Geschichten:Faust des Ostens Teil 21 - Am Palast der Pferde

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Die von der Hitze des Tages aufgewärmte Erde ließ die Luft nur langsam abkühlen, obwohl am Himmel schon längst die Juwelen des nächtlichen Gottes funkelten. Das Madamal warf sein Licht auf eine langsam zur Ruhe kommende Szenerie. Nur an den Lagerfeuern vor den aufgeschlagenen Zelten unterhielten sich noch die Soldaten der Grenzreiter und vom befestigten Sitz des Barons her, dem "Palast der Pferde", drang der Klang von Musik durch die Nacht.

Die Kriegerin lehnte an einem Baum und sah hinüber zu dem kleinen Lager. Ein Bein hatte sie angewinkelt und den Fuß gegen den Stamm hinter sich gestützt, die Arme verschränkt. Die zum Pferdeschwanz gebundenen Haare schwangen, als sie den Kopf ruckhaft wandte, um dem Ursprung eines Geräusches auf den Grund zu gehen. Doch schon den Bruchteil eines Herzschlags später entspannte sie sich wieder. "Ihr macht eurem Namen alle Ehre... nur dass das keine Birken sind", begrüßte sie den Neuankömmling mit einer guten Portion Spott. Dieser antwortete eilig: "Ich wollte mich nicht anschleichen - doch eure Leute sagten mir, dass ich euch hier finden würde." Die Stimme des jungen Mannes schwankte ein wenig nach weinreichem Genuss im Palast, doch die Schritte waren noch recht sicher, während er sich der Frau näherte. "Ist es euch bei der Feier zu viel geworden, zuviel weibliche Aufmerksamkeit, Jarin? Als ich ging, schient ihr mir noch recht zufrieden und ausgelassen..." - "Verzeiht, Frau Rittmeister, ich habe es länger ausgehalten als ihr, wenn ihr es so drauf ankommen laßt. Ihr habt dem Löwenhaupter Konkurrenz gemacht. Im Gegensatz zu ihm wurdet ihr allerdings vom Gastgeber vermißt..." Jarin Leomar von Birkenbruch konnte sich ein anzügliches Grinsen nicht verkneifen. Seine Gesprächspartnerin warf ihm einen finsteren Blick zu. "Irgendwer muss schließlich nüchtern bleiben und dafür sorgen, dass die ganzen Schwerter hier nicht umsonst lagern, sondern tatsächlich alles sicher bleibt." Ihr Blick ging wieder hinüber zu den Zelten. "Mit dem, was hier lagert, könnte man im Wehrheimschen schon für Aufsehen sorgen. Man könnt fast meinen, mein Onkel sei paranoid."

"Und das zurecht!", gab Jarin prompt zurück, riß sich dann aber zusammen und meinte nachdenklich: "Immerhin gab es gerade erst vor wenigen Wochen einen Anschlag auf sein Leben und das des Zillingen. Und jetzt sind sie alle hier versammelt: die Obristen, der Heermeister, die Admiralin, der Al-Shuar... das wäre schon ein lohnendes Ziel. Also schadet ein wenig Paranoia nicht - immerhin befinden seine Excellenz sich damit in guter Gesellschaft. Der Hausherr scheint ja fast besessen davon zu sein, dass Haffax hier anlandet." Die Nichte des Heermeisters, Ciarda von Firunslicht, zuckte mit den Schultern. "Denkbar ists. Seine Vorschläge hören sich doch ganz vernünftig an. Die Landwehr einzuberufen und auszubilden schadet jedenfalls nicht." Heftiger als er sich selber wünschte fuhr Jarin auf. "Aber den gesamten Heerbann der Nebachoten _und_ Baburen einzuberufen! Das hat Verwicklungen mit Aranien zur Folge, dass ist so sicher wie der Gong im Praiostempel. Mal ab davon, dass das logistisch gar nicht lang genug zu halten ist. Der von Haffax genannte Termin der Begegnung wird ja allgemein angezweifelt." Etwas versöhnlicher fuhr er dann fort: "Dass auch Perricum ein mögliches Angriffsziel ist, bestreitet glaube ich niemand. Zumindest soweit waren sich alle Anwesenden ja einig - ich will meinen, das war heute der einzige Punkt überhaupt, für den diese Aussage gilt."

Ciarda nickte und schüttelte dann den Kopf. "Ja. Das kann man wohl laut sagen. Glaubt ihr, die Deridarez reist morgen tatsächlich schon ab wie angedroht?" Jarin zuckte mit den Schultern. "Klingt mir jedenfalls wahrscheinlicher, als dass Oberst von Löwenhaupt-Berg tatsächlich vom Brendiltaler erschlagen wird. Da konnte der Heermeister ja nochmal rechtzeitig die Wogen glätten." - "Tja, dafür herrscht jetzt zwischen der Admiralin und meinem Onkel selbst stürmische See. Das ist aber auch eine Schnepfe... was die sich auf ihre morschen Kähne einbildet. Ich hab die in Perricum doch gesehen." Ein knappes Nicken, gefolgt von noch einem Schulterzucken leitete die lapidare Antwort des jungen Birkenbruchers ein: "Kaiserliche Befehlshaber halt. Bei den wenigen Gelegenheiten, bei denen euer Onkel mal seine persönlichen Ansichten kundtut zu solchen Themen, sind die oft genug nicht gut weggekommen. Arrogant und inkompatibel waren noch die netteren Worte, die er hatte." Ciarda schwieg und sah hinüber zu den Zelten. Besondere Lust, dazu etwas zu sagen hatte sie nicht.

Indes mußte sie auch nicht: der gute Wein des Barons hatte die Zunge Jarins locker genug gemacht, um ihre Schweigsamkeit zu kompensieren. Nachdenklich fuhr er fort: "Ich hoffe nur, dass seine Reformansätze nicht zu vielen sauer aufstoßen werden." Ciarda sah nun doch wieder zu ihm hinüber und hob die Augenbrauen leicht an. Jarin hob die Hände. "Nunja, ich selbst halte es für eine gute Idee, die Versorgungslinien im Stab des Heermeisters zu bündeln und nach Standorten zu organisieren, aber die Obristen waren da ja nicht sonderlich begeistert von. Zugegeben, das schmälert ihre Kompetenzen, aber sie müssen den Nutzen doch auch sehen." - "Ich hatte schon das Gefühl, dass die Argumente seiner Excellenz gefruchtet haben. Glücklich sind sie vermutlich nicht, aber sowohl Zillingen als auch Löwenhaupt scheinen es akzeptiert zu haben. Auch wenn er den Vellberger offenbar mit zwei zusätzlichen Bannern für sein Kommando bestechen mußte, damit der seinen Groll herunter schlucken konnte." Ein Räuspern Jarins ließ sie fragend zu ihm hinüber sehen. "Nein, nein... das war schon vorher beschlossen. Der Vellberger hatte es zwar damals ursprünglich vorgeschlagen, aber seine Excellenz hatten schon vor ein paar Wochen angemerkt, dass es sinnvoll sein könnte, allein schon, um die Efferdtränen zusätzlich zu sichern."

Ciarda mußte trocken und ohne Vergnügen auflachen. "Oh ja, die Efferdtränen. Mit diesen götterverlassenen und von Verrückten bewohnten Kalkbrocken vor der Küste hat es ja angefangen, Ich hatte es fast schon vergessen. Damit und mit seinen Vorstellungen der 'integrierten Küstenverteidigung' hat der ganze Streit mit der Seridarez ja begonnen. Wenn ihr mich fragt, Birkenbruch, so eilig werden seine Banner nicht auf die Tränen kommen. Und ich glaub, das ist erst der Anfang. Inwieweit die Pläne zu den Landgarden bei den Baronen ankommen, muss sich auch noch zeigen. Das mag heute ganz gut aufgenommen worden sein, aber hier haben sich auch nur die hohen Offiziere beraten..." Jarin seufzte. "Ja, wohl wahr. Das Problem sehe ich auch. Ich glaub auch nicht, dass es seiner Excellenz verborgen ist oder auch dem Brendiltaler. Der hat sich mit seiner Aufteilung nach Volksgruppen ja vermutlich die leichtere Aufgabe gesichert. Die Nebachoten sind schon ganz gut aufgestellt mit ihrem Heerbann. Für den Rest fehlt es noch an allen Strukturen. Ich denke aber, wir werden schnell genug erfahren, was die heermeisterlichen Pläne hier vorsehen. Aber da er den Brendiltaler nochmal formal als Oberst der Reserve im nebachotischen Landwehrbann bestätigt hat, vermute ich mal, er sucht ein Pendant unter den Raulschen."

Ciarda zuckte mit den Schultern. "Soll er tun. Solange er mich damit in Ruhe läßt, ist es mir recht. Ich habs nicht mit Politik..." - "Wer hat das schon?", fragte Jarin zurück und sah nachdenklich hinüber zum Palast. Da Ciarda nichts mehr antwortete, seufzte er kurz und murmelte dann zu sich selbst eher: "Ich glaub, ich schau nochmal nach, ob Hochgeborens Wein schon alle ist." Die Rittmeisterin der Grenzreiterschwadron nickte. "Tut euch keinen Zwang an." Da sie aber nicht einmal zu ihm hinübesah, sondern wieder das Lager zu beobachten schien, riss sich Jarin los und stapfte alleine wieder den Klängen der Feier entgegen.