Geschichten:Von Hölle und Hasel - Diener vieler Herren
Die schlanken und flinken Finger knöpften geschwind die verzierten silbernen Knöpfe des edlen aus feinem Brokat bestehendem schwarzen Wams zu. Sie waren dicke Knuppel mit einer feinen Ziselierung, und nur mit sehr scharfen Augen konnte man unter den Verzierungen zwei gekreuzte Säbel und dazwischen ein Fallgatter darauf erkennen.
Sein Blick glitt auf die Fingernägel, einer hatte einen kleinen Spliss, er griff zu seinem Handschmeichler und schliff ihn ab. Zufrieden betrachtete er seine Hände, wusch sie anschließend in der kupfernen Schale, trocknete sie sorgfältig am Leinentuch ab und musterte sich nochmals ausgiebig in dem kleinen polierten Messingspiegel. Dann legte er ihn zufrieden zurück auf den Waschtisch.
Seine schlanke, schon fast hagere Figur, das Gesicht mit dem dünnen Bart der sich von den Koteletten fein säuberlich am gesamten Kinn entlang zog und sich mit den beiden spitzen Enden seines Oberlippenbartes vollendet verband. Die Augen lagen ein wenig tief, und das dunkle Graubraun der Iris zeigte den gewohnt mitleidlosen und gefühlskalten Blick der alles wahrzunehmen schien und nach seinem Wert bemaß.
Er warf noch einmal einen Blick in seine Kammer, sie war bei weitem nicht so üppig eingerichtet, wie es in diesem Landstrich sonst üblich war, was er jedoch besaß war von Wert und durchaus edel in der Ausstattung.
Er hielt kurz Inne, und entschloss sich dann, dass es Zeit wurde. Mit eloquentem Schritt verließ er seine Kammer, nicht ohne sie sorgfältig abzuschließen. Dass hatten ihn die ersten Monate auf Hassal'han Ammayin bitter gelernt.
Die Diener die ihm begegneten wichen ihm aus, die nebachotischen unter ihnen meist mit einer deutlichen Mimik der Ablehnung. In ihren Augen war er nur ein weiterer Raulscher der sich in ihren Landen breit machte. Zu ihrem Glück war er nicht rachsüchtig wie sein Familienoberhaupt, den einen oder anderen hatte er jedoch bereits abstrafen müssen. Nicht dass es ihm leidgetan hätte.
Unbehagen beschlich ihn, denn er war mit seinem Bericht in Verzug, die er von ihm erwartete. Doch seine Verpflichtungen an diesem impulsiven Hof spannten ihn ziemlich ein.
Neben den Erwartungen seiner Familie, der er sich nach wie vor bis in sein verschlossenes Innere verpflichtet fühlte, herrschten hier in dieser Feste viele Herren, der mannigfaltigen Wünsche es nicht leicht war gerecht zu werden.
Da war dieses kränkliche Kind, sein eigentlicher Herr, der an der Schwelle zum Pflegealter stand, noch nicht mündig doch einst der Herr dieser Lande. Er war mit dem Kind nie wirklich warm geworden, dessen überraschen frohen Gemüts nicht zu seinem kränkeln passte.
Dann war da die Vögtin, diese agile Albernierin, noch war er sich nicht sicher was er von ihr zu halten hatte. Sicher war, sie hatte einen enorm großen Einfluss auf den unmündigen Baron und dessen Lande. Aber auch sie war nur eine Raulsche, mit dem Drang in ihr Heimatland zurückzukehren.
Und dann war da noch Selo von Pfiffenstock, naher Verwandter und Berater des Barons, der zunehmend die Geschicke der Baronie lenkte. Mit ihm hatte er es bisher am leichtesten, denn er war fast ein Raulscher, der erst langsam seine nebachotischen Wurzeln kennenlernte. Beide legten sie auf ihr Äußeres großen Wert, auch wenn die modischen Anwandlungen Selos ihm seltsam vorkamen.
Sein Weg führte ihn durch die Schreibstube, hier waltete Rohalan Albentir, mit dem er sich gut verstand, beide waren halbe Tulamiden, bzw. halbe Mittelreicher, je nachdem wie man es sehen wollte. Und dann war dieser blonde Stubenleiter mit dem dunkeln Teint eine wahre Augenweide, innerlich musste er schmunzeln. Ja hier hielt er sich gerne auf.
„Ist es fertig?“
„Aber sicher doch Majordomus, mit blutroter Tinte gefertigt, auf bestem Pergament aus Khunchom und natürlich mit dem Duft von Nelken und Rosen gewürzt.“, mit einem herzöffnenden Lachen überreichte Albentir ihm die Urkunde.
Er selbst blieb regungslos, darauf verstand er sich nun einmal am besten, auch… er verwarf den Gedanken. Seine Familie erwartete nun, dass er sich eine Braut suchte, nun da er eine ansehnliche Position vermittelt bekommen hatte. Kurz überflog er die Urkunde, es durfte darauf kein Fehler sein, und war mit dem Werk mehr als zufrieden.
„Gut.“, mit einem Nicken verabschiedete er sich von Rohalan Albentir und schritt davon, ein wenig zu schnell für seinen Geschmack.
Die Festung war groß, und zuweilen ziemlich verwinkelt. Vom Raulschen Trakt ging er in dem Bereich der Privatgemächer, die Gardisten aus den Reihen der Schwarzen Wölfe betrachteten ihn grimmig, doch dank seiner Position hatte er zu fast allen Bereichen der Festung Zugang.
Dann erreichte er sein Ziel, mit schneidender Stimme befahl er dem Diener vor der prunkvollen mit üppiger Ornamentik versehenen Tür. „Auf Bursche, melde mich deinem Herren, Efendi Selo erwartet mich bereits.“
Die Tür wurde ihm ohne weiteres geöffnet und er trat ein, auch wenn man es ihm nicht ansah, innerlich bebte er vor Spannung, weswegen hatte Selo ihn rufen lassen?
Mit einer Verbeugung betrat er den Raum: „Mein Herr, Ihr wünscht?
„Ah, Malphorus, seid gegrüßt. Nehmt doch Platz, Euer Excellenz.“, antwortete der Angesprochene der in entspannter Haltung selbst schon auf einem Divan ähnlichen Sitzmöbel halb saß, halb lag. Während Malphorus sich setzte sprach Selo in ruhigem Ton weiter: „Schön dass Ihr so schnell Zeit für mich aufbringen konntet. Und das bei der vielen Arbeit hier. Womit wir auch schon bei dem ersten Punkt wären den ich Euch antragen möchte. Der Baron und ich haben uns im gestrigen Gespräch darüber ausgetauscht was für eine vorzügliche Arbeit Ihr hier leistet, für die Er und ich Euch noch einmal ausdrücklichst danken und den Rücken stärken. Denn uns und speziell mir ist sehr wohl bewusst dass Ihr als Außenstehender hier mit – nun sagen wir – Anfangsschwierigkeiten zu kämpfen habt. Umso mehr freue ich mich zu sehen wie hervorragend Ihr durch solche Unwegsamkeiten hindurchmanövriert und so werdet Ihr Euch ohne Zweifel hier bald einen Ruf erarbeitet haben.“
Malphorus nahm das Lob gelassen hin, wusste er doch selbst um seine Qualitäten, ein paar sparsame Worte des Dankes genügtem dem Pfiffenstocker dann offensichtlich auch so dass er fort fuhr: „Aber kommen wir gleich zum zweiten Punkt, meinem - zugegebener Maßen – Hauptanliegen. Da ich bald mit dem Baron von Kressenburg, dem Vogt von Tannwirk und dem Ritter Leobracht vom Berg in die Zacken aufbrechen werde, sofern dort wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, wollte ich das noch in guten Händen wissen. Denn ich gedenke meiner Gemahlin, die während meiner Abwesenheit wohl ebenfalls die meiste Zeit in der Reichstadt weilen wird, ein Geschenk zu machen.“
„Ein Geschenk für die holde Gemahlin Fatime, welch trefflicher Einfall. Wie kann ich euch hierbei zu Diensten sein?“, sein Gegenüber machte es spannend. Was für ein Geschenk, und warum wandte er sich damit an ihn den Majordomus, und nicht an die Vögtin, den Kastellan oder an die Kämmerin? Fragen über Fragen, und an den Mundwinkeln Selos erkannte Malphorus das sein Gegenüber die keimende Ungewissheit genoss. Nun denn, mit zunehmender Spannung in seinem Innern wartete er auf die Nennung der Aufgabe, und setzte dabei sein bestes Boltan Gesicht auf.
„Ganz Recht, die Gemächer meiner Gemahlin sind ja noch nicht gänzlich bezogen und dies wird sich aufgrund ihrer Tätigkeiten in der Hauptstadt mit Sicherheit auch noch etwas hinziehen. Doch so möchte ich es ihr hier doch schon etwas wohnlicher machen. Die karge Ostwand ihres Zimmers scheint mir doch etwas schmucklos und da gedachte ich ihr eine Passage aus ihrem favorisierten Geschichtszyklus anfertigen zu lassen. Doch soll es etwas exklusives sein, schöne Wandteppiche wird sie ja eigens aus Perricum mitbringen und so dachte ich an ein marmornen Fries. Was denkt ihr? Falls ihr Euch fragt warum ich damit zu Euch komme, der gute Asadan ist zwar ein fähiger Mann als Kastellan, doch letztlich auch sehr traditionell. Er würde mir nur wieder zu einem Wandteppich raten und außerdem hat er nicht so überaus hervorragende Kontakte zu ausländischen Marmorbrüchen wie Ihr. Ich denke aber Ihr werdet ihm die Vorzüge dessen vermitteln können.“
„Nun Efendi, ein marmornes Fries, vielleicht gar angeordnet zwischen den kostbaren Wandteppichen aus Perricum, ist ein ganz und gar grandioser Einfall. Dadurch wird die Szenerie, vielleicht sogar die entscheidende im Zyklus, hervorgehoben. Es wird mit Sicherheit ein Blickfang dieses Gemaches werden und eine erquickende Freude für eure Gemahlin.
Nur wenn ihr mir die Frage gestattet, um welchen geschichtsträchtigen Zyklus handelt es sich denn, und was ist auf den Wandteppichen dargestellt, oder vielmehr an welcher Darstellung in Marmor habt ihr gedacht?
Sein Gesichtsausdruck blieb dabei so regungslos als wäre er selbst aus Marmor gehauen. Die Nennung des Kastellans erzeugte ihn ihm ein leichtes Unbehagen, dieser war zu einem ein Familienmitglied der Pfiffenstocks und ein alter sehr traditionsbewusster Nebachote, oder wie es Malphorus zu denken gedachte, ein sturer Bock.
Selo musterte den Haushofmeister, er konnte ihn immer noch nicht gänzlich einschätzen. Er wusste dass der Höllenwaller ihm sicherlich keinen ausschließlich Haselhain loyalen Mann gesendet haben würde, deshalb gewährte man ihm auch noch nicht überall Einblicke, doch zweifelsohne war er ein fähiger Mann, der, so war sich Selo mittlerweile sicher so seine eigenen Hintergedanken hatte. Aber das gefiel Selo eigentlich und wusste es handzuhaben, zumal der Mann auch wusste wie man den etwas eingefahrenen Hof wieder etwas auf Trab brachte, genau deswegen wollte er ihn auch mit dieser Aufgabe betrauen. Nach diesen Gedanken nahm Selo die Fragen des Haushofmeisters wieder auf: „Es handelt sich um die Geschichte von „Manolya und der Sphinx, ich weiß nicht ob Ihr sie kennt. Eine sehr tragische Geschichte, wie ich meine, aber anscheinend liegt gerade der Reiz darin. Im Speziellen für meine Gemahlin, deshalb möchte ich das gerade die tragischste Passage in dem Fries hervorgehoben wird, ihr Tod durch die Weisen, bevor sie den gebrochenen Flügel der Sphinx heilen kann.“, dabei reichte Selo Malphorus ein kleines Büchlein, auf dem in makellos geschwungenen Lettern stand „Geschichten aus dem tulamidischen Perricum – in garethischer Sprache“, „hier drin werdet ihr die Geschichte finden, meine Frau höchst selbst hat diesen Band zusammengetragen, die entsprechende Passage ist markiert. Ob der Fries inhaltlich zu den Wandteppichen zu passen vermag kann ich Euch nicht beantworten, da ich sie selber noch nicht sah, so weiß ich nur dass die meisten ebenfalls Geschichten beschreiben.“
Malphorus hörte aufmerksam zu, zu seinem Ärger kannte er diese Sage nicht, das Büchlein würde ihm sicherlich eine Hilfe sein. Einiges musste jedoch noch geklärt werden: „Und wenn ihr mir diese Frage gestattet, spielen die Kosten eine Rolle?“, denn die Kämmerin würde sicherlich wenig erbaut sein, auch wenn es an Gold in Haselhain nicht mangelte. Zwischen ihm und ihr hatte es bereits mehrfach Dispute gegeben, da sie keinerlei Sinn für Geschäfte und notwendige Ausgaben hatte. Er geizte schon gegenüber der verschwenderischen Dienerschar, aber die Kämmerin stellt ihn noch in den Schatten mit ihrer peniblen Art. Auf der anderen Seite war sie eine Raulsche, und vielleicht ließe sich dies gegen den Kastellan ausspielen.
Selo lächelte: „Nun, meine private Schatulle ist begrenzt, aber der Baron sicherte mit einen gewissen Anteil als Geschenk für meine Gemahlin hinzu.“ Selo erinnerte sich dabei an das Gespräch, in dem Siyandor es offensichtlich phexisch gefiel, wie gut seine kleine Riposte bei seinem Onkel anschlug.
„Dann oh Efendi, stellt sich nur noch die Frage mit der Zeit. Ich befürchte dass sich ein solches Kunstwerk, nicht so schnell erschaffen und sich heranschaffen lässt. Wenn ihr es gestattet, könnten wir eure Gemahlin Fatime, deren alveranischer Gesang die gesamte Dienerschaft den Atem anhalten lässt, derweil bis zur Fertigstellung des Gemaches in den Räumlichkeiten der Mutter des Herrn Barons unterbringen, da sie ja in Aranien weilt. Die Vorfreude auf ihre neuen Gemächer mag dies nur steigern.“ Malphorus fluchte innerlich, schon hier musste er einräumen, den Wunsch nicht wie ersehnt erfüllen zu können. Er hatte keine Ahnung wie lange Fatime die Fleckige, wie sie sich offensiv manchmal selber nannte, in der Hauptstadt weilen würde, aber der Weg nach Höllenwall war weit. Und entgegen den kriecherischen Versprechungen vieler anderer Höflinge, hielt er es in solchen Angelegenheiten lieber mit der annehmbaren Wahrheit. Immerhin war dieser Selo weltgewandt und klug genug, solche Einwände abwägen zu können, anders als dieser kränkelnde, junge Baron, der zwar auch mit einiger Schläue gesegnet war, aber dem man manchmal sein kindliches Gemüt noch allzu deutlich anmerkte, vor allem in den Phasen wo es ihm schlechter ging.
„Ja, da habt Ihr Recht, aber das hatte ich auch nicht anders erwartet. Die Idee mit dem Gemach meiner Mutter ist gut, allerdings ist dies vielleicht gar nicht nötig. Weil meine Gemahlin gerade an einem kleinen Almanach der Kalligraphie arbeitet und deshalb wohl länger in Perricum verbleiben wird, zudem sie ihren Schülern dort auch nicht die ständige Reise nach Haselhain aufbürden möchte. Ich werde sie aber auf dem Rückweg meiner Queste in den Zacken für ein paar Tage besuchen, ehe ich gänzlich nach Hassal’han Ammayin zurückkehre.“, Selo sprach ruhig, hatte er offensichtlich auch schon an dieses „Problem“ gedacht, nahm es aber als unabwendbar hin.
„Nun oh Efendi, es ist mir eine Ehre euren Wunsch in Taten umzusetzen. Ich mache mich umgehend ans Werk. Da die Gemächer der Baron Mutter eh eine Auffrischung gebrauchen könnten, lassen ich sie herrichten, um für alle Fälle bereit zu sein, sobald wir an den Arbeiten in dem Gemach beginnen. Ich wünsche Euch für eure Unternehmung in die Zacken Phexens Glück und Hesindes Wissen, möget ihr bei den drei Schwestern gesund wiederkehren.“ Malphorus meinte es tatsächlich ernst mit seinen Wünschen, in Selo sah er eine große Stützte für die Raulschen am Hofe, allein dem Kastellan ausgesetzt zu sein schien ihm wenig erbaulich.
"Oh verzeiht Efendi, bevor ich es vergesse, die von euch gewünschte Urkunde ist fertig, dem guten Albentir ist ein kleines Meisterwerk gelungen.“ Der Majordomus stand auf, überreicht das Dokument und verabschiedete sich mit einer würdenvollen Verbeugung. Er hatte zu tun, viel zu tun.