Geschichten:Elmenbarths Lehre - Kashgar und Caralus

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An Seine Hochgeborenen,

Anaxios von Ochs

Baron auf der Viehwiesen

Euer Hochgeboren,
 
 
 
 
obgleich bescheidener Diener des Götterfürsten, bin ich doch keineswegs närrisch genug, die Mythen und Legenden der Vorzeiten und die Zeugen jener Zeiten, in denen ungezähmte Kräfte den Menschen und alle Kreaturen bedrängten, ehe die Zwölfe sie unter Praios' Fügung bändigten, zu ignorieren. Alldeshalb habe ich Euer Tractatus "Vom Geiste eines Mysteriums" gelesen und studiert und will Euch Antwort geben.

Denn liest man Euer klares Bekenntnis zur Einheit der Zwölfe und ihrer halbgöttlichen Abkömmlinge, und kennt man meine jüngeren Studien zur Götterverehrung der Nebachoten, dann liegt mein Bedürfnis auf der Hand, Euch, auch wenn Mada Euch berührt hat, für Eure Analysen und Schlussfolgerungen zu loben. So sehr ich nämlich Verständnis für das Kirchenverbot ob der Unruhen in Eslamsgrund in generale aufzubringen versuche, ist es mir doch aus mehrerlei Gründen in specificis ein Greuel.

Sorgfältig und streng hesindegefällig habt ihr in Eurem Tractatus und in den Zeichnungen Gerücht von Wahrheit getrennt und einen Prozess der Erkenntnis begonnen, für den Euch in Zukunft noch viel Ehre erbracht werden dürfte. Die von Euch mühsam zusammengelegten Teile jenes Reliefs lassen ein besonderes Bild erahnen. Alle Verbindungen zum Korgonder Krönungsmythos (vgl. Salmingens "Geschichte des Königreichs Garetien und seiner Bedeutung für das Reich", Kap. II, 1016 BF) heben die Bedeutung dieses Bildes für die ehemals garetischen Lande insbesondere hervor.

Aus diesem Grunde kann ich Euch eine weitere Entdeckung meinerseits nicht vorenthalten, in der Hoffnung, dass der hesindegefällige Austausch und Disput von Wissen das tiefere Mysterium ergründen mag - oder zumindest die Blüte der Biene gleich mit einem weiteren Gedanken bestäuben möge. Seid Ihr mit der Sage von "Kashgar und Caralus" (aus Kleinwalds "Collectio legendarum antiquissimarum Garetiae", Kap. XXI) vertraut? Deren tatsächliche Begebenheiten datieren auf die Zeit um die Trollkriege - eine Abschrift füge ich bei.

Ihr seht dort auch ein anderes als das von Kleinwald tradierte Ende. Interessant ist, dass diese Legende in mündlicher Tradition auch neben der schriftlich fixierten Form stets weiterexistierte - ja, eigentlich gar nicht zu entscheiden sei, welche Gestalt die Geschichte ursprünglich hatte, ob also das eine Ende im Buch Kleinwalds einer jüngeren Variante der Legende entspricht, die mündliche Überlieferung aber der ursprünglichen Form näher kommt.

Die mündliche Variante folgt der Geschichte, wie sie der Al'Haresh erzählt; ich habe sie erst jüngst gehört. Auch hier geht es um ein Verbindung zwischen Lehen und Lehensnehmer, die wohl auf der Kenntnis alter Steine beruht.
 
 
 
 
Mögen die Zwölfe, Praios voran, euren Verstand weiter segnen,

Yacuban von Creutz-Hebenstreyt,

Tempelvorsteher zu Perricum

Anmerkung: Der Beginn der Sage ist in beiden Versionen inhaltlich gleich und unterscheidet sich hauptsächlich in der Wortwahl, was aber auch der Übersetzung geschuldet sein kann. Trotzdem hier die bekannte Version Kleinwalds:

Es geschah zu der Zeit als die "Kalam al'Assadra" von Baburin nun zu Arrivor "Gladius Gladiorum"genannt wurde und der Leuin Segen auf die Heroen Leomar und Caralus fiel. Zu dieser Zeit ward Kashgar an dem Flusse geboren, den wir heute Barun-Ulah nennen und er trug gar Blut und Segen von zwei Ahnen die selbst dereinst Kalam al'Assadra zu Baburin waren.

Aber weh! Land und Leute der Baburen und der Nebachoten merkten, wie sich der Kriegsherrin Segen von ihnen abwandte, denn sie waren müde und schwach geworden und die großen Helden dieser Zeiten hatten ihre Taten in den Landen der Horaskaiser vollführt. Und auch Kashgar weigerte sich, das Schwert der Ahnen zu nehmen und die Ehre wieder in das Land zu hohlen, denn er war auch einer reichen Händlerin Sohn und hatte eine schöne Frau und zwei Söhne.

Jedoch am Fest der blutigen Sonne bei der güldenen Sphinx von Al'Kothan bat Kashgar um einen guten Preis für seine Sklaven, und dort traf ihn der Leuin brüllende Vision. Und als er an diesem Abend zurück zu seiner Alcazaba ritt, da küsste er seine schöne Frau und auch die beiden Söhne zum letzten Male. Und Kashgar nahm der Ahnen Schwert und Schild und ritt hinfort zu des Darpats Bogen um des sterbenden Giganten Haupt und wieder Praios entgegen. Denn er wollte selbst von den Helden seiner Zeit lernen.

Drei Oger trieb er dort in den tiefen Südstrom des Mittwaldes, der heute Wiesenbach heißt und nur noch ein Rinnsal ist. Aber es geschah, dass auch der Recke Caralus, der "der Löwe" genannt wird, ebenfalls drei Oger von der anderen Seite in selbigen Strom trieb. Als beide nun gen Puninum ziehen wollten und sich des Horas Lohn und Sold holen wollten, da gerieten sie in Streit, welcher von ihnen denn der Leuin liebere Recke sei.

Und so wollten sie die Leuin selbst entscheiden lassen und zogen Waffe und Wehr. Da traf die mächtige Axt des Caralus auf des Kashgars langen Schild und Kashgars krummes Leuenschwert auf des Caralus eiserne Brünne. Neun Stunden schlugen sich beide so manche Kerbe in Waffe, Rüstung und Schild, so dass es der Kriegsherrin ein wohlgefallen war. Alsdann fielen sie erschöpft voneinander ab und in tiefen Schlaf für weitere zwei mal zwei mal zwei Stunden und sie erwachten von Gewitter und Donnergrollen und erkannten beide, dass sie im gleichen Maße der Göttin Segen auf sich trugen.

Und frohlocke! In den folgenden Jahren übertrafen sich beide mit ihren Heldentaten. Als Caralus die Herzogin der Harpyien erschlug, erschlug Kashgar den untoten Mantikor. Beide trafen sich am Schrein der Leuin und lachten und freuten sich ob des anderen Heldenmut.

Als Kashgar dem Hexenmeister vom Darpat den Rubin der Ewigkeit stahl, überlistete seinerseits Caralus die Zauberin Fanalolie in ihrem Turm aus Wind und Wolken. Beide trafen sich Schrein der Leuin und lachten und freuten sich ob des anderen Listigkeit.

Als Caralus den finsteren Alg'Orton erschlug, erschlug Kashgar seinerseits den Stierpriester von Saljeth. Beide trafen sich am Schrein der Leuin und lachten und freuten sich aneinander. Und Kashgar und Caralus schworen sich die Treue und als Zeichen ihres Bundes ließen sie zwei Helme schmieden, die einander glichen wie ein Ei dem anderen. Der Kriegsgöttin zu Ehr verbrachten sie von nun an gemeinsam Heldentaten, zwei Händen gleich, die gemeinsam Axt und Schwert gegen die Schergen der Finsternis führten. Sie waren wie Brüder und teilten fortan Wein, Brot und Zelt.

Und gemeinsam folgten sie dem Horas in den Krieg wider die Trolle und gemeinsam erschlugen sie so einige der Bestien. Doch während Caralus' Stolz ob dieser Siege wuchs und wuchs, erwachte in Kashgars Herzen das Mistrauen, denn die Alten seines Stammes hatten ihn gelehrt, dass die Trolle die ersten und letzten Worte sprechen, dass die Trolle über die vergessenen Steine zwischen Wall und Zacken wissen, dass die Trolle Freunde seines Volkes waren.

Und wehe! Kashgar stand eines Nachts heimlich vom Lager auf und schaute mit Tränen auf den schlafenden Waffenbruder, bevor er der Ahnen Schwert und Schild nahm und auch den Helm, der fortan von seinem Zwilling getrennt. Und er ritt Heim zu seiner Alcazaba und er küsste seine schöne Frau und auch die beiden Söhne, die nun selbst zu Kämpfern gereift waren.

Denn siehe! Kashgars Heldentaten waren den jungen Nebachoten und Baburen ein Beispiel und langsam erwachte wieder der Leuin göttlicher Zorn in den Herzen ihres auserwählten Volkes. Und Kashgar erkannte, dass die Leuin ihn über die Jahre alles gelehrt hatte, damit er der neue Al'Shuar der Stämme werden solle um dem Sultan als höchster Bannerherr zu dienen. Doch im blutroten Ratssaal über den Mauern Nebachots entbrannte ein Streit zwischen Kashgar und dem jungen Leomar aus Baburin, der ebenfalls in der Ferne der Leuin Lehren gelernt hatte. Denn Leomar wusste, das ein einfacher Sieg zwar der Göttin zur Ehr gereichen würde, jedoch das Erbe von Wall und Zacken vernichten würde.

Und so war es Kashgar, der das wohl größte Reiterheer den Darpat hinan schickte, dass die Götter jemals sahen. Zwei Tage und Nächte währte die Schlacht am Darpatbogen und die zwei Waffenbrüder Kashgar und Caralus mit ihren Zwillingshelmen trafen sich zwischen den Reihen der Kämpfer. Und wieder kämpften beide unermüdlich gegeneinander, der eine so stark und schnell wie der andere.

Als Kashgar aber hinter den Reihen der Legionen Leomar gewahr wurde, erkannte er nach langem Ringen endlich den Plan der Ewigen und wusste, dass er die stolze Reiterschar und auch die unbesiegbaren Mauern Nebachots der göttlichen Finte opfern würden müsse. Kashgar ließ das Waffe und Wehr sinken und unterwarf sich der Gnade seines alten Waffenbruders. Doch Caralus, in seinem heißspornigen Stolz endlich obsiegt zu haben, riss seine Axt empor, dem Freund das Haupt vom Rumpfe zu trennen. Nur der Zwillingshelm, der den seinem wie ein Ei dem anderen glich, bewahrte den Helden Kashgar vor dem Tode, doch die Axt glitt in dessen rechte Schulter, so dass er nimmermehr eine Waffe führen würde können. Und als Kashgar fiel, fiel auch der Mut von den Herzen der Reiterschar und die Legionen obsiegten.

Anmerkung: Ab hier unterscheidet sich die Kleinwald-Version inhaltlich von dieser mündlich überlieferten:

Wohl neun Jahre weinte Kashgars schöne Frau auf seiner Alcazaba und auch der verbliebende Sohn, denn sein Ältester war wie so viele am Darpatbogen gefallen. Kashgar ward Geisel an des Horas Hofe und sein alter Waffenbruder Caralus sein Wächter. Nimmermehr wollte er der Leuin Plan dienen. Und so weinte Kashgar bittere Tränen, als die Mauern Nebachots fielen und die Bosparanischen Legionen die Lande der Nebachoten für immer besetzten. Denn die ewige Leuin hatte ihr erwähltes Volk geopfert. Erst nach dem Tode seines alten Waffenbruder Caralus kehrte er zu seiner Alcazaba zurück und küsste die Frau und den verbliebenen Sohn.

Doch wehe! Zu Perricum wollte niemand Kashgars Lehren hören. Land und Leute der Baburen und der Nebachoten waren noch müder und schwächer geworden. Wenn einmal der Göttin heilige Kampfeslust in ihnen aufwallte, dann erschlugen sich die Stämme gegenseitig. Und die Besatzer aus Bosparan nahmen kampflos mehr und mehr von dem Land in ihrer Gier.

Da erkletterte Kashgar, dessen rechter Arm nimmermehr eine Waffe führen konnteZacken und Wall und er sprach mit dem alten Volk der Trolle und er leistete die alten Eide. Mit dem alten Wissen konnte Kashgar Frieden schaffen zwischen den Legionen Bosparans, seinem eigenen Volk und auch den Trollen, denn, ach, nur wenige waren noch übrig.

Und als die Gesandten der drei Völker unter den neuen Mauern Perricums heilige Schwüre des Friedens leisteten, ließ die Leuin Donner und Gewitter über den Himmel rollen und die Bürger von Stadt und Land beugten vor Kashgar Haupt und Knie.

Anmerkung: Hier zum Vergleich nochmal Kleinwalds Version:

Wohl zwei mal zwei Jahre zog sich Kashgar auf seine Alcazaba zurück zu seiner schönen Frau und dem verbliebenden Sohn, denn sein Ältester war wie so viele am Darpatbogen gefallen. Nimmermehr wollte er der Leuin Plan dienen. Und so weinte Kashgar bittere Tränen als die Mauern Nebachots fielen und die Bosparanischen Legionen die Lander der Nebachoten für immer besetzten. Denn die ewige Leuin hatte ihr erwähltes Volk geopfert.

Erst als er vom Tode seines alten Waffenbruder Caralus erfuhr, wurde ihm gewahr, dass er zu Perricum auf den Ruinen Nebachots den alten Bund zwischen Trollen, Baburen und Nebachoten neu schmieden würde müssen. So kehrte er seiner Alcazaba abermals den Rücken und küsste die Frau und den verbliebenen Sohn.

Doch zu Perricum wollte niemand Kashgars Lehren hören, war er doch sowohl für die Bosporanier als auch für die Nebachoten ein Schwächling, der die größte Schlacht seiner Zeit verloren hatte. Und so forderte Kashgar, dessen rechter Arm nimmermer eine Waffe führen konnte, alle seine Zweifler, Bosporanier und Nebachoten zu gleichen Teilen, zum Göttinnenurteil. Und mit nichts als der bloßen linken Hand erwürgte er zwei mal zwei mal zwei Nebachtoen und zwei mal zwei mal zwei Bosporaner. Als dann je zwei mal zwei mal zwei tote Zweifler links und rechts von Kashgar darnieder sanken, ließ die Leuin Donner und Gewitter über den Mauern Nebachots erschallen und die Bürger von Stadt und Land beugten vor Kashgar Haupt und Knie.

Anmerkung: Der abschließende Absatz ist in beiden Versionen wieder inhaltlich gleich, deshalb noch einmal aus der Kleinwald-Version:

Und so stiftete Kashgar Frieden zwischen Trollen, Nebachot und Bosporan und er war allen Völkern ein gerechter und weiser Herrscher, der den Willen der Giganten über das Land verbreitete. Aus seiner Herrschaft ging das Land fruchtbar und gestärkt hervor. Als Kashgar starb, übergab er seinen Helm an seinen verbliebenen Sohn und dieser führte die Herrschaft fort, wie dessen Söhne und Töchter, Enkel und Urenkel hernach.


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Texte der Hauptreihe:
P10. Briefe
K83. Zweifel
Autor: VolkoV, mit Dank an Hartsteen, BB, Jan


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