Geschichten:Umzug nach Dreihügeln - Der erste Götterlauf

Zeit: Anfang Boron 1035 BF

Personen: Edelgunde Gramhild von Schroffenstein

Mit einem Seufzen legte sie die Feder beiseite und streute etwas Sand auf die noch feuchte Tinte. Anschließend schüttete sie die Krümel sorgsam zurück in das Töpfchen, rollte das Schreiben zusammen und nahm es mit zu ihrem Sessel am Kamin. Vorsichtig entrollte sie das Papier wieder und las noch einmal über ihr Geschriebenes.

„Wehrte Frau Mutter,“

Sie hatte lange darüber gegrübelt, ob sie wirklich Mutter schreiben sollte, war es doch eigentlich „nur“ ihre Adoptivmutter.

„Mein Lehen hier in Nardesfeld entwickelt sich gut. Nach anfänglichen Schwierigkeiten beginnt die Dorfbevölkerung nun mich als ihre Herrin zu akzeptieren. Meine Hunde erfreuen sich bei den Schäfern und Hirtenjungen größter Beliebtheit, weil sie ihnen tatkräftige Unterstützung liefern.“

Edelgunde schmunzelte, als sie die Worte ihrer Ziehmutter in Gedanken an ihre Zucht der Altgreifenfurter Schäferhunde dachte.

„Wir konnten im vergangenen Frühjahr mehrere Lämmer und Zicklein vor umher streunenden Wölfen bewahren. Auch bei den Rindern haben sich die Hunde bewährt. Sie lassen sich, seit sie sich an die Hunde gewöhnt haben, allabendlich viel leichter zum Stall zurück treiben.

Bei der Erhebung der Landwehr konnte mir im Frühjahr Rondraja helfen, als sie mich nach Erhalt ihres Kriegerbriefes besuchte. Sie hat nun ein Offizierspatent beim Greifenfurter Regiment erhalten und führt eine eigene Truppe von der Stärke eines Halbbanners. Rahjamunde ist noch immer bei ihrem zwergischen Lehrmeister in Wandleth, der ihre Kunstfertigkeit als Goldschmiedin zu verfeinern gedenkt. Sie arbeitet für ihn an edlen Geschmeiden und Schmuckstücken.

Ja ich weiß, dass die beiden inzwischen dringend verheiratet oder zumindest versprochen gehören. Ich habe mich vor Kurzem auf dem Markt in der Stadt Greifenfurt ein wenig nach passablen Herren umgehört, bin aber noch nicht mit den Ergebnissen meiner Suche zufrieden. Ich werde Euch unterrichten, wenn ich soweit bin, eine Mitgift auszuhandeln.

Die Ernte im Herbst war in diesem Jahr weniger ergiebig als im Vorjahr, aber wir hatten hier auch recht lange noch Spätfröste und viel Regen, so dass die Bauern Schwierigkeiten hatten, ihre Ernte einzuholen. Zudem wurden die Muscheln für die diesjährige Perlenernte beschädigt, so dass wir eine ganze Reihe Jungmuscheln als Ersatz setzen mussten. Diese werden nun wieder zwei mal zwölf Götterläufe brauchen, bis man sie zum ersten Mal zur Perlenernte nutzen kann. Die Befürchtung ist aber, dass durch einen Rückgang der Bachforellen die Muscheln nicht richtig gedeihen können. Da scheint es einen Zusammenhang zu geben, wie mir die Efferdgeweihte aus dem Schmalfurter Tempel erklärte, als ich sie um den Erntesegen bat.

Ich möchte Euch aber nicht weiter mit den Details meines Lehens behelligen. Ferner wollte ich Euch eine gute Schlachtung und genug Vorräte für den Winter wünschen. Möge es Euch in der kalten Jahreszeit gut ergehen und das ihr wohl über den Winter kommt.

Meine Grüße gelten Euch und auch der Schwester Edelgunda, dass ihr wohlbehalten seid und verbleibt. Die Götter mögen Euch segnen und wohlgesonnen bleiben.

Gegeben und gesiegelt

Edelgunde Gramhind von Schroffenstein

03. Boron 1035 BF“

Nach einem erneuten Seufzen rollte sie das Papier wieder zusammen, ging zurück an ihren Schreibtisch. Dort faltete die Junkerin das Papier sorgsam zu einem Brief zusammen, tropfte dann etwas Siegelwachs darauf und drückte es mit ihrem Siegel fest, auf dem die Schroffensteiner Berge und ein schräger Querbalken abgebildet waren. Auf der anderen Seite schrieb sie nun noch in ihrer klar leserlichen Schrift den Namen der Empfängerin.

“Yadviga Keilholtz zu Schroffenstein”

Dann rief sie nach ihrer Zofe, den Brief mit einigen Münzen dem Botenreiter mitzugeben, der sich für die Nacht hier einquartiert hatte.