Geschichten:Mit Samthandschuhen (in Mendena) - Eine Vorsichtsmaßnahme

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Mendena, 2. Travia 1037 BF

Zwei Tage später schritt ein dunkelhaariger Mann mit Spitzbart über den vollen Marktplatz Mendenas. Überall hatten die Händler ihre Stände aufgebaut, und der Platz war überbordet von ihnen. Viele von ihnen mußten ihre Stände bis weit in die angrenzenden Gassen aufstellen, weil sie sonst nirgends Platz fanden. Der Mann blieb bei einem dieser Stände stehen und betrachtete die Auslage des Händlers. Es waren verschiedene Töpferwaren.

"Ah, guter Mann", fing der Händler an. "Interessiert Ihr Euch für gute Erzeugnisse aus Garetien oder Almada? Das sind die besten Erzeugnisse ..."

Doch der Mann ging einfach weiter um mit dieser Geste die Frage des Händler bezüglich seiner Interesse zu beantworten. Er begab sich auf den Bereich des alten Praios-Tempels, das als Erweiterung des Marktplatzes genutzt wurde und schritt an den versteinerten Überresten eines hohen Praios-Geweihten vorbei, der an die Reste des Tores genagelt war, und schlenderte eine Weile herum. Hier und da betrachtete er die Auslage eines Händlers, doch kaufte er nichts.

Schließlich verließ er den Marktplatz und wandte sich nach Norden in das Stadtteil Wulfenruh. Hier lebten die einflußreichsten und wohlhabensten Familien Mendenas in prunkvollen Villen. Und hier befand sich auch die Akademie für Beschwörung und gemeinschaftliche Magie im Heer. Soweit der Mann wußte, lehrten hier zwei exilierte Magier aus Elburum und ein Offizier-Magus der Karmothgarde knappe zehn Schüler in der Kunst der Magie, die ihre Begabung später im Heer zur Verfügung stellen sollen.

An einer Straßenecke sah er zwei Jungen mit einem Reifen spielen. Sie mochten so um die zehn Jahre alt sein und blickten mißtrauisch auf, als sich der Mann ihnen näherte.

"Wollt ihr Euch ein wenig Geld verdienen?", fragte er sie.

"Was müßten wir denn tun?", fragte der größere der beiden.

"Nur einen Brief überbringen", antwortete der Mann. "Ihr bekommt einen Silber dafür."

"Wir machens!", rief der kleinere aus, bevor der größere Junge etwas antworten konnte.

"Sehr gut!" Der Mann holte den Brief aus seiner Jackentasche. "Der Mann, der den Brief erhalten soll, heißt Dschafar ibn Shariyar und ist ein Magier in der Magierakademie dort drüben. Ich möchte, daß ihr es ihm persönlich überbringt, keinem anderen, nur ihm selbst. Verstanden?" Die beiden nickten. "Dschafar ibn Shariyar. Wiederholt den Namen."

"Dschafar ibn Shariyar", wiederholte der Ältere richtig.

"Sehr gut. Wenn du zurück kommst, bekommst du deinen Silber."

Die beiden Jungen nahmen den Brief und liefen los.

Der Mann blickte ihnen mit seinen grünen Augen hinterher und war zufrieden. In diesem Brief, das dieser Dschafar zu lesen bekam, stand, daß er ein Freund war und ihm zu Ohren gekommen war, daß er Hilfe in einer heiklen Angelegenheit brauchte. Und er, sein Freund, war in der Lage ihm zu helfen, diese Angelegenheit zu bereinigen. Er solle doch einfach heute Abend in den Vollen Humpen gehen und einen Mann ansprechen. In diesem Brief stand natürlich auch wie dieser Mann aussah. Und um seiner selbst willen, sollte er darauf achten, daß seine Kollegen nichts davon erfahren.

Als die Jungen zurück kamen, war der Mann verschwunden. Aber sie fanden ihr Silberstück auf dem Pfosten eines Zaunes.


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Am Abend des selben Tages fand auch Vartosch Malur wieder seinen Weg in den Vollen Humpen. Nachdem er sich wieder etwas mit dem Wirt über den örtlichen Klatsch ausgetauscht hatte, nahm er sein Bier und setzte sich wieder auf sein Lieblingsplatz. Ein Tisch in der Nähe der Theke mit gutem Blick über dem Schankraum und auch auf die Tür. Ein Blick auf den Platz gegenüber des Raumes bestätigte ihm, daß auch der Vermieter wieder anwesend war, wie jeden Abend. Er unterhielt sich mit einem befreundeten Tischler.

Nun verbrachte Vartosch den Abend mit einem Bier und einem guten Braten, während er darauf wartete, daß ein Magister Dschafar den Gastraum betrat. Jedesmal wenn sich die Tür öffnete schaute er neugierig auf. Doch jedesmal waren es einfache Gäste, die nach ihrer Arbeit etwas trinken wollten.

Einmal jedoch betraten zwei Gardisten der Stadtgarde die Schenke. Vartosch kannte beide noch aus der Zeit als er als Xandros bei der Stadtgarde diente. Daß sie ihn wieder erkennen würden, bezweifelte er allerdings. Dennoch beobachtete er sie genau, während er vorgab sich nur seinem Braten zu widmen. War es doch eine Falle? War dieser Dschafar ein falscher Hund? Er würde es gleich erfahren. Doch nein, sie führten nur ihre üblichen Kontrollen durch und verschwanden wieder.

Als Vartosch schon vermutete, daß der Magier doch nicht mehr auftauchen würde, schließlich war es schon kurz vor Zapfenstreich, ging nochmals die Tür auf. Herein trat ein großer Mann mit gebräunter Haut und einem dunklen, wohlgeplegten Bart. Seine Leinenroben und sein Stab sprachen dafür, daß er ein Magier war. Das mußte Dschafar sein!

Nervös und etwas fahrig, sah er sich mehrmals in der Gaststube um. Vartosch überflog er lediglich, bis sein Blick beim Vermieter kurz hängen blieb. Schließlich begab er sich an die Theke und bestellte sich einen Humpen Bier. Mit schnellen Zügen leerte er ihn, begab sich an den Tisch des Vermieters, der gerade über einen derben Scherz herzaft lachte, und setzte sich. Der Vermieter und der Tischler nahmen den Magister nur beiläufig war, man nickte ihm nur als Tischnachbar leicht zu, und führten ihr angefangenes Gespräch weiter. Vartosch spitzte seine Ohren.

Der Magier fragte den Vermieter, ob man sich nicht kenne und einen gemeinsamen Freund habe, doch erzeugte diese Frage beim Vermieter lediglich ein Kopfschütteln und ein skeptisches Verstummen des Gespräches. Der Magier wurde sichtlich blass, entschuldigte sich für die Verwechslung und verabschiedete sich von der Tischgesellschaft, um ohne weiteren Blickkontakt mit jemanden die Schenke zu verlassen.

Offenbar war Dschafar doch keine Falle, dachte Vartosch. Die Person, die er im Brief für den Magier beschrieben hat, war nicht er gewesen, sondern der Vermieter. Wenn dieser dann plötzlich verhaftet worden wäre, hätte Vartosch gewußt, daß es eine Falle gewesen wäre. Vielleicht lohnte sich ja eine Kontaktaufnahme?