Geschichten:Die gräflich Schlunder Bombarden - Die Tochter der Indrascha

Aus GaretienWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Königlich Mardershöh, Binge Arabasch, PRA 1044 BF

Die fünf Angroschim um ihren Wortführer Toddie, dem Veteranen aus dem Volk der Groschadomadim, kamen fünf Tage nach ihrem Aufbruch ohne einen einzigen Anwärter zurück nach Burg Unterhalben. Es gab nichts zu beschönigen, die Anwerbungen liefen schlecht.
Gemeinsam mit seinen Männern stand der Krieger aus Ârxozim im Innenhof der Vorburg, wo inzwischen die Aufbauten mehrere Torsionsgeschütze langsam Form annahmen. Dies jedoch tröstete Thorin in diesem Moment nicht. Er war enttäuscht.
Gorm Felsenbrecher, dem dieser Umstand nicht unbemerkt blieb, hatte eine Idee, die er seinem Befehlshaber sogleich voller Enthusiasmus unterbreite. “Wir könnten doch zur Binge Arabasch marschieren und dort nach Anwärtern suchen. Es ist eine Siedlung der Arobeschsippe, die jedoch entgegen der Gewohnheiten meines Volkes unterirdisch liegt. Sie ist berühmt für die Halle der Ahnensteine.“
Thorin, der sehr wohl schon etwas von dieser Binge gehört hatte, nickte zunächst zögerlich. Gorm indes fuhr unbeirrt fort: “Ich kenne Indrascha, Tochter der Ilgerta und würde bei ihr vorsprechen, wenn du es für sinnvoll erachtest.” Der Hügelzwerg zwinkerte Thorin zu. “Sie hat eine kluge und obendrein wunderschöne Tochter- Indra. Sie ist die gräfliche Seneschallin und Küchenmeisterin.
“Natürlich”, rief Thorin plötzlich aus. “Sie war es, die Ingram nebst seinem Bruder Igrolosch zum Grafentreffen in den Isenhag entsandte. Hier schließt sich ein Kreis. Mein Bruder und die Delegation aus dem Schlund lernten sich in Nilsitz kennen. Ohne sie, ohne Indra wäre ich vermutlich gar nicht hier. Das ist ein Zeichen des Weltenschöpfers.” Gorm, der mit dieser Feststellung wenig anfangen- sie so schnell nicht nachvollziehen konnte, nickte nur leicht irritiert.
“Wir marschieren zur Binge Arabasch”, entschied Thorin spontan und mit energischer Stimme. “Im Morgengrauen brechen wir auf. Haut euch die Bäuche voll, packt Proviant zusammen und geht rechtzeitig schlafen”, so lauteten seine Befehle.

~*~

Wie Thorin es seinen Mannen ‚angedroht‘ hatte, ging es noch vor dem Sonnenaufgang los. Der Hauptmann weckte die fünf Angroschim und nötigte sie, ohne ein Frühstück aufzubrechen, ein Frevel nach Maßstäben eines Hügelzwergen. Thorin jedoch hatte für alle frisches Brot und Käse eingepackt, welche unterwegs verzehrt wurden. Er selbst teilte das Essen zu und hatte dabei für ein jeden ein freundliches Wort übrig. Dieser Umstand entschädigte die Soldaten zumindest ein Stück weit. Die Geschützmeister aus Ârxozim und die Baumeister aus Senalosch indes würden unbeirrt mit der Konstruktion der Geschütze fortfahren, bei der sie auch mehr und mehr Hilfe von der regulären Burgbesatzung, die der Baronin unterstanden, bekamen. Der Weg führte die Truppe über die Straße in Richtung Wandleth.
Auf halbem Weg zwischen den Märkten Hardwalden und Kreuzingen überquerten sie eine Steinbrücke über die Desme und bogen gleich hinter dem robusten Zwergenwerk nach Praios ab. Bald wurde das Desmetal hügeliger und der Weg entfernte sich vom Fluss, der sich aus den steilen Hügeln zur linken Hand schlängelte. Wenige Meilen nach dem sie die Brücke überquert hatten, öffneten sich die Hügel zu einem kleinen Hügeldorf Namens Wiesengrund.
Entgegen jedweder Vernunft und obwohl kaum ein paar Meilen gegen Firun die Schlunder und die Hartsteener ihre Fehde führten, saßen hier die genüsslichen Vettern in bezaubernden Gärten vor ihren Hügeleingängen oder gingen ihrem Tagwerk mit einer bemerkenswerten Ruhe nach. Man beäugte die Truppe recht argwöhnisch, grüßte aber recht fröhlich, wenn man näherkam. An der Hügelschenke am Dorfplatz konnte man ein kräftiges Bier zu sich nehmen und bekam den Weg zur Binge gezeigt. Gleich hinter der Schenke ging ein grob gepflasterter Weg in die Hügel, in der auch die Quelle der Desme entsprang.
Der Weg zur Binge führte zunächst durch eine moosbewachsene, feuchte Klamm und schlängelte sich dann die Hügel hinauf. Überall standen alte und mit Runen geschmückte Findlinge am Wegesrand und geleiteten die Wanderer zu einem mächtigen steinernen Zwergenkopf, der wie ein kolossaler Wehrturm aus einer Hügelflanke ragte. Sein gekröntes Haupt waren Zinnen, seine Augen Schießscharten und unter dem mächtigen, geflochtenen Bart öffnete sich wie der Mund ein Tor in die Hügeltiefe aus der es feurig rot glomm. Die Wächter auf dem Kopf ließen die Gefährten schnell ein, nachdem sie sich erklärt hatten und führten sie in den Rachen der mit Feuerschalen gesäumt war und in eine Senke führte. Auf der anderen Seite der Senke stiegen sie eine breite Treppe zu einem weiteren Tor empor, vor dem ein Hügelzwerg in grüner Tunika wartete und sie gebührend empfing und nach ihrem Begehr fragte.
Hinter dem Tor wurden sie in eine große oktogonale Säulenhalle geführt, aus der es viele Ausgänge gab. Hier mussten sie eine Weile verweilen, bis sie über eine weitere Treppe zu einem Empfangssaal geleitet wurden, in dem die Matriarchin sie bereits erwartete.

~*~

Angetan in seine Toschkril- Vollkettenrüstung und den Umhang mit den Schulterstücken aus den Schuppen jenen Purpurwurms, den er in Höllenwall erschlagen hatte, trat Thorin wenig später vor das Oberhaupt der Sippe Arobesch- Indrascha, Tochter der Ilgerta.
Respektvoll neigte der stolze Krieger sein Haupt und ergriff das Wort. “Ich- Thorin groscho Thorgrimm, Mitglied der Sippe Koronam des Volkes der Groscharoroximangrasch aus der Bergwacht Ârxozim im Bergkönigreich Dumron- Okosch grüße dich weises Mütterchen.”
Mit einem Lächeln auf den Lippen erwiderte die Matriarchin mit den granitgrauen Haaren und opalfarbenen Augen das Nicken. Indrascha, eine Angroschna in den besten Jahren, saß auf ihrem kunstvoll geschnitzten Thron, welcher auf einer kleinen Empore innerhalb der hohen Halle stand, in der sie Gäste empfing. An der Seite des Sippenoberhauptes stand ihre Tochter und wahrlich- sie war schön, wunderschön.
Indra, die Tochter der Indrascha- die Seneschallin, besaß ein Antlitz von edler Blässe, topasfarbene Augen und güldenes Haar, welches zu einem dicken Zopf geflochten war und ihr über die Schulter vor die Brust viel. Thorin hatte Mühe ihre weiblichen Rundungen nicht eingehend zu bewundern. Sie war es, die nun das Wort im Namen ihrer Mutter ergriff.
„Wir grüßen dich Thorin aus der Sippe Koronam aus der silbernen Stadt im Berg Götterfirst. Sag, was führt dich zu uns?“ Ein wohliger Schauder lief Thorin über den Rücken. Was für ein Weibsbild. Ihre Stimme gefiel ihm ebenso wie ihr liebliches Äußeres. Er brauchte einen Moment, jene Gedanken zu verdrängen, um auf ihre Frage zu Antworten.
„Ich bin ein Fremder in euren Landen“, setzte er an. „Viele Fragen führen mich zu jenem Ort, der das Gedächtnis des Schlundes birgt. Ich bitte euch darum mein Wissen erweitern zu dürfen, denn ich habe vor zu bleiben. Der Schlund ist meine neue Heimat.“
„Es sei dir gestattet Thorin. Die Hallen der Weisheit stehen dir offen.“ Schlicht war die Antwort Indras, doch der Zwerg erkannte eine Spur Neugierde in ihrer Stimme.
„Habt dank“, erwiderte er ebenfalls knapp, doch mit einem aufrichtigen Lächeln auf den Lippen. Dann kam er ohne Umschweife zum zweiten, noch bedeutsameren Anliegen.
„Mein Beitrag zur Verteidigung der Siedlungsgebiete unserer Rasse im Schlund sind mein Ansinnen. Die Hochkönigliche Wacht im Kosch, die Bestrebungen Oberst Dwaroschs, Sohn des Dwalin, der das stolze Regiment- Ingerimms Hammer nutzt den Isenhag zu sichern- beides gute Beispiele für eine Sicherung der Zukunft unserer Völker. Auch der Schlund benötigt Schutz. Die Fehde hat gezeigt, dass machthungrige Menschen unseren Frieden und unsere Siedlungsgebiete nur allzu leicht bedrohen können.
Wir befinden uns im durch unserer aller Hochkönig benannten Heldenzeitalter und nur der Allvater weiß, welche Herausforderungen sie uns verheißt.
Ich habe in den Stählernen Hallen von Lûr gekämpft und mich dort bewiesen. Mein Bruder- Tharnax, der Bergvogt von Ârxozim entsandte mich mit Kriegern in den Schlund, um dem Sohn des Ilkor, eurem Grafen beizustehen in diesen Zeiten. Der Landvogt von Ingerimmsschlund, Praiosmar von Hinn zu Amselhag organisiert den Aufbau einer gräflich Schlunder Bombardeneinheit, dessen designierter Hauptmann ich bin. Leider gestalten sich die Aushebungen als… schwierig. Kann ich mit eurer Hilfe rechnen?“
„Euer Ansinnen ist nobel und auch unsere heiligen Hallen werden gewiss von der Fehde bedroht. Es ist gut zu wissen, das tapfere Brüder aus dem Kosch in unserer Nähe wachen. Es verbirgt sich jedoch ein weit älterer Streit hinter dem Zwist der Grafschaften diesseits und jenseits der alten Natter. Ein Zerwürfnis, dass so alt ist, dass es nur noch aus den verwittertsten Wandbildern erahnt werden kann. Eure Hoffnung uns mit Axt und Armbrust, vor der Wut, die sich an alten Steinen und in alten Wäldern zusammenbraut, schützen zu können, teilen wir nicht. Wir sind nur Gelehrte und versuchen die Dinge die geschehen festzuhalten. Und aus Dingen, die festgehalten wurden, werden wir gerne versuchen euch einen Rat zu lesen. Aber die wenigen Krieger, die unsere Sippe hervorbringt, benötigen wir nun um die Binge in der unsere Ahnen ihr Wissen hinterließen zu schützen. Wir könne Niemanden für die Fehde der Törichten entbehren. Wir geben euch aber gerne jede Gelegenheit in unseren Hallen zu wandeln und hoffen das der Fels unserer Ahnen euch mehr erkennen lässt.“ Die alte Zwergin auf dem Thron lächelte vielsagend über die lieblichen Worte ihrer Tochter, die so ernüchternd für den weit gereisten Krieger waren.
Innerlich war Thorin zutiefst enttäuscht über die Verneinung seiner Frage. Auch von hier würde sich niemand seiner Einheit anschließen. Dennoch, trotz der Verzagtheit brachte er ein, „Habt Dank“ hervor, dass ihn jedoch Mühen kostete. Thorin wusste ja, dass die Angroschna ihre Beweggründe hatte und eine große Verantwortung trug. Sie musste zuerst die Ihrigen schützen, aber seine Hoffnung hier auf Hilfe zu stoßen waren zunichte gemacht. Die bittere Erkenntnis herunterschluckend straffte sich der Krieger aus Ârxozim und setzte erneut zu sprechen an. Es gab noch weiteres, dass ihm auf der Zunge brannte.
„Bevor ich die Steinfafeln in den Hallen der Weisheit befrage, um mein Wissensdurst zu stillen, möchte ich zwei Fragen an euch richten, um eure Meinung zu hören. Was wisst ihr von den Albensteynen? Ich glaube sie haben eine große Bedeutung für diesen Teil des Schlundes. Was könnt ihr mir über sie sagen?“
„Nichts! Unsere Ahnen haben den Finsteren Stein nicht ohne Grund vermauert. Die Schlangenanbeter sollten ihre Finger davon lassen.“ In Indras Augen lag tiefstes Bedauern. Die Augen ihrer Mutter verengten sich jedoch und ihr Opalblick schien durch seinen Toschkril zu stechen.
Den Blick der Mutter registrierend, legte Thorin im Geiste die Feststellung ab, dass ihm in dieser Sache nicht alles gesagt, ja wohl auch Dinge vorenthalten wurden. Nur warum? Er konnte sich keinen Reim darauf machen. Thorin wischte jene Gedanken beiseite und nahm den Waffengurt ab, den er stets um die Schultern trug, auch wenn er nicht mit der Waffe kämpfte. Er zog die ihm überantwortete Klinge aus der kunstvollen Scheide, nahm sie in beide Hände und streckte die Arme aus, so dass beide Angroschna sie sehen konnten.
„Dies ist das ‚erzene Schwert‘. Der Weltenbauer muss einen Plan haben, dass er ausgerechnet mir diese Waffe, die für die Hände eines Menschen erschaffen wurde, in die Hände spielt. Indes bleibt mir der Sinn dahinter verschlossen. Ich weiß nichts über dieses Artefakt außer, dass ich SEIN Wirken darin spüre. Sie ist reiner als alles was ich bisher in Händen hielt. Wird eine solche Waffe in den Annalen erwähnt?“
Indra machte ein paar Schritte bis sie an Thorins Seite war und kam ihm ganz dicht, während ihr Blick über die Klinge glitt und ihr herrlicher Duft nach deftigen Küchenkräutern ihn umfloss und ihm die Sinne betäubte. „Ein schönes Stück. Habt ihr es schon dem Grafen gezeigt? Er wird euch sicher einen guten Preis machen“, zauberte sie aus ihrem Mund.
Indra sah kurz zu ihrer Mutter, die von ihrem Thron aus regungslos das Schwert betrachtete und wandte sich dann mit einem neugierigen Blick wieder an Thorin, der ihm alles abverlangte. „Wenn ihr es erst noch behalten wollt, um mehr über es zu erfahren, was bestimmt den Preis in die Höhe treiben wird, solltet ihr Meister Klingenbeil in der Stählernen Halle aufsuchen. Ich werde euch gerne dorthin begleiten. Zu mir kommt ihr aber lieber, wenn ihr etwas für euer leibliches Wohl wollt.“ Worte, bei denen Thorin nur lächeln und zustimmend nicken konnte. Das würde er ganz gewiss tun. „Meine Mutter aber“, so fuhr die Angroschna fort, „würde gerne erst hören wie ihr an das gute Stück gekommen seid. Wir müssen ja auch etwas Wissenswertes auf euren Ahnenstein vermerken, wenn ihr für den Schlund streiten wollt.“ Als die schöne Maid von seinem Ahnenstein sprach, der ihm erst nach seinem Ableben zustand, mischte sich ein kleiner Hauch von Bedauern unter die Neugierde, die aus ihren Augen nach ihm griff.
Und so erzählte Thorin von jenen seltsamen Begebenheiten, die während der Fehde, während seiner ersten Monde in Garetien mit einem wahrhaftigen Traum begannen, ihn zum Heiligtum am Schlund und später zu einem Priester des Nandus führte, ihm zu einer rätselhaften Prophezeiung verhalf, von dem Weg nach Höllenwall, von der Quelle der Niffel und dem Drachen- dem Purpurnem Wurm, den er erschlug.