Geschichten:Bruder Abts letzte Liturgie: Unterschied zwischen den Versionen

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<center>'''Worte sind nur verfälschte Gedanken.'''</center>
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Bruder Abt antwortete der Stimme nicht, die durch die Finsternis unter Kloster Krähenwacht hallte. Worte beinhalten zu wenig und verraten zu viel. Stattdessen schaute er in die Dunkelheit und nahm auf einer Steinstufe Platz, um dem alten Herz eine Pause zu gönnen.
[[Hauptdarsteller ist::Perricum:Bruder Abt|Bruder Abt]] antwortete der Stimme nicht, die durch die Finsternis unter [[Handlungsort ist::Perricum:Kloster Krähenwacht|Kloster Krähenwacht]] hallte. Worte beinhalten zu wenig und verraten zu viel. Stattdessen schaute er in die Dunkelheit und nahm auf einer Steinstufe Platz, um dem alten Herz eine Pause zu gönnen.


:''"Seit dreizehn Jahren hütest Du nun mein Grab, aber ich spüre, der Moment meiner Freiheit ist nahe!"''
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Die ersten Jahre, das stimmte auch, war er ihr Hüter gewesen. Wie naiv er doch damals gewesen war! Als Veteran der Dritten Dämonenschlacht hatte er geglaubt, alles Böse besiegen zu können. Sein fester Waffenarm mit dem Rabenschnabel, sein unerschütterlicher Glaube an den Herrn des Todes, seine Ordensgeschwister. Nichts würde sich ihm in den Weg stellen können.
Die ersten Jahre, das stimmte auch, war er ihr Hüter gewesen. Wie naiv er doch damals gewesen war! Als Veteran der Dritten Dämonenschlacht hatte er geglaubt, alles Böse besiegen zu können. Sein fester Waffenarm mit dem Rabenschnabel, sein unerschütterlicher Glaube an den Herrn des Todes, seine Ordensgeschwister. Nichts würde sich ihm in den Weg stellen können.


Dann hatte er die Stimme im Keller entdeckt, oder hatte sie ihn entdeckt? Irgendwo tief unter Brey'She'Nok hatten sie sie dereinst eingemauert. Es hatte Jahre der Gesprächen mit dem geistig verwirrten ehemaligen Burgvogt gebraucht, um sie einem nebachotischen Burgherrn zuzuordnen. Muharib Alzalam soll von hier aus in den Magierkriegen geherrscht haben, bevor ihn die Perricumer Gräfin Korholdis in den tiefsten Kerker seiner Festung einmauern ließ. Den Grabsegen soll der Heilige Berathraban selber gesprochen haben, als die Schreie verklungen waren.
Dann hatte er die Stimme im Keller entdeckt, oder hatte sie ihn entdeckt? Irgendwo tief unter Brey'She'Nok hatten sie sie dereinst eingemauert. Es hatte Jahre der Gesprächen mit dem geistig verwirrten ehemaligen Burgvogt gebraucht, um sie einem nebachotischen Burgherrn zuzuordnen. [[Hauptdarsteller ist::Perricum:Muharib Alzalam|Muharib Alzalam]] soll von hier aus in den Magierkriegen geherrscht haben, bevor ihn die Perricumer Gräfin [[Nebendarsteller ist::Korholdis vom Darpatbogen|Korholdis]] in den tiefsten Kerker seiner Festung einmauern ließ. Den Grabsegen soll der [[Nebendarsteller ist::Garetien:Sankt Berathraban|Heilige Berathraban]] selber gesprochen haben, als die Schreie verklungen waren.


Nur war Alzalam da wohl noch nicht tot. Seine finsteren Mächte hatten ihn deutlich länger am Leben gehalten. Und als er wohl Monate später endlich verschied, gab es keinen Segen, der seine Seele über das Nirgendmeer begleitet hätte und Alzalam wurde darum zur Stimme.
Nur war Alzalam da wohl noch nicht tot. Seine finsteren Mächte hatten ihn deutlich länger am Leben gehalten. Und als er wohl Monate später endlich verschied, gab es keinen Segen, der seine Seele über das Nirgendmeer begleitet hätte und Alzalam wurde darum zur Stimme.

Version vom 1. Oktober 2025, 06:47 Uhr

"Na Äbtchen? Der Tod ist sicher, nur dessen Stunde nicht. Spürst Du, wie das alte Herz zu schlagen aufhört?"
Worte sind nur verfälschte Gedanken.

Bruder Abt antwortete der Stimme nicht, die durch die Finsternis unter Kloster Krähenwacht hallte. Worte beinhalten zu wenig und verraten zu viel. Stattdessen schaute er in die Dunkelheit und nahm auf einer Steinstufe Platz, um dem alten Herz eine Pause zu gönnen.

"Seit dreizehn Jahren hütest Du nun mein Grab, aber ich spüre, der Moment meiner Freiheit ist nahe!"

Es war wirklich eine lange Zeit, da hatte die Stimme recht, aber mit dem Rest irrte sie.

Die ersten Jahre, das stimmte auch, war er ihr Hüter gewesen. Wie naiv er doch damals gewesen war! Als Veteran der Dritten Dämonenschlacht hatte er geglaubt, alles Böse besiegen zu können. Sein fester Waffenarm mit dem Rabenschnabel, sein unerschütterlicher Glaube an den Herrn des Todes, seine Ordensgeschwister. Nichts würde sich ihm in den Weg stellen können.

Dann hatte er die Stimme im Keller entdeckt, oder hatte sie ihn entdeckt? Irgendwo tief unter Brey'She'Nok hatten sie sie dereinst eingemauert. Es hatte Jahre der Gesprächen mit dem geistig verwirrten ehemaligen Burgvogt gebraucht, um sie einem nebachotischen Burgherrn zuzuordnen. Muharib Alzalam soll von hier aus in den Magierkriegen geherrscht haben, bevor ihn die Perricumer Gräfin Korholdis in den tiefsten Kerker seiner Festung einmauern ließ. Den Grabsegen soll der Heilige Berathraban selber gesprochen haben, als die Schreie verklungen waren.

Nur war Alzalam da wohl noch nicht tot. Seine finsteren Mächte hatten ihn deutlich länger am Leben gehalten. Und als er wohl Monate später endlich verschied, gab es keinen Segen, der seine Seele über das Nirgendmeer begleitet hätte und Alzalam wurde darum zur Stimme.

Worte verfälschen Gedanken.

Ja, das wusste die Stimme, als sie die Verweser und Verweserinnen der Burg einen nach den anderen beeinflusst - und alle anderen von der finsteren Feste vertrieben hatte. Aber schwache Geister verbringen nur schwache Taten. Keiner der Verweser konnte die Grabkammer der Stimme finden und Alzalams Seele befreien.

"Du warst mir ein würdiger Gegner Äbtchen! Hast immer Deinen Geist vor mir verschlossen, aber jetzt wirst Du alt, Du wirst schwach. Nur ich kann Dir ewiges Leben schenken, wenn Du mich befreist. Aber eile Dich, Du hast nicht mehr viel Zeit!"

Oh wie lange hatte der Abt in den Kellern des Klosters nach der Grabkammer gesucht. Wieviel hatte er entdeckt ohne sie zu finden. Er kannte jede Kammer, die menschengemachten sowohl wie die Grotten, die das Meer gegraben hatte. Er wusste um jedes Grab der Herren von Brey'She'Nok hier unten und kannte die Verstecke der Schmuggler. Nur Alzalams Grab blieb verschollen. Vielleicht auch verborgen und vergessen unter dem Segen des Heiligen Berathraban.

"Wenn Du Dich mir endlich beugst, führe ich Dich zu meiner Kammer, zu Wissen, zu Macht, zur Unsterblichkeit!"

Dann vor einigen Jahren hatte er sein schwaches Herz zum ersten Mal bemerkt. Borons Atem spürte er seitdem eiskalt im Nacken. Innig hatte er den göttlichen Raben um Zeit gebeten. Um Zeit und Einsicht. Und dann in einer jener Nächte, als sein Herz fast seinen letzten Schlag tun wollte, als seine Seele schon am Ufer des Nirgendmeers stand, träumte er.

Seit jenem Morgen an dem er schweißgebadet und nach Luft schnappend aufgewacht war, hatte er an seinem Werk gearbeitet. Er hatte sich alte Bücher aus den Tempeln des Reiches kopieren lassen, gelesen, geforscht, gebetet. Jetzt, in der frühen Boronsstunde wird es so weit sein.

"Ich beuge mich Dir, führe mich zu Deiner Kammer. Lass mich ewig leben!"

Worte täuschen Gedanken.
"Ich wusste es Äbtchen, ich wusste es. Folge meiner Stimme!"

Welch ein triumphierender Ton. Die Stimme hatte so lange schwache Geister beeinflusst, dass sie sich keine starken mehr vorstellen konnte. Sie hatte so lange nach Macht gesucht, dass sie sich nicht vorstellen konnte, das jemand sie nicht wollte.

Die Treppe hinab zum Grabmal war dem Abt jetzt so sehr offensichtlich wie sie ihm zuvor verborgen war. War es der Segen Berathrabans oder ein finsterer Zauber Alzalams? Das war nicht mehr wichtig. Jetzt stand er vor dem zugemauerten Durchgang. Jetzt sah er das sorgfältige eingeritzte Boronrad in den alten Steinen.

"Los Äbtchen, reiß mein Gefängnis ein!"

Bruder Abt gönnte sich kein letztes Grinsen. Herr Boron verlangte Ernsthaftigkeit. Er riss sich die Handfläche an der Spitze seines alten Rabenschnabel auf, der ihm in den letzten Jahren mehr als Gehstock denn als Waffe gedient hatte.

"Was...? Was tust Du?"

Seine blutige Hand fuhr die Vertiefungen des Boronrades entlang und verteilte den Lebenssaft, den sein schwaches Herz kaum zu pumpen vermochte in der alten Sigille. Die andere Hand griff aus dem Mantel die Rabenfedern, fünf an der Zahl, gesegnet in den größten Tempeln des Reiches.

"Gehorche Deinem Gebieter! Reiß mein Gefängnis ein!"

Ich habe nur einen Gebieter, den Herrn von Tod und Schlaf, den göttlichen Raben, wollte er der Stimme entgegnen. Aber sein schwächer werdender Körper erlaubte ihm nur noch die Worte in Urtulamidya, die später vielleicht mal als Bruder Abts letzte Liturgie bekannt werden könnten.

Muharib Alzalam! Worte sind nur verfälschte Gedanken. Worte verfälschen Gedanken. Worte täuschen Gedanken. Worte vernichten Gedanken. Muharib Alzalam, schweige nun!

Fünf Rabenfedern kleben im getrockneten Blut von Berathrabans Sigille und verformen sich langsam in ein silbern glänzendes Boronrad, aber Bruder Abt bemerkt es nicht mehr, denn er sieht nur den ihm liebsten Diener seines Herrn, der ihn endlich über das Nirgendmeer trägt.