Geschichten:Die Schlacht zur Mittagsstund – Blick von oben

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Praios-Kloster St. Anselm Praiodan XXI., 17.8.1043 BF:

Der junge Mann mit den asketischen Gesichtszügen und einnehmenden grünen Augen stand auf einem Hügel unweit des Klosters St. Anselm Praiodan XXI. und blickte mit Zornesfalten auf der Stirn auf die vor ihm liegende Szenerie. Gewaltige Heerhaufen der Kaisermärker Adelsfamilien auf der einen und des Hauses Luring auf der anderen standen sich gegenüber. Doch, eine ehrenhafte Schlacht sollte es nicht werden, denn beide Kontrahenten hatten versucht im Vorfeld mit List und Tücke das Schlachtenglück zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Doch dieses unritterliche Getue war es nicht, was den Jüngling im Herzen schmerzte, gar erzürnte, sondern ein anderer, für ihn viel schwerwiegender Umstand: Beide beriefen sich auf den Segen des Götterfürsten. Der Abt des Klosters, Lichterhold Bugenhog, hatte eine Feldmesse für die Kaisermärker gehalten, während Mönche für die Gegenseite das Lied von Marano angestimmt hatten. Beide rangen um die Gunst des Götterfürsten, getragen durch die verdorbenen Diener der Amtskirche, die nicht frei waren von weltlichen Einflüssen und Gelüsten. War ein Geweihter aus einem adligen Haus erst Praios verpflichtet und dann erst seiner Familie, so war die Wirklichkeit doch eine andere. Verborgen unter der Rechtschaffenheit des Priestergewandts wurde knallharte, weltliche Politik betrieben und somit die Ideale der Gleißenden verraten. Das war schon immer so - deswegen waren er und seine Jünger und vor ihm sein Meister Nazarius, angetreten, sich dem entgegenzustellen. Doch die große Fehde hatte, so schien es ihm, das ganze verderbte Treiben noch auf die Spitze getrieben. Sie wagten es, den Namen des himmlischen Richters auf ihren gespaltenen Zungen zu führen, doch waren sie es, die vor seinen Richtspruch erzittern würden. Die sogenannten Diener der Amtskirche waren korrupt und verdorben, ließen sich von weltlicher Macht verführen.

Diese Schlacht vor den Toren des Klosters war für ihn wie ein Sinnbild der ganzen Fehde. Es waren alles Getriebene, von gespaltenen Zungen verführt und von falschem Ehrgeiz angetrieben. Einer konnte nur aufsteigen, wenn ein anderer dafür fiel, das war ihre Auslegung des Gesetzes des alveranischen Herrschers. Doch, in diesen Zeiten wollten zu viele aufsteigen und zu verdorben waren ihre Beweggründe. Die praiosgefällige Ordnung war ins wanken geraten und im Inbegriff zu kollabieren. War dies der Weg auch für die spirituelle Erneuerung? Müssten erst alle weltlichen und geistlichen Säulen zerbersten, um auf dem Fundament der Wahrheit und Gerechtigkeit eine neue Ordnung, eine neue Kirche aufzubauen?

Der junge Prediger wandte sich von den aufeinander zureitenden Heerhaufen ab und richtete seinen Blick zum Kloster. Es war eine Weile her, als er an eben diesen Ort stand und die Rauchsäulen aus dem Kloster aufsteigen sah. Damals hatte der großfürstliche Prinz die Gleißenden, eine weitaus radikaler Gruppierung als seine Jünger es waren, zerschlagen und dem heiligen Feuer übergeben. Seither hatte er weiterhin Kontakte zu einigen im Kloster gepflegt, auch wenn er selbst im nördlichen Garetien weilte und wirkte.

Der Gong der Anselmglocke kündigte die Mittagsstund an, als der Jüngling in Richtung Kloster schritt.