Geschichten:Aller Anfang - Fragen und Antworten

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Alte Residenz am Morgen des 14. Tsa

„Gebt Zeitung an den designierten Großfürsten, rapido!“, ordnete Horulf von Luring, noch ehe er das Nachthemd gegen etwas getauscht hatte, mit dem man sich in einer Öffentlichkeit zeigen kann, die aus mehr besteht als dem eigenen Scheiber und dem Zwingsteiner Burghauptmann, der erst wenige Minuten zuvor von der Feste kommend den garetischen Cantzler aus einem unruhigen Schlaf geweckt hatte. Der Schreiber Gsevino und Burghauptmann Storko sahen einander kurz an, weil sie nicht entscheiden wollten, wer von ihnen gemeint sei, als Horulf herrisch den Eychgraser aus dem Zimmer wies.

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Nur ein halbes Stundenglas später traf die Reitertruppe um Alderan von Gareth auf die Kutsche des Cantzlers – beide auf dem Weg Richtung Zwingstein. Behände wechselte Alderan von Gareth in die Kutsche, in der Horulf unter einem Stapel Decken den kalten Frühlingsmorgen zu überstehen versuchte.

„Ist es wahr?“ wollte Alderan aufgeregt wissen. Ganz offensichtlich war es für ihn noch sehr ungewohnt, dass brisante Neuigkeiten ihm, ausgerechnet ihm ohne Verzug zu Ohr gebracht werden sollten.

Horulf von Luring bedachte Alderan mit einem unwirschen blick: „Diese Sorte Rückfragen, Durchlaucht, solltet Ihr Euch abgewöhnen. Wenn es nicht wahr wäre, hätte Zerber von Mersingen seinen Burgvogt nicht geschickt, mich zu wecken. Ich hätte denselben Burgvogt nicht zu Euch geschickt. Und ganz sicher hätte ich mich nicht kurz nach Sonnenaufgang in die Tsakälte hinausbegeben, um in dieser ungefederten Kutsche nach Zwingstein zu fahren, wo ich erst in drei Stunden der Hinrichtung einiger sehr ehrenwerter Männer beizuwohnen gedachte. Ja. Es ist wahr.“

Alderan hatte den Ausführungen des Cantzlers mit zunehmender Rötung seines Gesichtes gelauscht, mehrmals zur Unterbrechung angesetzt, sich dann aber in das Polster der Kutsche zurückfallen lassen. Er nickte wie zu sich selbst und sagte dann: „Gut, Exzellenz. Diese Lektionen sind hart. Härter als diese Kutsche, die übrigens sehr wohl gefedert ist. Euer Hintern hingegen ist es nicht.“ Er grinste spitzbübisch, als Horulf überrascht die Augenbrauen hochzog. Ha! Das alte Frettchen hatte er überrascht, seltener Triumph.

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„Acht Wachleute sind ebenfalls verschwunden?“, hakte Gerobald Leuhold von Ruchin nach. Alderan sandte Horulf einen wissenden Blick zu: dumme Nachfrage.

„Jawohl. Steckten mutmaßlich mit dem Roten Malwarth unter einer Decke. Gab Hilfe von außen und von innen. Draußen warteten Pferde, Leute mit Proviant. Eine Fluchtrichtung schien vorgegeben.“ Zerber von Mersingen zählte das alles auf, während er unruhig auf der Terrasse vor Burg Zwingstein hin und herging. Die Terrasse zweigte vom Pallas ab und ermöglichte es, einen guten Blick in den Burghof zu werfen oder in das weite Land. Wandte man sich in die falsche Richtung, blickte man freilich zur Dämonenbrache hinüber.

„Ich finde es interessant, dass die Tochter vom Trenck ebenfalls zu den Geflüchteten gehört“, warf Horulf ein.

„Warum?“, erkundigte sich Werdomar von Quintian-Quandt.

„Das geht Euch nichts an“, beschied Horulf barsch und trat an Alderans Seite. „Durchlaucht, auf ein Wort.“

Beide verzogen sich in eine Ecke der Terrasse. „Ich hoffe, man kann die Geflüchteten einfangen“, äußerte Alderan. „Es sähe bestimmt nicht gut aus, wenn meine Regentschaft mit so einem Fiasko begänne.“ Horulf beschwichtigte: „Es liegt an Euch, hier das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Vielleicht wird man denken, nach diesem Fiasko sei es gut, dass es mit Euch weitergehe. Seht Ihr die ganzen Schranzen, die sich da um den baumlangen Zerber versammeln? Die können es alle nicht erwarten, was nach der Hinrichtung geschieht, Immerhin schachern die Parteien schon seit Beginn der Verhandlungen darum, Einfluss am Großfürstenhof zu gewinnen. Nutzt das aus, Duchlaucht, und lasst einige sich schon jetzt bewähren.“

Alderan betrachtete die Menge an Adligen, die sich bereits so früh zur Hinrichtung eingefunden hatten. „Irgendwelche Hinweise, Exzellenz?“

„Hinweise ja, Entscheidungen fällt Ihr dann selbst, Durchlaucht.“ Horulf drehte sich von der Menge weg und lenkte seinen Blick auf die Dämonenbrache. Er hatte die Liste der Namen im Kopf. „Schickt die Häscher aus unter dem Kommando von Orm von Dorst, einem Eslamsgrunder Ritter, pragmatisch und diplomatisch, oder unter Gryphilia von Schattenstein, eine fromme Klinge aus Greifenfurt, beide werden von ihren Gruppierungen für das Amt des Grenzvikars ins Rennen geschickt. Wen Ihr nun benennt, hat das Amt so gut wie sicher.“

„Gut, ich werde die Greifenfurterin schicken.“

„Warum?“

„Aus drei Gründen: Sie kennt sich mit Grenzen und Gebirgen aus, erstens. Sie ist eien Greifenfurterin, und von denen wird es so oder so zu wenig am zukünftigen Hof geben, zwotens. Und die Frömmler schätze ich nicht so. Da scheint es klug zu sein, denen früh einen Posten zu geben, auf dem sie nicht viel Schaden anrichten können, bevor sie mir womöglich direkt ins Ohr flüstern können, drittens.“ Alderan suchte im Blick Horulfs nach Anerkennung.

„Gute Gründe. Aber das direkte Flüstern übernehme vorerst noch ich. Eine zweite Gruppe sendet unter der Führung eines altgedienten Recken aus, den Ihr auch zukünftig werdet brauchen müssen. Einen der Kronvögte zum Beispiel.“

Alderan wandte sich um und suchte die Menge ab. Dann entschied er: „Albur von Mersingen.“

„Gute Wahl. Und dann streut noch ein paar Informationen, damit sich die, die sich nicht selbst hier an den Tisch setzen konnten, auch Eure Gunst erwerben können.“

„Zum Beispiel?“ Horulf schwieg und ließ Alderan selbst nachdenken. „Ich denke“, hob der nach einer Bedenkzeit an, „ich denke da vor allem an Perricumer. Die kennen sich im Wall aus und sollen die Geflüchteten dort auch suchen. Ich werde Eure Schülerin Fridega in Kenntnis setzen und außerdem die ehemalige Herrin auf dem Sturmfels.“

„Gute Wahl. Mit der Sturmfelserin könnt Ihr hier anfangen: Ihr Sohn ist Wolfaran von Ochs, und der steht da unten im Hof und bewirbt sich sogar um eines der Erzämter.“

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Alderan starrte mit versteinerten Zügen auf die Hinrichtungsstelle. Zwei lange Balken waren aufgerichtet, neun Schlingen waren bereit. Die Verurteilten wurden in einfachen Leinenhemeden aus dem Kerker in den Hof geführt, vorneweg Radegund von Luring-Cronenfurt, den man eigentlich als Ehrenmann kannte. Als Radegund an Alderan vorbeigeführt wurde, hob er den Kopf und sah den designierten Großfürsten gemütvoll an: „Betet Ihr für mich, Alderan?“

Doch Alderan mahlte mit den Kiefern und antwortete nicht. War das nicht auch eine dumme Frage? Er würde für die alle beten, kein Zweifel. Man stieß Radegund weiter, der immerhin ein entfernter Vetter war, und bald standen alle Verurteilten unter ihren Schlingen. Die Henkerin des Südquartiers verrichtete die Aufgabe, die Schlingen über die Köpfe zu ziehen. Man hatte davon abgesehen, die Häupter zu verhüllen, was den Anblick der Hinrichtung nicht einfacher machen würde.

Neun Männer und Frauen stellten sich auf die untere Pritsche, die gleich wegkippen würde. Selinde Boroniane Malkur sprach den Boronsegen, den nicht alle völlig gleichmütig hinnahmen. Der junge Corben Rutaris schluchzte ungeniert.

Horulf von Luring verlas selbst noch einmal Schuldspruch und Urteil, dann wurden die Pritschen abgeklappt und um neun Hälse zogen sich neun Schlingen und löschten neun Leben aus.

Alderan Sanz von Gareth hielt den Blick die ganze Zeit steinern auf die Gehenkten und verzog keine Miene. Er machte seine Sache ganz gut, fand Horulf von Luring, der mit einem Nicken den Knechten erlaubte, denen durch Hängen an die zappelnden Füße den schnellen Garaus zu machen, die noch immer am Galgen tanzten.