da war es besser, auf sich selbst zu vertrauen, sein Schärflein ins Trockene zu bringen. Er hatte die Kameraden aus der Agentur, die das schlimme Jahr überstanden hatte, im ›Hagestolz‹ wieder getroffen. Jeder ging seine Wege, suchte nach Aufträgen. Ein, zwei wollten ehrlich bleiben, der Rest war der Ansicht, dass man die Talente nicht verkommen lassen sollte, die Salderkeim damals in ihnen geweckt hatte. So waren sie an Bugenhog geraten. Der war nicht vertrauenswürdig, aber darin absolut berechenbar. Herrliche Zeiten waren das gewesen! Reich sind sie geworden! Erst vor ein paar Wochen hatte auch Helmwik – auf Bastans Empfehlung hin – einen Auftrag von Bugenhog bekommen. Und nun das.

Töte Helmwik, das war der Befehl. Und er würde ihn ausführen. Musste vorsichtig sein – das Opfer, der ›Kunde‹, war kein dummes Adelshündchen, keine ahnungslose Edelfrau, kein unachtsamer Händler, sondern Helmwik. Einer der Besten. Darum machte das Südquartier keinen Spaß. Bastan hatte sich als Bettler hergerichtet, einschließlich Kriegsverletzung und hässlichem Ausschlag. Eine Woche hatte er gebraucht, um sich zwischen den alteingesessenen Bettelbrüdern einnisten zu dürfen; kein leichtes Unterfangen. Bastan hatte nicht geahnt, was für ein konservatives Pack diese Bettler waren! Egal – jeden Kreuzer sah er als Zuverdienst, während er den Schuppen beobachtete.

Der Schuppen, das war Helmwiks eine Schwachstelle, seine Familie die zweite. Irgendwann würde er Frau und Kinder besuchen kommen, das war sicher. Aber Bastan kannte sie und wollte ihnen nicht zumuten, den Familienvater auf seines Hauses Schwelle zu Boron zu schicken. Blieb noch der Schuppen. Vorgeblich diente er als Remise für zwei Fuhrkarren eines Rollkutschers sowie als Holzlager für die benachbarte Taverne. Aber unter der verborgenen Falltür hatte Helmwik sein Lager. Dort war alles, was er brauchte – früher oder später. Solche Verstecke besaß jeder, der bei Salderkeim gelernt hatte; meistens mehr als eines, aber Bastan kannte Helmwik gut genug, um zu wissen, dass der Schuppen die wirklich wichtigen Utensilien enthielt.

Drei Wochen also bettelte er tagsüber im Südquartier, während er sich nachts auf die Lauer legte. Dann war es soweit: Eines nachts schlich ein Schatten in den Schuppen. Bastan hatte ihn nicht kommen sehen oder hören, sondern erst bemerkt, als die Tür des Schuppens sich bewegt hatte. Nun aber war er hellwach und bereit. Still wie ein Schmetterling glitt er vom Dach des benachbarten Hauses herunter. Die Dachziegel, Balken und Bretter gaben kein Geräusch von sich – dafür hatte Bastan gesorgt. Auf Filzsohlen schlich er nun die paar Schritt bis zum Schuppen und kauerte sich an die Tür. Sobald Helmwik herauskommen würde, wäre es um ihn geschehen. Bastan atmete flach, gleichmäßig und fast lautlos, wie Salderkeim es ihnen beigebracht hatte, und wartete ab. Aus dem Schuppen war kaum etwas zu vernehmen – ein leichtes Scharren, ein leises Klappern; niemand, der nicht so aufmerksam lauschte wie Bastan hätte es gehört. Noch ein leises Geräusch, dann war es mucksmäuschenstill. Bastan spannte sich, war ganz Konzentration. Stille bedeutete, dass Helmwik fertig war.

Und richtig: Leise öffnete sich die Schuppentür. Eine Gestalt schlich heraus. Im nächsten Augenblick war Bastan dran. Eine scharfe Klinge zuckte durch die Nacht, ein überraschtes Ächzen, ein gurgelndes Geräusch.

Eine Gestalt sackte zu Boden. Die andere hielt sie so, dass der Aufschlag auf dem Hofpflaster lautlos geschah.