Geschichten:Spuren von Purpur - Ein fettes Lösegeld

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Ort: Stadt Vierok

Am Abend des 21. Efferd war die Reisegruppe in Vierok im Hotel „Vier Eichen“ eingekehrt. Sie hatten schon die Zimmer bezogen und wollten noch eine Abendmahlzeit im Speisesaal einnehmen, was ihnen nach dem anstrengenden Reisetag sicher guttun würde.

Ritter Geromel, was steht ihr dahinten in der Ecke? Setzt Euch doch zu uns“, forderte Ludolf ihren Begleiter auf, nachdem er gemeinsan mit Irnfrede an einem Tisch im Gästesaal Platz genommen hatte. Auch Irnfrede blickte ihn hoffnungsvoll an.

„Verzeiht, Herr, aber ich sollte lieber stehen, so kann ich den Saal besser im Auge behalten.“

„Oh bitte, Hoher Herr, setzt Euch doch zu uns. Ihr müsst auch etwas essen und was soll hier schon passieren?“ Irfrede war über ihren kecken Vorstoß zunächst selbst etwas erschrocken, doch zu ihrer Überraschung setzte sich der Ritter sodann an ihren Tisch. „Wie Ihr wünscht!“

Geromel setzte sich zu den beiden jungen Herrschaften und nahm sich etwas von den gebratenen Wachteln. Irnfrede versuchte, ihn nicht allzu auffällig zu beobachten, doch ihre Blicke wanderten immer wieder zu ihm.

„Sagt, Geromel, wo sind denn die beiden Armbrustschützen aus Samlor?“ wollte Ludolf wissen.

„Baduar und Jasmina? Sie sind draußen und halten die nähere Umgebung im Blick, sie werden uns rechtzeitig warnen, wenn Gefahr im Verzug ist“, entgegnete er kurz. „Sie werden später essen, wenn die Hohen Herrschaften im Bett sind!“

„Sehr gut“, meinte Ludolf. „Lernt man solche Dinge beim Reichsforster Grafenbann?“ fragte Irnfrede neugierig?

Geromel schmunzelte etwas: „Diese und andere Lektionen über Feldtaktiken hat mir Euer Vater beigebracht, junge Herrin!“

Irnfrede nickte und errötete leicht. Sie nahm sich vor keine allzu dummen Fragen mehr zu stellen.

Nach einer Weile bemerkte Ludolf: „Ihr schaut immer wieder zum Schanktisch herüber, Geromel. Möchtet ihr noch was trinken?“

„Nein, junger Herr! Mir ist nur aufgefallen, dass da drüben ein halbes Dutzend Gestalten aufhalten, die mir überhaupt nicht gefallen.“ „Warum?“ „Sie deuten hin und wieder auf uns und tuscheln dann miteinander. Kann sein, dass die noch Ärger machen werden.“

„Oh je. Was sind das denn für Leute?“ fragte Irnfrede.

„Ich vermute Waffenknechte aus der Gegend. Wir haben in der letzten Fehde viele Gefechte mit den Kaisermärkern ausgetragen. Ich hoffe nur, dass sie uns nicht als Reichsforster erkannt haben.“

Irnfrede machte große Augen. „Und wenn doch?“

„Dann sollten sie besser keinen Ärger machen!“ Geromels Augen verengten sich. Sie aßen noch eine Weile schweigend weiter.

„Ich... ich fühle mich nicht gut!“ sagte Irnfrede plötzlich. „Könnt Ihr mich auf mein Zimmer bringen, Geromel?“ „Natürlich, Herrin!“ er erhob sich und half Irnfrede mit dem Kleid beim Aufstehen. „Ich werde mich anschließen“, meinte Ludolf.

Auch die Leute am Tresen standen auf und huschten los.

Kurz bevor die Hirschfurtener die Treppe erreichen konnten, stellten sich ihnen die Waffenknechte in den Weg.

„Na, wen haben wir denn da?“ rief ein Mittdreißiger mit Stoppelbart spöttisch. Geromels Hand fuhr zu seinem Schwertgriff.

„Reichsforster Gesindel muss einen Extrazoll bezahlen, wenn sie hier nächtigen wollen.“

Geromel zog sein Schwert. Und auch die Schergen zückten ihre Waffen. „Dann wird das Wechselgeld euer Blut sein!“ knurrte er.

Eine Frau Ende Dreißig mit Zahnlücke und Narbe im Gesicht sprang hinter einer Säule hervor, packte Irnfrede von hinten und drückte ihr einen Dolch an den Rücken. Sogleich entfuhr ihr ein spitzer Schrei. Sie hatte furchtbare Angst.

Wie eine Schlange vor dem Zuschnappen fixierte Geromel die Frau.

Diese griff ruckartig zu und riss Irnfrede eine kleine Brosche vom Hals. Sie zeigte das Hirschfurtenwappen.

„Hab ich es doch gewusst. Die Kleine ist wirklich die Tochter vom Hirschfurten. Dein Vater wird uns ein fettes Lösegeld für dich bezahlen. Und das ist das Mindeste was er für seine Verbrechen an der Kaisermark noch tun wird!“ Die anderen lachten dreckig.

„Wenn Du ihr auch nur ein Haar krümmst, werde ich dich mit deinen eigenen Gedärmen erdrosseln“, sagte Geromel leise aber gefährlich. Das Lachen verstummte. Irnfrede hielt den Atem an. Für einen Moment war es still, nur Geromel bemerkte aus dem Augenwinkel eine Bewegung am Fenster. Jasmina!

„Große Worte“ entgegnete die Frau, „aber falls es dir nicht aufgefallen ist: wir sind in der Überzahl. Und darum wirst du uns jetzt dein Schwert aushändigen, und mach ja keine Dummheiten. Sonst tue ich dem kleinen Hirschlein hier weh!“ Zur Unterstreichung ihrer Drohung drückte sie den Dolch ein wenig fester, so dass Irnfrede leise anfing zu wimmern.

„Also gut!“ Geromel tat so als ließe er sich darauf ein. Er senkte langsam das Schwert und reichte den Griff einem der Schurken. In dem Moment wo dieser danach greifen wollte nickte Geromel kurz, und im nächsten Augenblick steckte ein Armbrustbolzen im Hals des Mannes. Mit lautem Röcheln ging er zu Boden. Im Gästesaal erklang ein vielstimmiges Kreischen und Tumult brach aus. Viele versuchten zu fliehen.

Die Schrecksekunde ausnutzend riss Geromel Irnfrede zu sich, und hämmerte der narbigen Frau seine Faust ins Gesicht, welches krachend nachgab, so dass das Blut nur so spritze. Die Frau schrie auf: „Meine Nase!!!“ Die anderen vier Schurken hatten ihren Schock überwunden und griffen nun den Ritter gemeinsam an. Blitzschnell ließ er mit der anderen Hand das Schwert rotieren, packte fest den Griff und schlug dem ersten in einer fließenden Bewegung die Schwerthand ab. Der Mann schrie und hielt sich den Stumpf. Ein zweiter Bolzen zischte aus einem anderen Fenster, und ließ einen weiteren Schurken zu Boden gehen. Geromel versetzte seinem ersten Gegner einen schnellen Hieb, der andere versuchte ihn zu umgehen, doch Geromel passte auf und schirmte Irnfrede so gut es ging mit seinem Körper ab. Auch Ludolf hatte einen Dolch gezogen und war abwehrbereit, auch wenn seine Kampfkünste bei weitem nicht so gut waren.

Plötzlich sprang die Frau mit der gebrochenen Nase vor und zielte hasserfüllt brüllend mit dem schweren Dolch auf Irnfrede. „Vorsicht!“ schrie diese laut. Rasch drehte sich Geromel um und fing den Hieb mit seiner Seite ab. Der Dolch durchdrang sein Kettenhemd und verletzte ihn schwer. Geromel packte die Frau am Arm und drehte ihn ihr auf den Rücken. Sie schrie laut auf. „Lass mich los, du Schwein!“ Im nächsten Moment hämmerte er ihren Kopf mit voller Wucht durch eine schwere Tischplatte. Die Frau blieb bewusstlos liegen. Geromel taumelte.

Die Verbliebenen hatten genug und wollten im allgemeinen Trubel türmen. Doch sie kamen nicht weit, da eine Patrouille der Stadtwache eingetroffen war. Ludolf berichtete ihnen was vorgefallen war.

Irnfrede hatte gerade ihren Schock überwunden. Sie war unverletzt geblieben. Doch der Ritter ging stark blutend in die Knie.

„Ritter Geromel!“ rief sie entsetzt.

„Es… ist nichts…. Herrin!“ presste er unter Schmerzen hervor. Doch der Dolch der Narbigen steckte immer noch tief in seiner Seite. „Ihr seid verletzt!“ sie drehte sich um: „Schnell, ruft einen Medicus herbei!“

Irnfrede half ihm, sich vorsichtig auf den Boden zu legen. Sie war in großer Sorge. Geromel wollte etwas sagen. „Eure… Brosche…“ damit öffnete er die Hand und gab Irnfrede das Schmuckstück zurück, das die Narbige ihr zuvor entwendet hatte.

Dankbar nahm sie die Brosche an sich und kämpfte mit den Tränen. „Oh Geromel! Haltet durch! Der Heiler wird bald hier sein.“ Sie kniete sich neben ihn und bettete seinen Kopf vorsichtig auf ihre Oberschenkel. „Bitte, Ihr dürft nicht sterben!“ flüsterte sie.

„Ich … werde… es versuchen… Herrin…“ antwortete er, und lächelte gequält. Irnfrede hauchte ihm einen zarten Kuss auf die Stirn. „Das war unglaublich tapfer, Geromel!“

Als endlich der Heiler eingetroffen war, konnte er den Ritter noch gerade rechtzeitig behandeln und den Dolch sauber entfernen, während die überlebenden Schurken in den Kerker geworfen wurden.