Geschichten:Das Recht des Älteren - Rückkehr nach Luring
Dramatis Personae
- Nimmgalf von Hirschfurten, Baron zu Hirschfurten
- Ederlinde von Luring, Seneschallin zu Reichsforst
Burg Luringen, Rahja 1035 BF
Nimmgalf und seien Stieftochter Irnfrede waren vor kurzem in Begleitung der perricumer Vögtin Lyn ni Niamad von Brendiltal aus Albernia nach Garetien zurückgekehrt, wo sie zunächst auf Burg Luringen eingekehrt waren. Die Enttäuschung darüber, dass seine Stieftochter nicht zur Braut des albernischen Prinzen gekürt worden war, war dem Baron zu Hirschfurten immer noch anzumerken.
Irnfrede hingegen hatte recht gute Laune. Laut eigenem Bekunden hatte es ihr in Albernia ohnehin nicht gefallen, und so war sie froh, wieder heil auf Großvaters Burg angekommen zu sein.
Nimmgalf hatte seine Gemahlin Ederlinde zu einer persönlichen Unterredung bestellt, die die vielbeschäftigte Frau ihrem Mann allerdings erst am Abend des Folgetages gewährt hatte, was Nimmgalf deutlich verstimmte. So wartete der Baron im Burgsalon und las in der neuesten Ausgabe des Garether- und Märker Heroldes, in der die Kandidaten für die Marschallswahl aufgeführt waren, als Ederlinde schließlich den Salon betrat.
„Sei gegrüßt, Nimmgalf. Bitte entschuldige, dass es nicht früher ging, aber die Abrechungen für die Krone duldeten keinen Aufschub und…“ „Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen, Ederlinde!“ unterbrach Nimmgalf sie barsch. „Du hast hier deine Aufgaben, und ich habe meine. Jeder setzt seine Prioritäten, wie es ihm am besten erscheint.“
Ederlinde setzte sich ihm gegenüber in einen weichen Polstersessel und schlug die Beine übereinander. „Nun sei nicht gleich beleidigt, Nimmgalf. Berichte mir lieber wie es euch beiden in Albernia ergangen ist. Nimmgalf schnaubte ein wenig: „Wie soll es schon gewesen sein? Die Wahl des Prinzen ist auf eine andere Braut gefallen. Eine Albernische – wie überraschend!“ Sein Tonfall klang etwas verächtlich. „So? Konntest du denn nicht genügend Unterstützer für deine Sache anführen?“ Nimmgalf schüttelte enttäuscht den Kopf. „Das war schwierig, da ja ein Großteil des garetischen Adels in Auenwacht weilte, während andere Provinzen wie z.B. Weiden in großer Kopfstärke vertreten waren, um ihre Kandidatin zu unterstützen. Natürlich gelang es mir, noch ein paar Fürsprecher unter den bislang Unentschlossenen zu finden – die Vorteile von einer Verbindung der Häuser ui Bennain und Luring-Hirschfurten liegen schließlich klar auf der Hand. Aber am Ende hat es leider nicht ganz gereicht. Stattdessen wird die künftige Fürstin nun eine Albernierin aus dem Hause Stepahan sein. Zu schade, dass die Albernier die große Chance zu einem Schulterschluss mit den anderen Provinzen des Reiches ausgeschlagen haben, und stattdessen lieber weiterhin ihr eigenes Süppchen kochen. Und gerade die Stepahan – die bei der Rebellion immer in vorderster Reihe gestanden haben… Wenn du mich fragst, ist es nur eine Frage der Zeit bis erneut die Rufe nach Unabhängigkeit Albernias laut werden, und man wieder zu den Waffen greift.“ Nimmgalf hatte sich etwas in Rage geredet. Ederlinde rückte ein Stück näher zu ihm und nahm seine Hand um ihn etwas zu beruhigen. „Nun ja, dies sollte erstmal nicht unser Problem sein. Wir haben genug eigene Dinge zu klären. Und ich bin mir sicher, wir finden noch einen guten Mann für Irnfrede. Sie hat ja Praios sei Dank noch ein paar Götterläufe Zeit.“
Nimmgalf atmete tief durch. „Da hast Du sicher recht, Ederlinde. Da brauchen wir erstmal nichts zu überstürzen. Doch du sprachst von Dingen die noch zu klären seien. Was ist denn nun auf dem Auenwachter Kabinett geschehen?“ Ederlinde begann zu berichten: „Nun zunächst einmal ist Horbald von Schroeckh als Staatsrat zurückgetreten!“ Nimmgalf lehnte sich lächelnd zurück. „Na endlich mal eine gute Nachricht. Hat er also den Stab hingeworfen und sich in sein Schneckenhaus zurückgezogen? Weiß man denn wie es dazu kam?“ „Nun – angeblich hat er sich mit Markvogt Barnhelm von Rabenmund überworfen. Manche munkeln aber auch, dass er von anderen Umständen zum Rücktritt gepresst worden sei. Die genauen Beweggründe sind aber noch unklar.“ „Und hat die Königin schon einen Nachfolger ernannt?“ „Das hat sie in der Tat. Es ist Vaters Cousin Horulf von Luring. Er wurde bereits als neuer Cantzler bestätigt.“ „Nun, das scheint mir nicht die schlechteste Wahl zu sein. Zumindest nicht wieder so ein Affront gegenüber den alten Häusern, wie bei der Wahl von Schroeckhs“. „Ja, ich denke, mit Horulf als Cantzler wird sich Garetiens Politik wieder deutlich zu unseren Gunsten wenden.“ „Und wer übernimmt seine bisherigen Aufgaben hier in Reichsforst? Du etwa?“ „Zum Teil, ja. Drego hat mich zur neuen Seneschallin Reichsforsts ernannt.“ Nimmgalf entfuhr ein kleiner Pfiff. „Na, da gratuliere ich dir aber. Jetzt wundert es mich nicht mehr, dass Du hier so viel zu tun hast.“ „Aber das Amt des Landrichters hat er dem Schwarztanner Junker Emmeran von Erlenfall übertragen. „WAS? Diesem kleinen Emporkömmling? Ich hätte ihn beinahe schon auf Dregos Einführungsfeier gefordert wegen seiner unverschämten Reden. Wie konnte er nur?“
„Leider haben Odo und ich nur begrenzten Einfluss auf die Entscheidungen meines Bruders. Zu oft verbringt er die Abendstunden mit seinen Freunden und frönt dem Müßiggang. Ich fürchte, dass mir so langsam die Kontrolle über meinen Bruder entgleitet.“ „Das können wir uns doch nicht bieten lassen, Ederlinde. Ich werde mal ein paar Wörtchen mit Drego reden müssen. So geht es einfach nicht.“ „Nein, Nimmgalf. Lass das lieber. Er würde ohnehin nicht auf dich hören. Er sitzt nun mal als Regent an Vaters Statt ganz oben, und das weiß er auch.“ „Ja, aber was sollen wir dann tun? Wir können doch nicht so einfach zusehen, wie er uns seine Schergen vor die Nase setzt.“ Ederlinde antwortete: „Ich hoffe nur, dass Drego mit der Zeit einsieht, dass er von diesen Leuten nichts Gutes erwarten kann, und dass sie ihn nur ausnutzen wollen. Wenn diese Erkenntnis einmal da ist, werden sich die Dinge schon wieder zum Guten regeln. Bis dahin müssen wir eben durchhalten.“ Nimmgalf schwieg eine Weile und überlegte. „Nun, das schmeckt mir zwar nicht, aber momentan haben wir da wohl keine Alternative. Aber zurück nach Auenwacht: gab es denn einen Beschluss zur Marschallsfrage?“ In der Tat: der neue Groß-Garetische Marschall wird Urion von Reiffenberg.“ „Der Greifenfurter also? Damit hätte ich nicht gerechnet – zumindest nicht an erster Stelle. Aber nun gut, nach allem was ich über ihn gelesen habe, ist er recht bewandert in militärischen Fragen. Sollte es tatsächlich zum Kampf gegen Haffax kommen, ist jegliche Erfahrung des Marschalls mehr wert als alles andere.“ „Im Übrigen wurde noch beschlossen, das Reichsforst drei Regimenter für den Heerbann stellen soll, während die anderen Grafschaften nur eines zu stellen haben. Die Kaisermark zwei.“ „Potztausend, drei Regimenter? Das ist nicht gerade wenig. Da werde ich noch beträchtliche Mittel brauchen, um derart viele Truppen aufzustellen.“ „Ich fürchte leider, dass es mit unseren Kassen nicht gerade zum Besten steht, Nimmgalf. Hinzu kommt eine Kriegssteuer von 8 Silbertalern pro Kopf. Ich weiß nicht, ob wir uns das auf die Schnelle leisten können.“ „Wir werden es uns leisten müssen, Ederlinde. Hier geht es um die Verteidigung unserer Heimat. Für die darf kein Preis zu hoch sein. Ich werde mich, sobald ich wieder in Hirschfurten bin, um die Aufstellung der Regimenter kümmern. Ich hatte im Zuge der Ritterbundfehde, die ja inzwischen beendet ist, schon einige Truppenaushebungen angeordnet. Doch das war nur der Anfang. Alles was nicht durch den gräflichen Ritterbann und unsere Gardeeinheiten gedeckt werden kann, muss eben von den Baronien als Landwehr gestellt werden. Ich werde auch Onkel Ungolf besuchen und von ihm Unterstützung aus Randersburg anfordern. Aber auch damit wird es alles andere als einfach. Ich fürchte, wir haben noch viel Arbeit vor uns.“
„Ich bin sicher, dass du das schaffen wirst, Nimmgalf.“ Ederlinde streichelte ihm sanft über die Hand. Wenigstens musst du nun keine Angriffe seitens der Pulethaner mehr befürchten.“ „So? Die Fehde wurde zwar durch Danos und Ugo von Mühlingen beendet, aber der Groll im Inneren ist immer noch da und schwelt im Verborgenen. Auch habe ich den Pulethanern noch lange nicht vergeben. Andererseits denke ich aber auch, dass die Bedrohung von außerhalb momentan eher im Vordergrund steht, und ein weiterer Angriff ihrerseits nicht wahrscheinlich ist. Dennoch wird es nicht schaden wachsam zu bleiben. Aber jetzt bin ich müde.“
Er wollte sich erheben, doch Ederlinde hielt ihn noch fest. „Wenn Du möchtest, kannst du heute Nacht bei mir schlafen, Nimmgalf. Das letzte mal ist schon lange her…“ Nimmgalf blickte seiner Frau für einen Moment in die Augen. „Ich bin müde, Ederlinde. Ich will nur schlafen.“ Damit erhob er sich und ging zu seinem Gästequartier.