Geschichten:Ein Pfalzgraf wird unterrichtet

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Pfalz Bugenhog, Mitte FIRun 1045 BF

Fest hielt Herr Firun das Land in seinem Griff. Den ganzen kurzen Tag lang war Schnee in dicken Flocken gefallen und hatte den Dächern und Zinnen der kaiserlichen Pfalz Bugenhog frische weiße Hauben beschert. Nahezu verwaist lag der sonst so geschäftig betriebsame Burghof; nur die Kinder des Pfalzgrafen tobten mit ihren Spielgefährten im weitläufigen Hof herum. Unter lautem Geschrei flog dabei so mancher Schneeball von den Wehrgängen hinunter auf einen seinen Geschäften nachgehenden braven Bürger in den Gassen der Stadt, oder hinauf zu den Dachfirsten, so dass die dort versammelten Krähen wild flatternd auseinander stoben, nur um sich kurz darauf wieder auf ihren Plätzen niederzulassen. Doch auch die Kinder saßen bei einbrechender Dämmerung schon in der Kemenate und wärmten sich bei heißer Milch und Nussgebäck wieder auf, als eine einzelne Reiterin die mächtigen Torflügel passierte.

„Na so was! Domna Brindia, was führt Euch her?“, erkundigte sich der Wachdienst schiebende Lonnert von Arkenaue erstaunt, als er die Frau erkannte.

„Zeitung aus Gareth“, teilte die dick gegen die Kälte vermummte Brindia von Stolzenfurt kurz angebunden mit, nachdem sie vom Ross gestiegen war und die Zügel in die Hände der herbeigeeilten Pferdemagd gedrückt hatte, „Melde mich umgehend bei Pfalzgraf Parinor.“

Arkenaue eilte los, seinem Herrn die Ankunft der Stolzenfurt zu melden, doch Brindia dachte gar nicht daran zu warten, sondern stiefelte hinter ihm her direkt bis ins Kaminzimmer, wo es sich der Hausherr behaglich gemacht hatte. Der holzgetäfelte und von zahlreichen Bildern geschmückte Raum war gefüllt von der wohligen Wärme eines prasselnden Feuers. Borstenfeld fläzte in einem dick gepolsterten Lehnstuhl, studierte aufmerksam mehrere Papiere und schien von den beiden eintretenden Rittern zunächst keine Notiz zu nehmen. Schließlich aber knüllte er eines der Blätter zusammen, warf es in die Flammen und blickte auf.

„Die Urteile über den Großfuchs und sein Rudel sind also gesprochen?“, erkundigte er sich ohne Umschweife bei seiner Dienstritterin.

„So ist es, Euer Hochwohlgeboren“, bestätigte Brindia, die sich grüßend verneigt hatte, „Und zwar mit einigen Überraschungen.“

„Überraschungen? Ich bin ganz Ohr.“

„Also, zuerst sollte Prinz Sigman ja in die Verbannung geschickt werden, ebenso wie der Gockel und der Zweifelfels...“, plapperte sie los, doch schon unterbrach sie der Pfalzgraf, dessen rechte Augenbraue fast unmerklich nach oben geschnellt war: „Zuerst?“

„Es kam eben anders: Burggraf Oldebor von Weyringhaus hatte nämlich ein Gnadengesuch für den Prinzen an die Kaiserin gesandt und das Antwortschreiben Ihrer Majestät traf kurz nach der Urteilsverkündung ein.“

„Ach. Und wie geruhte die Kaiserin zu entscheiden?“

„Aufhebung des Meilersgrunder Urteils und Tod durch das Schwert für den Großfuchs“, Brindia schnalzte mit der Zunge, „Ungnade nach Recht, sozusagen.“

Parinor nickte anerkennend ob des Gehörten. Dass die Kaiserin – oder ihre Berater in ihrem Namen – auf solch skrupellose Art durchgriff, zeigte deutlich, dass sie wusste, was Macht bedeutete und das war eine Sprache, die der Pfalzgraf verstand, pflegte er sie doch selbst zu nutzen.

„Aber damit nicht genug“, fuhr die Ritterin fort, „Dieser Bescheid brachte den Weyringhaus sichtlich um seine Fassung. Tja, und da ist er dann mitten im Gerichtssaal einfach umgefallen. ‚Plumps!’“, theatralisch legte Brindia von Stolzenfurt ihre rechte Pranke, an der die Reste eines knallroten Nagellackes schimmerten, auf ihr Herz und verdrehte die Augen.

„Und?“

„War nix zu machen“, zuckte die Hausritterin sichtlich unbekümmert mit den Schultern, „Ehe eine Medica zu Hilfe kam, war Dom Oldebor tot.“

„Das ist fürwahr höchst... betrüblich“, kommentierte Pfalzgraf, während seine Mundwinkel für einen kurzen Moment nach oben zuckten. Denn: Ganz ohne eigenes Zutun würde nun eines seiner größten Probleme demnächst zu Grabe getragen werden. Obendrein ließ sich das Engagement des Verstorbenen für den naiven Prinzen eventuell einsetzen, um den Burggrafen posthum und seine Nachfolger bei Bedarf in weniger gutes Licht rücken zu können.

„Ich werde sofort ein Beleidschreiben aufsetzen und gegenüber den Hinterbliebenen unsere große Anteilnahme zu diesem tragischen Ereignis zum Ausdruck bringen“, verkündete Parinor, als er seine Mimik wieder unter Kontrolle hatte, „Wenn Ihr nach Gareth zurückkehrt, Stolzenfurt, lasst zur Beisetzung seiner Edelhochgeboren einen würdevollen Trauerkranz anfertigen, mit allem drum und dran. Am Geld soll es nicht scheitern. Ich vertraue da ganz auf Euch...“

„Wie Ihr wünscht. Wie wäre es mit ‚Ihm fehlten die Worte’ oder ‚Jetzt macht er keine Worte mehr’ in goldgestickten Lettern auf dem schwarzen Band?“, gluckste es da spitzbübisch aus Brindia heraus, doch der Pfalzgraf schüttelte unbeeindruckt den Kopf: „Ich denke, es reicht ein ‚In ehrendem Andenken’ und ‚Boron befohlen’.“

Dann wechselte Parinor das Thema: „Was ist eigentlich mit Eurem Vater?“

„Er hat seine Verbannung auf zwölf Jahre mit Fassung aufgenommen und schmiedet neue Pläne“, berichtete Brindia, „Er will nach Osten ziehen und dort einen Beitrag zur Säuberung der dämonenverseuchten Lande leisten. Wenngleich ich bezweifle, dass man gegen das niederhöllische Gezücht besser turnieren kann als gegen Weidener.“

Bartel Helmdahl von Stolzenfurt war Parinors Mittelsmann beim Fuchsrudel gewesen. Denn damit die Ritter strahlen konnten, hatten sie schließlich Pferde, Rüstungen, Waffen, Sättel, Zelte und anderes benötigt – natürlich nur beste Ware – und Borstenfeld hatte gegen gutes Gold nur zu gerne ausgeholfen. Mit dem Ausgang der Schlacht im Tal der Kaiser war der bekannte Turnierritter jedoch als einer der Rädelsführer der Großfürstenbewegung zu einer Belastung geworden. Parinor hatte es darum tunlichst vermieden, auch nur einen Finger für ihn und seine Genossen zu rühren. Gleichwohl heuchelte er: „Dann bestellt Eurem Vater einen schönen Gruß. Mögen die Zwölfe ihm auf seiner Bußqueste beistehen.“

„Ob die anderen zwölf Verbannten mit ihm kommen, weiß ich freilich nicht. Aber mindestens Linaria wird ihn begleiten.“

Für einen Moment wirkte der Pfalzgraf ob dieser Worte wahrlich irritiert, doch schließlich meinte er nur: „Ja, die vielleicht auch...“