Geschichten:Faust des Ostens Teil 9 - Ungebetener Besuch
Brendiltals Küste, Hesinde 1033 BF
"Du bist wirklich ein Sohn des Ungeschicks..." Hakim lachte herzhaft, klopfte seinem etwas bedröppelten Freund aber wohlwollend auf die Schulter. "Mach dir nichts drauß, beim nächsten Mal läufts besser und sie wird dich erhören!" Hakims Optimismus wollte nicht sich recht durchdringen zu Faramud, der verdrossen einen Stein aufhob und den anbrandenden Wellen entgegenschleuderte. "Wenn sie mich denn noch bemerkt überhaupt...", brummte er mehr in sich hinein und starrte aufs Meer hinaus, dessen weites Ende sich bereits mit der Dunkelheit des Himmels vermählte, während den beiden jungen Männern die Sonne auf den Rücken schien und die Gischtkronen der anlaufenden Wellen rot einfärbte. Hakim warf ihm einen Blick zu, dann jedoch sah er an Faramud vorbei, und streckte den Arm aus. "Heh, Faramud, kennst du den?" Um die Landzunge hatte sich der Bug eines schnellen Seglers geschoben, der Kurs auf das Heimatdorf der beiden zu laufen schien, das weiter in der Bucht lag. Das Schiff segelte recht dicht unter Land, machte keine Anstalten, Fahrt zu verlieren, und führte keine Flaggen oder Wimpel. Faramud schüttelte den Kopf und zupfte Hakim am Ärmel. "Nein, kenn ich nicht... komm lass uns abhauen und Bescheid geben." Hakim nickte und war schon dabei, auf die Füße zu kommen. "Ja. Sieh, da kommen noch mehr."
Hastig machten sich auf den Weg, rutschten von den Felsen herunter, die ihnen als Sitzplatz gedient hatten und liefen den Strand entlang zum Dorf zurück. Doch kamen sie dort nicht mehr an: Mehrere gezielte Pfeilschüsse setzten ihrem Weg ein vorzeitiges und blutiges Ende.
Faramud würde niemals mehr erhört werden.
Die Nacht brach herein, doch wurde es nicht dunkel. Zwei der Fischerhütten hatten Feuer gefangen, eine davon hatte dem Ansturm der Angreifer nicht standgehalten und war komplett in sich zusammengefallen. Aus den Trümmern schlugen die Flammen wie aus einem Scheiterhaufen und verzehrten die einfache Behausung vollends. Außer dem Knacken von Feuer und dem Rauschen der See erfüllte eine Vielzahl an Schreien die Szenerie. Einige der Bewohner hatten sich ein Herz gefaßt und waren den Angreifern entgegengetreten, in der Hand Säbel, die schon seit Generationen in den Familien vererbt wurden. Doch gegen die Übermacht der Marodeure hatten sie nichts ausrichten können. Doch sie hatten ihr Leben gelebt und versuchten nun den Feind soweit hinzuhalten, auf dass ihre Familien die Möglichkeiten zur Flucht hatten und dass zumindest einer entkam um die übrigen Dörfer zu warnen. Mit mäßigen Erfolg. Nun tränkte ihr Blut den Sand des Dorfplatzes und die Piraten hatten freie Hand in ihrem wüten.
"Lass deine Finger von dem Weib! Schaff sie lieber an Bord, bevor du sie noch ruinierst." Varicella packte den schwarzen Schopf des Schänders und riss ihn unsanft zurück. Sie kennte den Mann nicht, er war keiner aus der Mannschaft der "Kralle" und der Maatin damit herzlich egal. Ärgerlich ob ihrer Verwechslung gab sie dem Kerl einen Tritt und konnte sich gerade noch beherrschen, ihm die blutige Klinge ihres Säbels über den Rücken zu ziehen, während er fluchend davonstolperte und seine Kumpane suchte. Varicellas Blick glitt über das Chaos, was sich um sie herum entfesselt hatte. Während im Dorf die überlebenden Bewohner schon zusammengetrieben und auf die zuerst anlandenden Schiffe verschleppt wurden, waren noch nicht immer alle der Plünderer überhaupt angekommen. Die "Assarbads Zorn" ließ gerade erst Boote ab und weiter hinten näherte sich noch eine Karavelle der Bucht.
Was für ein Fest - blieb nur zu hoffen, das der Koch auch für alle genug zu beißen vorbereitet hatte!
An Bord der "Basiliskenodem" beobachtete Phrygeos besorgt das Geschehen am Ufer. "Käpt'n, wir kommen zu spät. Die anderen haben schon alles eingesackt, wenn wir anlanden." Der schwarzbärtige Hüne neben ihm lächelte nur und schüttelte den Kopf, während sein Schleifstein immer wieder über die Schneide seiner Axt fuhr. Mit dem Daumen prüfte er kurz deren Schärfe, dann setzte er sein Werk fort. "Lass sie sich nur an den lausigen Fischern gütlich tun. Das ist erst der Anfang." Der zyklopäische Segelmeister der Karavelle sah zu seinem Kapitän auf. "Der Anfang?" Der Schwarzbart deutete mit dem Schleifstein über das Meer. "Hinter den Hügeln dort liegen Dörfer, die jetzt nur so in Wein schwimmen. Dort haben die Adligen hier ihre Herrensitze, vollgestopft mit Marmor, Gold und Edelsteinen. Du hast doch gehört, was der Spinner aus Khunchom erzählt hat: Der alte Eslam hat zwölf Söhne und jeder von ihnen schwimmt im Gold. Tulamidenmärchen..." Ein brauner Strahl verließ zur Unterstreichung der verächtlich gesprochenen Worte seine Lippen und traf die Decksplanken. "Ich hab mich aber umgehört... der Kern ist wahr. Nicht zu weit weg liegt Schwalbenbach. Dahin hat vor ein paar Monaten erst der Jüngste Spross des Barons seine Braut heimgeführt. Da läßt sich schon was holen. Ich nehme die Hälfte der Leute mit und seh mir das zusammen mit ein paar Leuten von der "Assarbad" und der "Pfeil" mal näher an, du bleibst beim Schiff, bis das Signal kommt." Der Segelmeister hob kurz die Schultern, nickte dann aber. "Aye, aye, Käpt'n."
Weit ab vom Leiden und Sterben der Fischer saß verborgen vom Schatten eines kleinen Wäldchens ein einzelner Reiter auf seinem Braunen und beobachtete das Geschehen. Ein zufriedenes Lächeln umspielte seine Lippen. Er setzte des feine Fernrohr aus Messing ab und verstaute es sorgfältig im Futteral am Gürtel. Dann wendete er sein Pferd landeinwärts und ließ es locker antraben. Eine prächtige Pfauenfeder wippte dabei an seinem Hut.