Geschichten:Ein Eslamsgrunder Rohalstagsmorgen
Klatschend prasselte der Regen an die Butzenglasscheiben des Rittersaals, wo sich die Hausritter der Kreusenburg zu ihrer wöchentlichen Sitzung versammelt hatten. Das Wetter glich der Stimmung im Raum. Die Ritter der Baronie Gräflich Eslamsgrund hatten sich beim vorgestrigen Turnier als Gastgeber denkbar schlecht geschlagen. Die einzigen Eslamsgrunder Lichtblicke waren ausgerechnet vom rivalisierenden Grafenhof gekommen.
Einige der anwesenden Ritterinnen und Ritter kauten noch die Reste ihres Frühstücks, während sie auf ihren Herrn warteten und sich aus zwei grossen Krügen Apfelsaft grosszügig einschenkten (Alkohol war tagsüber verboten – der trinkfreudige Landvogt wollte vor allem sich selbst nicht in Versuchung führen). Jener kam denn auch pünktlich mit schwungvollen Schritten hereinmarschiert und schenkte sich als erstes seinen riesigen Doppelmass-Humpen voll. Während die Gespräche seiner Ritter allmählich verstummten sortierte Felian seine Notizen und blickte der Reihe nach in die Gesichter seiner Hofritter
Gleich zu seiner Linken die junge Lobhilde von Eslamsgrund-Falkenstein – immer noch von der Hauptstadt etwas verwöhnt, aber lernwillig. Neben ihr Wippa von Eslamsgrund – die Gattin des geächteten selbsternannten Grafen Malwart hatte Felian bislang keinen Grund gegeben, sie als Erste Ritterin zu entlassen, auch wenn ihr Verhältnis besser sein könnte. Felian gegenüber sass gedrungen seine Kämmerin Mechtessa von Eslamsgrund-Illgeney neben ihrem riesigen Ehegatten Rondrahjan von Eslamsgrund und zu Felians Rechter schliesslich die ungestüme Ardare von Cronenfurt, die den letzten Tjost mit einem gebrochenen Arm beendet hatte und dabei noch gut weggekommen war. In der Runde fehlte der kleine Volkmar von Illgeney im Grund, der den traurigen Auftrag erhalten hatte, die Angehörigen des beim Turnier unglücklich verstorbenen Zordan von Schreyenfels über das Ableben ihres Familienoberhaupts zu unterrichten.
Felian gestattete sich einen weiteren grosszügigen Schluck, las nochmals etwas auf dem vor ihm liegenden Papier und kam dann zur Sache.
"Erster Punkt, das Turnier. Was gibt es hierzu zu sagen?" Felian trank abermals einen Schluck aus seinem Humpen und blickte in die Runde, ehe er mit donnernder Stimme fortfuhr: "Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass sich die Ritterschaft unserer Baronie, dass wir uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben und das ist noch höflich ausgedrückt. Völlig unerträglich, dass die wenigen Lichtblicke ausgerechnet vom Grafenhof kamen. Und das Schlimmste, …" der Landvogt benötigte einen weiteren Schluck. "Das Schlimmste von allem," fuhr er anschliessend fort, "der Landvogt höchstselbst ging dabei auch noch mit "gutem" Beispiel voran – abgeworfen gleich im allerersten Tjost des Turniers! Sagt dies aber niemandem weiter…" Felians Grinsen und sein verschwörerischer Tonfall beim letzten Satz löste die Spannung. Vereinzeltes Gelächter war zu hören.
Mit Blick auf Ardare von Cronenfurt, die den gebrochenen Arm in einem Tuch vor der Brust trug, fuhr der Landvogt im Plauderton fort: "Kann passieren und lässt sich nicht mehr ändern. Blicken wir also nach vorne und intensivieren wir ab nächster Woche den Umgang mit der Lanze, damit dies beim Saisonauftakt nächstes Jahr nicht nochmals passiert. Ich habe da an zusätzliche monatliche gemeinsame gemeinsame Übungen gedacht – jeden zweiten Wassertag des Monats versammeln sich hier auf der Kreusenburg die Ritter der Baronie zur Verbesserung ihrer Lanzenreiten-Fähigkeiten, zu denen wir die ein oder andere Reitlehrerin aus der Akademie hinzubitten werden. Man lernt schliesslich nie aus!"
Verständnisvolles Nicken in der Runde, während sich Felian einen weiteren Schluck gönnte, um seine Worte wirken zu lassen. "Jede in der Runde überlegt sich also auf unser nächstes Treffen, welche Übungen sinnvoll sind," und mit Blick auf seine Haushofmeisterin "und was die Verköstigung der Gäste kostet. Die besten Ideen werden umgesetzt – wollen wir doch mal sehen ob Eslamsgrund nicht mal wieder einen Turniersieger stellen kann."
Ein erneuter Blick des Landvogts in seine Notizen.
"Zweiter Punkt: Die Kreusenburg braucht eine neue Kammerherrin." Entsetztes Aufkeuchen von Mechtessa, doch Felian blickte stattdessen lächelnd ihren Gemahl Rondrahjan an: "Euer Vater ist bereits seit über einem Jahr tot. Burg Ochwiechaue hat das Recht auf seinen Herrn, und," während Rondrahjan langsam nickte blickte Felian nun auf Mechtessa an, "da der Burgvogt vor Jahren bei Zwingstein fiel und meines Wissens seither nie ein neuer bestellt wurde, wüsste ich keine bessere rechte Hand für den neuen Burgherrn als seine Gemahlin."
Felian lächelte das Paar an: "Ich gratuliere. Auch wenn dies jetzt bedeutet, dass uns hier auf der Kreusenburg neben der noch nicht neu bestallten Vögtin auch noch die Kämmerin abhandenkommt. Gutes Personal ist halt schwer zu finden…" Felians gespieltes Augenverdrehen wurde mit entspanntem Gelächter quittiert.
"Nächster Punkt. Durch den Tod Zordans fehlt dem Rittergut Schreyenfels ein Vogt." ...
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