Geschichten:Die Weisheit der Schlange - Die Albensteyne

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Klosterlande St. Ancilla, Kloster St. Ancilla, 11. Peraine 1044 BF

Thorin schreckte hoch, als er die Tür zu seinem Zimmer knarren hörte. Sofort presste er die Augen wieder zu, Licht, viel zu hell für seine empfindlichen und am Vortag stark strapazierten Augen, drang durch das schmale Fenster hinein. Es musste bereits spät sein. Vorsichtig blinzelte der Krieger mit einem Auge, während er sich mit einem Stöhnen aufsetzte. Malveda war gerade dabei ein hölzernes Tablett auf den kleinen Schreibtisch abzusetzen, dann ging sie zur Tür und schloss sie von innen. Thorin massierte sich den Nacken und öffnete nun auch das zweite Auge, wenn auch zögerlich. Langsam gewöhnte er sich an das Sonnenlicht, trotz des Pochen in seinem Kopf. „Wie spät ist es?“, fragte er mit einem schiefen grinsen. „Ich nehme an zu spät, um mit euch und den anderen Bewohnern des Klosters zu frühstücken.“ Malvedas Antlitz zeigte einen Hauch von Belustigung. Sie nickte. „Es ist die Stunde eures Gottes. Für gewöhnlich stehen wir zur Hesindestunde auf und nehmen unser Morgenmal zur Stunde des Weißen Mannes ein, bevor wir unser Tagwerk beginnen“, erklärte sie mit sanfter Stimme. Er mochte sie. „Gut“, befand Thorin und nickte. „Dann werde ich mich heute Abend rechtzeitig zur Ruhe begeben und morgen mit euch Frühstücken, so mir dies gestattet ist.“ Sie nickte. „Dann werdet ihr vorher aber auch mit uns beten.“ „Das werde ich“, erwiderte der Zwerg und die Novizin nickte abermals. Nach diesem knappen Wortwechsel erhob sich Thorin und realisierte das er nur sein wattiertes Unterzeug trug und seine Beine Barfuß über dem Boden unterhalb des Bettes hingen, bevor sie die kalten Fliesen berührten. Er hatte es gerade noch so geschafft sein Rüstzeug abzulegen, was in seinem müden und erschöpften Zustand eine echte Herausforderung gewesen war. Ein kurzer Seitenblick verriet ihm, dass seine ihm teure Rüstung noch immer über dem Holzgestell des Fußendes seiner Schlafstatt lag, den Helm hatte er über einen der Pfosten gestülpt. „Wir haben einen Waschraum im Erdgeschoss“, eröffnete die Novizin, als sie sich der Blicke des Zwergen gewahr wurde, der an sich herab blickte. ‚Rieche ich unangenehm?‘, fragte sich Thorin unweigerlich sogleich. „Ich werde euch ein einfaches, sauberes Gewand heraufbringen lassen“, sprach Malveda weiter, die den verunsicherten Blick des Angroschos richtig deutete und versuchte abzulenken. Thorin aber musste über dieses Angebot lachen. „Nicht nötig, ich habe eine einfache Tunika in meinem Reisegepäck. Eine eurer Roben würde bei mir vermutlich aussehen wie ein zu langes Nachthemd.“ Bei dieser Entgegnung zuckten ihre Mundwinkeln, lächeln indes tat Malveda nicht. „Ich werde in der Halle der Weisheit auf euch warten“, sprach sie. Er nickte und stand auf, um sich dem Schreibtisch und dem Frühstück zuzuwenden.

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Knapp ein Stundenglas später fand sich Thorin in der großen Bibliothek der Abtei ein. Der Krieger trug nun lediglich eine kurzärmlige, dunkelrote Tunika mit V-förmigem, tiefen Ausschnitt, der bis auf seine breite Brust reichte. Der Stoff der robust wirkenden Leinen war mit breiten, goldenen Borten verziert, welche zwergische Ornamentik zeigten. Eine einfache, weit geschnittene schwarze Hose und Sandalen rundeten das nun gänzlich andere Bild- nicht das des martialisch wirkenden Kriegers ab, auch wenn Thorin an einem schlichten Gürtel um seine Hüften das prunkvolle Kurzschwert trug. Das feuerrote Haupthaar war noch nass und zu einem Knoten hochgebunden, die Zöpfe des Bartes glänzten leicht und Malveda glaubte Öl zu riechen. Er lächelte, als er derart, mit auf dem Rücken verschränkten Händen auf Malveda zutrat. „Heute würde ich mich gerne den Albensteynen widmen“, sagte er mit ruhiger Stimme. Der Feuereifer des Vortages war sachlicher Nüchternheit gewichen. Thorin hatte erkannt, dass die Suche einen langen Atem brauchen würde. Die Novizin nickte und gemeinsam machte man sich auf die Quellensuche. Der Krieger aus Ârxozim hatte bereits viele Geschichten über die großen Menhire, über ihren elfischen Ursprung und die Möglichkeiten ihrer Bedeutung gehört, seitdem er in Garetien war, doch handfestes, niedergeschriebenes war nur wenig dabei gewesen. In der Binge Arabasch war er auf Steintafeln gestoßen, die von den Albensteynen sprachen. Hier erhoffte er sich zumindest eine weitere Quelle, die die Hinweise der Aufzeichnungen in den Hallen Weisheit der Arobeschsippe bestätigten.

Die großen, behauenen Steine, deren Oberfläche er geschaut und ertastet hatte, kamen in vielen Texten vor. Mehrere Stunden verbrachten die Novizin und der Krieger damit, die Texte zu sichten und sich Notizen zu ihnen zu machen. Dieses Zusammentragen an Informationen unterbrachen sie lediglich für ein karges Mittagsmahl, welches sie auf einer Bank im Kräutergarten der Abtei zu sich nahmen. Schnell aber wurde klar, dass der weiße Albensteyn von Oberhalben, sowie der schwarze, der in der Burg Unterhalben stand, eine weitaus größere Suche erforderten, als die bisher vollbrachte, denn die Menhire wurden in der vielen Texten erwähnt, ja waren Teil der Folklore Garetiens. Drei volle Tage sollte es dauern, bis Thorin und Malveda entschieden, dass die Quellen ausreichend ausgewertet waren. Zwar waren sie an diesem Punkt noch nicht am Ende, doch wurden die Verweise immer ‚dünner‘ und ‚unbedeutender‘. Fakten hatte ihre Suche auch dieses Mal nicht ergeben, doch zeichnete sich in den Augen des Zwergen ein klares Bild ab, welches sich in groben Zügen auch mit den geschichtlichen Überlieferungen seiner Rasse deckte. In längst vergangener Zeit, einem anderen Zeitalter, hatten die Steinschrate, von den Menschen zumeist schlicht nur Trolle genannt, unter der Knute des Dreizehnten, des Namenlosen Gottes die Lande verheert und mit den Elfen gekämpft, die in jeder Epoche eine Hochkultur erreicht hatten. Die Albensteyne, bei denen Thorin wegen Andeutungen in bestimmten Texten überzeugt war, dass es einst bedeutend mehr von ihnen gegeben haben musste, bildeten zu jener Zeit eine Art Schutz vor den Schraten, vor deren dunkler Magie, beziehungsweise gar dem Einfluss des auch in einer Schriftrolle als Schädelgott bezeichnenden Vernichters und Widersachers der menschlichen Zwölfgötter. Der Krieger glaubte gar, dass den Menhiren einst eine Art Verhehlungszauber innegewohnt haben konnte, der vielleicht elfische Siedlungen in jenem Landstrich vor den Augen der Trolle verstecken sollte. Die Novizin nickte bestätigend, als Thorin dieses Fazit als Zusammenfassung ihrer Suche zog, während sie Mal wieder im Kräutergarten von St. Ancilla sitzend einen starken Tee tranken und in das herabsinkende Praiosmal blickten. Malveda war seiner Meinung, denn auch sie hatte in den zurückliegenden Tagen viel gelernt und erfahren. Sie waren längst zu gemeinsamen Suchern geworden.