Geschichten:Begegnungen - Der erste Reiter (Teil 1)
Baronie Haselhain, kurz vor Laskanshain, Ende Hesinde 1037 BF
Es war schon recht kühl - auch für Südperricum - und wieder war Selo mit seinen Begleitern auf der kleinen Straße von Besh Hassal Ammay Shar nach Hassal'han Ammayin unterwegs. Er hatte hier gleich zu Anfang gelernt, dass man wichtige Sachen nicht per Bote oder gar Briefen klärte, sondern selbst vorstellig wurde. Und so lagen wieder einige Anstrengungen hinter ihm, aber es hatte sich gelohnt und deswegen wollte er den Zwischenhalt in Lassar a Yar’Ammayin (Laskanshain) nutzen um Lyn, die gerade auf ihrem Gut weilte, von den guten Nachrichten zu berichten.
In Gedanken ging er die Ereignisse, die zu diesem Erfolg führten noch einmal durch.
Er erinnerte sich daran, wie er mit Siyandor nach dem Gespräch mit Lyn über ihre Ideen gesprochen hatte. Dieser war zwar skeptisch gewesen aber ließ ihm freie Hand, zumal der alte Ramaro ihm auch noch keinen besseren Alternativvorschlag geliefert hatte.
Und so war Selo schon kurz darauf in Richtung Brendiltal aufgebrochen um dort erneut bei dem berüchtigten Eslam vorstellig zu werden. Wie schon sein erstes Aufeinandertreffen mit diesem lief auch dieses alles andere als einfach. Der Al’Shuar war kurz angebunden, fahrig und schlecht gelaunt, denn wie Selo erfuhr führte er erst kürzlich einige unerfreuliche Unterredungen und Briefwechsel mit einigen Heißspornen auf nebachotischer und dem perricumer Herrmeister auf der anderen Seite über die Rolle der Nebachoten im Heerzug gegen Haffax, von dem er nicht glaubte dass dieser bei den Anschlägen von Talbruck - über die grade das ganze Reich sprach - ums Leben gekommen war.
Und deswegen war er tief in die Aufstellung des „größtän nebachot‘ischen Raiterhärräs allär Zai’ten“ – wie er selbst immer wieder betonte – beschäftigt. Und genau dort dachte Selo ihn zu kriegen und erzählte ihn von dem Plan.
Doch Eslam tobte und warf Siyandor vor, das Erbe seines Onkels zu beschmutzen, da er nicht selbst – ohne seine Hilfe – Stärke beweisen könne. Auch prangerte er den strategischen Nachteil - sich in die Karten schauen zu lassen – an und unterstellte Selo mangelndes Verständnis. Da half dann auch das Ziehen aller rethorischen Register nichts um die Ansichten des Brendiltaler Barons zu ändern, ganz im Gegenteil, diese Spitzfindigkeiten brachten Eslam nur noch mehr auf die Palme. Selo hatte ihn einfach auf dem falschen Fuß erwischt und so wollte der Anführer der Bahr ai Danal-Nebachoten auch die Tage danach nichts mehr davon wissen. So kam es, dass Selo enttäuscht wieder abreiste, hatte er doch die Nase gestrichen voll von diesem Volk, das eigentlich seines sein sollte.
Eher durch Zufall kam er in Brendiltal-Stadt in Kenntnis von der Halle der Ahnen, die unter Nebachoten wohl sehr bekannt und geachtet war, doch ihm bisher gänzlich unbekannt - eine Schande. In der unruhigen Nacht darauf kam ihm ein Geistesblitz und er verlängerte seinen Aufenthalt in Brendiltal um zu dieser besagten Halle zu reisen. Sie lag in dem Junkertum Korbrunn im Dorf Mantikorszahn und die dortigen Herren der Chroniken wachten über einen großen Schatz von Wissen und Geschichten.
Die Namen von Junkertum und Dorf hielten was sie versprachen und es ging dort rauh zu, hier am Ende des Reiches wo Selo eine deutlicheren Traditionsreichtum der Nebachoten bemerkte. So dass er durchaus irritierte bis abfällige Blicke erntete, wenn sich die Leute trauten. Die einfachen, zu großer Zahl unfreien Bauern senkten ehrfürchtig Haupt und Oberkörper, als sie die Zeichen seines Standes erkannten, die Krieger und Söldner wiederum suchten grimmig den Wettstreit mit seinem Blick. Das hatte er auch schon anderswo in Haselhain und besonders Brendiltal festgestellt, doch es schien je weiter man in den Südosten kam mehr zu werden.
Als er letztlich die Halle der Ahnen erreichte, war er skeptisch was er hier finden sollte/würde. Er hatte etwas Prächtiges, Repräsentatives erwartet. Doch war die zwischen Burg und Dorf gelegene Halle zwar groß, aber teilweise verfallen und von äußerst düsterer, beinahe schon morbider Gestalt.
Und erst nach langen, scheinbar ritualisierten Verhandlungen und Unterredungen wurden er und seine Mannen eingelassen. Von Innen wirkten die Hallen noch weniger einladend und es lag ein leicht muffiger Geruch in der Luft. Die meisten der hier lebenden Gelehrten machten einen seltsamen und skurrilen Eindruck auf ihn. Von einem geordneten Archivwesen hatten diese Leute hier anscheinend noch nie etwas gehört, so dass sich überall - scheinbar völlig ohne Sinn - alte Dokumente, Kleinode, Steintafeln, bebilderte Bücher und Wandteppiche usw. stapelten und keinen guten Eindruck machten. Außerdem war die Luft in dem Gebäude auch eher feuchtwarm und so sammelten sich an einigen Stellen Ungeziefer das sich an den Archivalien gütlich tat.
Am liebsten wäre Selo bei so einem Frevel an Hesindes und Praios’ Tugenden schreiend davon gelaufen bis man ihn in die so genannte Chall'Idrim - den Prachtsaal - einließ. Dort dachte er an einem völlig anderen Ort zu sein, hier drin fühlte er sich wie in das alte Nebachot zurück versetzt. Man erklärte ihm, dass diese Halle seinem Bruder zu verdanken war, der der Halle eine großzügige Spende zukommen ließ, nachdem er vor fast zwei Jahren einmal den Rat der Chronisten suchte. Genauso wie jetzt Selo.
Und genauso wie sein Bruder wusste nun Selo auch nicht recht was genau er suchte. Aber er brauchte etwas um dem Al’Shuar seine Idee schmackhaft zu machen. Etwas das nach Tradition und altem Nebachot roch, etwas mit Glanz und, nunja… viel Blut.
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